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Die eigene Hitze lässt Rechner schmelzen, wenn nicht ... Warum braucht die IT Abkühlung?

Von lic.rer.publ. Ariane Rüdiger Lesedauer: 6 min |

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Viel Energie, die im Rechenzentrum 'verbraucht' wird, fließt in die Kühlung. Doch warum ist das so? Und was lässt sich tun, um hier effizienter zu werden?

Wer digital rechnet, muss kühlen - je intensiver, desto mehr.
Wer digital rechnet, muss kühlen - je intensiver, desto mehr.
(Bild: frei lizenziert/Myriams-Fotos / Pixabay)

Rechenzentren in Deutschland verbrauchen derzeit rund 17 Terawattstunden (TWh) Endenergie jährlich und damit etwa so viel wie die Stadt Berlin oder etwas unter einem Prozent des bundesweiten Endenergieverbrauchs (2021: 2407 TWh). Das ist viel und wenig gleichzeitig. Davon nutzen einen beträchtlichen Teil Kühlaggregate – früher: manchmal das Mehrfache der Strommenge, die das Rechnen verschlang.

Doch warum können Rechner nicht einfach rechnen, die Switche switchen und die Speicher speichern, ohne ständig Wärme zu erzeugen? Warum ist Kühlung derzeit notwendig und unvermeidlich, wenn man digital rechnen will?

Das liegt daran, dass das digitale Rechnen physikalisch darin besteht, Elektronen durch Schaltkreise und Kabel zu bewegen. Weil es sich jeweils um nur winzige Materiemengen handelt und die meiste Energie dafür gebraucht wird, diese Bewegung anzustoßen. Der Rest der Energie, den der Strom den Halbleitern bereitstellt, verpufft – in Wärme.

Rechenzentren - Heizungen mit angeschlossener Recheneinheit?

Irgendwo muss die Energie schließlich hin, wie im Energie-Erhaltungssatz der Physik festgehalten. Zu Wärme werden beim digitalen Rechnen mehr als 99 Prozent der zugeführten Energie. Deshalb werden Rechenzentren von 'Scherzbolden' gern auch als Heizung mit angeschlossener Rechenanlage bezeichnet.

Weil aber diese Wärme, würde sie sich in den Bauteilen stauen, ihnen schnell den Hitzetod bescheren würde, muss sie abgeführt werden. Und genau dazu braucht man Kühlung – je kälter die Systeme betrieben werden, desto mehr. Das verschlingt, wenn nicht gut ausgeführt, genau so viel oder auch erheblich mehr Energie als das Rechnen.

Das war so lange unerheblich, als sich die Menschheit in einer Welt der nahezu unerschöpflichen Energieressourcen wähnte. Doch da wegen der Klimawandels die fossilen Ressourcen schlicht kaum mehr nutzbar sind und die Atomenergie ein Sicherheitsproblem hat, weht nun ein anderer Wind: Es muss Energie gespart werden, wo es geht. Zum Beispiel beim Kühlen von RZ.

Stellschrauben bei der Datacenter-Klimatisierung

Inzwischen hat man einige Stellschrauben gefunden, die dabei helfen, den Energiebedarf beim Kühlen herunterzufahren. Erstens haben Untersuchungen und praktische Erfahrungen ergeben, dass es im Rechenzentrum nicht luftige 18 Grad kühl sein muss, damit die Komponenten funktionieren. Heute sieht man durchaus Betriebstemperaturen von 25 bis sogar 27 Grad.

Dass dies möglich ist, lehrt ein einfacher Blick auf die Spezifikationen: Die meisten Komponenten und Geräte sind bis mindestens knapp unter 50 Grad Betriebstemperatur spezifiziert, viele halten auch mehr aus. Da man sicher sein wollte, auch unter ungünstigen Bedingungen keine Ausfälle zu riskieren, wurde der so genannte Envelope, der die angestrebte Betriebstemperatur und Luftfeuchtigkeit von den erlaubten Werten trennt, zunächst eher eng geschneidert.

Gelockerte ASHRAE-Vorgaben

Zuständig für das Design des Envelopes ist der Verband ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers). Die ASHRAE-Norm trägt die Bezeichnung ASHRAE TC9.9, Data Center Power Equipment Thermal Guidelines and Best Practises. Sie stammt aus dem Jahr 2015.

Die erste Version dieser Norm verlangte eine Temperatur zwischen 20 und 25 Grad Celsius. In den folgenden Jahren wurden dank positiver praktischer Erfahrungen die Anforderungen schrittweise zurückgefahren beziehungsweise die Grenzen des Empfohlenen ausgeweitet.

Der aktuelle Temperatur-Envelope der ASHRAE erlaubt für Rechner Umgebungstemperaturen zwischen 18 und 27 Grad.
Der aktuelle Temperatur-Envelope der ASHRAE erlaubt für Rechner Umgebungstemperaturen zwischen 18 und 27 Grad.
(Bild: ASHRAE)

Seit 2011 werden für die IT-Komponenten Temperaturen zwischen 18 und 27 Grad Celsius, ein Taupunkt zwischen -9 Grad Celsius und 15 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent empfohlen. Einzelne Komponenten dürfen auch wärmer werden. Effekt: Die Kühlung muss in einem Rechenzentrum, das eher oben in der erlaubten Temperatur-Range arbeitet, weniger zu tun.

