Auswirkungen der Digitalisierung Verschlingen Rechenzentren die weltweite Stromproduktion?

Autor / Redakteur: Ralph Hintemann* / Ulrike Ostler |

Die Datenmengen, die übertragen, verarbeitet und gespeichert werden, wachsen dramatisch. Cisco geht davon aus, dass sich der IP-Datenverkehr zwischen 2017 und 2022 um mehr als den Faktor drei auf 4,8 Zettabyte erhöhen wird. Bezogen auf die Weltbevölkerung sind das 50 Gigabyte pro Person und Monat. Um diese Daten zu verarbeiten, sind dann weltweit 50 Millionen physikalische Server notwendig.

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Digitalisierung bedeutet Ausbau der Netze und ein Plus an Hardware in und außerhalb von Rechenzentren - und diese läuft nun einmal mit Strom. Wie viel Energie die Datacenter jetzt und künftig benötigen? Darüber gibt es kaum verlässliche Zahlen.
Digitalisierung bedeutet Ausbau der Netze und ein Plus an Hardware in und außerhalb von Rechenzentren - und diese läuft nun einmal mit Strom. Wie viel Energie die Datacenter jetzt und künftig benötigen? Darüber gibt es kaum verlässliche Zahlen.
(Bild: © silvae - stock.adob.com)

Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf den Energiebedarf der Rechenzentren? Bei dieser Frage gehen die Expertenschätzungen oft weit auseinander. Die Berechnungen zum aktuellen Energiebedarf aller Rechenzentren weltweit reichen von etwa 200 Milliarden Kilowattstunden (kWh) bis 500 Milliarden kWh.

Beim Blick in die Zukunft ist die Unsicherheit noch größer – für das Jahr 2030 variieren die in Publikationen genannten Prognosen zwischen 200 Milliarden kWh und 3.000 Milliarden kWh. Rechenzentren hätten dann einen Anteil am weltweiten Strombedarf zwischen 0,5 und 8 Prozent.

Woran liegt es, dass die Expertenmeinungen so weit auseinander liegen? Die Ursachen hierfür sind vielfältig. Wesentlich ist vor allem, dass es zu Rechenzentren keine Zahlen von offiziellen Stellen wie dem Statistischen Bundesamt oder Eurostat gibt. Außerdem geben viele Rechenzentrumsbetreiber nur ungern über ihr Rechenzentrum Auskunft – vor allem aus Sicherheits- und Wettbewerbsbedenken.

Verlässliche Zahlen

Die Berechnungen Forscher beruhen daher zum Beispiel auf Server-Verkaufszahlen oder auf Abschätzungen, die aus Befragungen abgeleitet werden. Andere Forscher schätzen den künftigen Energiebedarf auf Basis von mehr oder weniger plausiblen Annahmen zur Entwicklung der notwendigen Rechenleistungen und der Entwicklung der Energie-Effizienz von Rechenzentren.

Für Deutschland liegen vom Borderstep Institut relativ belastbare Zahlen zum Energiebedarf der Rechenzentren vor. Diese beruhen auf den Verkaufszahlen von IT-Hardware wie Server, Storage und Netzwerkkomponenten und werden jedes Jahr aktualisiert (siehe: Grafik). Über Befragungen von Rechenzentrumsbetreibern wird regelmäßig ein Abgleich der erwarteten Trends mit der Praxis vorgenommen.

Aktuell läuft vom Borderstep Institut eine Befragung, an der sich Rechenzentrumsbetreiber beteiligen.sollten:

► Umfrage: "Rechenzentrumsmarkt und Energie-Effizienz in deutschen Rechenzentren"

 

Die Berechnungen zeigen, dass der Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland weiterhin kontinuierlich ansteigt – sogar mit steigenden Wachstumsraten. Im Vergleich zu 2010 benötigten die Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2017 rund 25 Prozent mehr Strom. Blickt man auf den seit Jahren anhaltenden Boom beim Bau von Rechenzentren in Deutschland, so scheint diese Entwicklung auch plausibel.

Die Zahlen zum Energiebedarf deutscher Rechenzentren vom Borderstep Institut beruhen auf den Verkaufszahlen von IT-Hardware wie Server, Storage und Netzwerkkomponenten.
Die Zahlen zum Energiebedarf deutscher Rechenzentren vom Borderstep Institut beruhen auf den Verkaufszahlen von IT-Hardware wie Server, Storage und Netzwerkkomponenten.
(Bild: Borderstep Institut)

Und wie wird es in Zukunft weitergehen? Es spricht einiges dafür, dass auch in den nächsten Jahren der Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland und weltweit deutlich ansteigt. Für die nächsten fünf bis sechs Jahre sind keine dramatischen Trendänderungen zu erwarten.

Zumindest ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Rechenzentrumsleistung weiterhin stark ansteigt. Eine weitere Konsolidierung von Rechenzentren, die zunehmenden Nutzung von Cloud-Diensten und künftig auch vermehrt der Aufbau von Edge-Rechenzentren sind Trends, die absehbar sind.

Doch auch die Effizienz der Rechenzentrumsinfrastruktur wird sich weiterhin und kontinuierlich verbessern. Auch wenn die konkreten Ausprägungen der Entwicklungen nicht immer genau vorhergesagt werden können, geht Borderstep in Summe davon aus, dass zumindest bis zum Jahr 2025 der Energiebedarf der Rechenzentren weiter mit einer relativ konstanten Rate ansteigen wird.

Was bringt die Zukunft?

Diese Annahmen decken sich auch mit der Selbsteinschätzung der Rechenzentrumsbetreiber. In einer Umfrage des Netzwerks Energie-effiziente Rechenzentren geht eine Mehrheit von steigenden Energiebedarfen ihrer Rechenzentren aus.

Mittel- bis langfristig sind allerdings durchaus Trendbrüche vorstellbar. So stehen wir beim Thema Digitalisierung bisher erst am Anfang der Entwicklung und es ist durchaus denkbar, dass die Nachfrage nach Rechenleistung in Zukunft sogar noch viel stärker wächst.

Experten sehen auch ein Ende von Moores Law in den 20er Jahren voraus. Unklar ist noch, ob es gelingt, durch andere Technologien die Rechenleistung weiter zu steigern, ohne den Energiebedarf deutlich zu erhöhen. Einige interessante Technologien wie Silicon Photonics oder Quanten-Computing haben durchaus das Potential, die Rechenzentrumswelt mittel- bis langfristig zu revolutionieren. Neue Cloud-Architekturen und Themen wie Edge- und Fogcomputing werden zu Veränderungen führen, die aus aktueller Sicht nur schwer vorhersagbar sind.

Eines ist aber ganz klar: der Energie-effiziente Betrieb von Rechenzentren ist auch in Zukunft ein sehr wichtiges Thema. Datacenter Insider und das Netzwerk Energie-effiziente Rechenzentren widmen dem Thema daher auch einen eigenen Blog auf DataCenter-Insider, in dem regelmäßig News zum Thema vorgestellt und diskutiert werden.

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