Luft als Kühlmittel ist ineffizient

Dabei wird in den Vorgaben in erster Linie von Systemen ausgegangen, bei denen Luft im Kühlkreis direkt an den Komponenten die Wärme-Abfuhr übernimmt. Diese hat dann eine Temperatur von vielleicht 30 bis 35 Grad – zu wenig, um wirklich etwas damit anzufangen.

Jedenfalls ist die geringe Temperatur der Abluft einer (von vielen) Gründen dafür, dass die Abwärme der Rechenzentren zu wenig genutzt wird. Wie wir eben gelernt haben, tritt sie unvermeidlich auf, je intensiver die Komponenten rechnen. Und um so fataler ist es angesichts der allgemeinen Energielage, dass sie hierzulande nicht ausreichend genutzt wird.

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Dabei ließen sich damit Gewächshäuser, Schwimmbäder, ja sogar Straßen erwärmen. Doch leider fehlen gesetzliche Grundlagen und genauere Bestimmungen dafür, dass und von wem solche Maßnahmen durchzuführen sind und wer sie bezahlt. Wer also beispielsweise Leitungen verlegt und auf wessen Kosten.

Abwärme ist oft zu kühl

Für viele Zwecke müsste die Abwärme aber wärmer sein als sie es heute ist. So werden die heute genutzten Fernwärmenetze mit Temperaturen zwischen 90 und 120 Grad betrieben – die Abwärme eines der üblichen Rechenzentren müsste also um den Faktor 4 gesteigert werden. Die dafür nötigen Wärmepumpen würden den durch Abwärmenutzung möglichen energetischen Vorteil überkompensieren und sind zudem teuer.

Bis aber Nahwärmenetze der 4. Generation, die mit 30 bis 35 Grad warmer Abwärme arbeiten könnten, gebaut sind, dürfte es dauern. Genauso, bis der im Zusammenhang mit dieser Heizform sinnvollen Gebäude mit Fußbodenheizung entstanden sind.

Gutes Beispiel: Frankfurt Westville

Immerhin gibt es spektakuläre Pilotprojekte wie das von Telehouse in Frankfurt. Dort wird das neu entstehende Wohnviertel Westville mit 1.300 Wohnungen seine (von Telehouse kostenlos abgegebene) Heizenergie zu 60 Prozent von den unweit gelegenen Rechenzentren beziehen. Wie groß das Abwärme-Potential ist, zeigt sich, wenn man bedenkt, dass Telehouse nur vier Prozent seiner Abwärme liefern muss, um diese Aufgabe zu lösen, wie Telehouse-Geschäftsführer Béla Waldhauser berichtet.

Nötig ist insgesamt, die Abwärme in der Temperatur anzuheben, ohne in großem Umfang Wärmepumpen einzusetzen. Dafür kommen in erster Linie diverse Flüssigkühlverfahren im Rechenzentrum in Frage, die die Wärme mit Wasser oder einer speziellen Flüssigkeit direkt an den erhitzten Komponenten abführen. Dabei wird die Flüssigkeit erheblich heißer – 50, 60 Grad Celsius sind durchaus drin. Das reicht schon fast für das Heizen. Datacenter Insider befasst sich mit diesen innovativen Kühlformen immer wieder in seinen Beiträgen, etwa:

Leider begegnen Flüssigkühlmethoden derzeit noch einer verbreiteten Skepsis, obwohl doch die Großrechner-Boliden, bekanntlich eine Bastion der Zuverlässigkeit, ebenfalls flüssig gekühlt wurden. Bis sich Wasserkühlung durchsetzt, wird wohl eine aufwändige Kühlung beim Rechnen weiter unentbehrlich bleiben und daher weiter viel Energie sinnlos verpuffen, um Elektronen beim digitalen Rechnen hin und her zu schieben.

Redudanz, Hotspots und Leerlauf erhöhen Energieverbrauch und Kühllast

Neben der Erweiterung der empfohlenen Temperaturgrenzen gibt es noch weitere Mechanismen, die helfen können, die Energieverschwendung beim Rechnen und anschließenden Kühlen zu verringern. Wirken könnte beispielsweise eine gleichmäßige Verteilung der Rechenlasten auf die vorhandenen Systeme, um Hotspots zu verhindern. Gleichzeitig sollten nicht benötigte Systeme sofort heruntergefahren werden, statt still vor sich hinzuidlen und Strom zu verbrauchen. Hier preschen die Hyperscaler voran.

Überzogene Redundanzanforderungen sollte man aus denselben Gründen überdenken. Denn jedes Aggregat, das läuft, muss auch gekühlt werden. Ebenfalls wirksam könnte es sein, Software so zu schreiben, dass sie beim Rechnen nicht mehr Komponenten beansprucht als für die jeweilige Aufgabe nötig sind. Denn jede unnötige Programmierzeile verschlingt Ressourcen, in diesem Fall vor allem Strom, und erzeugt Abwärme.

Nur noch im Norden rechnen?

Die Verkleinerung von Komponenten hilft ebenfalls – allerdings nur, wenn diese nicht durch umgehende Anhebung der Rechenleistung ausgeglichen oder überkompensiert wird. Auch die Verlagerung von rechenintensiven Aufgaben in kühlere Klimazonen, etwa Nordeuropa, wäre ein Beitrag zur Verringerung von Umweltlasten der IT. Denn dort wird einfach mit Außenluft gekühlt. Das scheidet hier vielerorts zumindest im Sommer aus.

Kurz: Es erfordert Mut zur Innovation, um die durch die physikalischen Gesetze zwangsläufige Energieverschwendung beim digitalen Rechnen zu minimieren. Mittel und Wege dafür gibt es durchaus, man muss sie nur einschlagen.

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