Konkrete Ziele, oben auf der Unternehmensagenda und passende Metriken Uptime-Institute: So entsteht eine Nachhaltigkeitsstrategie fürs Rechenzentrum
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Der Druck auf Rechenzentren wächst: Sie sollen nachweislich umweltfreundlicher werden. Nun hat das Uptime-Institute beschreiben, wie Rechenzentren eine individuelle Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln können.

Green IT und Nachhaltigkeit bei Rechenzentren sind im Moment In-Themen. Das hat unterschiedliche Gründe auf der geschäftlichen, aber zunehmend auch auf der politischen Ebene. Dazu einige Beispiele:
- Städte wie Frankfurt und Amsterdam haben Baumoratorien für Rechenzentren erlassen. Sie zwingen zu nachhaltigen Planungen für die Bauherren und Betreiber, die dort überhaupt noch Rechenzentren errichten, errichten wollen und können.
- Die EU wiederum hat – freiwillige – Kriterien für den umweltbewussten Einkauf von Datacenter-Komponenten veröffentlicht EU Green Public Procurement Criteria for Data Centres, Server Rooms and Cloud Services, 2020
- Die aktuelle Bundesregierung formuliert in ihrem Programm Ziele für mehr Nachhaltigkeit bei Rechenzentren, der Blaue Engel für Rechenzentren wird derzeit aktualisiert und eine Zertifizierung könnte mittelfristig zum Kriterium für öffentliche Beschaffer werden.
- Inzwischen ist es aber auch vielen Kunden von oder Investoren in Cloud-Provider oder Co-Location-Betriebe wichtig, dass ihre Dienstleister respektive ihr Investment zumindest keine eklatant schmutzige Weste haben, sondern auf Umweltfreundlichkeit beim Betrieb achten.
Datacenter-Nachhaltigkeitskriterien sind international uneinheitlich
Die Betreiber von Rechenzentren können also das Thema nicht mehr ignorieren, sondern, so meint zumindest das Uptime-Institute, sollten es gezielt als strategische Aufgabe begreifen und auf die Agenda setzen. Dabei sei, so die Organisation, für einen erfolgreichen Wandel eine Zeitspanne von acht Jahren nötig – vielleicht auch etwas weniger. Mit einem Vierteljahresplan ist aber ein Erfolg kaum zu erzielen.
Dabei ist es durchaus sinnvoll, international zu denken; denn viele Unternehmen Co-Location-Anbieter und Provider betreiben Rechenzentren in mehreren Ländern mit jeweils unterschiedlichen Nachhaltigkeitsanforderungen.
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Wie bewertet man ein Rechenzentrum?
Ein Datacenter wie bestellt. Bewerten mit System
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Emissionsstandards für Dieselaggregate im Rechenzentrum
Streng reguliert: Netzersatz mit Diesel-Notstromtechnik
Kriterien und Wirkungsfelder von Datacenter-Nachhaltigkeitsinitiativen
Wie auch immer die individuellen Gegebenheiten, das Uptime Institute fordert, dass eine sinnvolle Nachhaltigkeitsstrategie fürs Datacenter folgende Kriterien einschließen sollte:
- PUE (Power Usage Effectiveness) bezogen auf jedes einzelne DC,
- Energieverbrauch von Servern, Storage und Netzen im Leerlauf und bei der Arbeit sowie Effizienz/Auslastung,
- Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Verhältnis zu den gültigen Normen,
- Wiederverwendung von Wärme,
- Verwendung von erneuerbarer Energie, Verringerung des Treibhausgasausstoßes,
- Software-Effizienz
- Übergreifende Effizienzmetrik fürs gesamte Rechenzentrum,
- Veröffentlichung von Messinitiativen, Metriken, Zielen und Ergebnissen.
Werden sie berücksichtigt und entsprechend ehrgeizige Ziele festgelegt und verfolgt, dann sollte dies vorteilhafte und messbare Auswirkungen auf folgende Bereiche haben:
- Direkte und indirekte Treibhausgasemissionen,
- Energieverbrauch und -einsparung einschließlich entsprechender Management-Ziele
- Nutzung erneuerbarer Energien
- Effizienz und Leistung von IT-Produkten,
- Wasserverbrauch, Wassereinsparung, effiziente Wassernutzung (siehe: „Mit allen Wassern gewaschen; Wasser wird zum knappen Gut. Was machen die Datacenter?“,
- Umweltgerechte Baumaterialien und Standorte von Rechenzentren,
- Abfall-Management, Entsorgung, Recycling.
- IT-Inventar als zentrale Datenquelle
Für alle diese Bereiche müssen verbindlich Metriken, Ziele und Mess- sowie Reporting-Rhythmen bestimmt werden. Dabei ist das Design von Messstrategien und dazu passenden Metriken sehr wichtig.
Ein IT-Inventar mit den entsprechenden Verbrauchscharakteristiken der Systeme leistet hier gute Dienste. Sein Aufbau erfordert aber die Zusammenarbeit des IT- und Nachhaltigkeits- mit dem Prozess-Management. Die Wahl der Metriken ist kompliziert, da es regionale Unterschiede gibt und auch die individuelle Situation jedes Datacenter-Betreibers anders ist (siehe zum Beispiel die Überarbeitung des Blauen Engel für Rechenzentren).
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Blauer Engel für Rechenzentren, Teil 2
Knifflig: Kriterien für Verträge und IT-Monitoring
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Blauer Engel für Rechenzentren
Kriterien-Überarbeitung für Umweltzertifikat: Sondierungen laufen
Individuelle Metriken
Das Uptime Institute rät zu experimentieren, bis die individuell passende Lösung gefunden ist. Die gewählte Metrik sollte zu Zeithorizont, zu den eigenen Kunden und den finanziellen und geschäftlichen Möglichkeiten passen. Wer nur zwei Rechenzentren in Deutschland betreibt, wird voraussichtlich andere Metriken verwenden als ein internationaler Hyperscaler.
Entsprechende Metriken etwa für den effizienten Betrieb, die Auslastung von Komponenten beispielsweise machen die Situation, Fortschritte und Erfolge oder auch Rückschritte transparent. Sie zeigen auch, wo sich beispielsweise leicht Verbesserungen erreichen lassen.
Konkrete Ziele definieren
Für die Erfolgsmessung ist es aber auch nötig, konkrete Ziele festzuschreiben und sie stringent zu verfolgen. Sie sollten sich einerseits auf die Arbeitslast des Rechenzentrums und andererseits auf die vorher definierten Metriken beziehen.
Beispielsweise sollte der Treibhausgasausstoß der Abarbeitung einer Workload mit der Zeit sinken, ohne dabei etwa Zuverlässigkeitsanforderungen zu vernachlässigen. Das Uptime Institute schlägt ein vierteljährliches internes Reporting vor, Ergänzt werden sollte es durch veröffentlichte Jahresberichte.
Datacenter-Nachhaltigkeit als Top-Priorität
RZ-bezogene Nachhaltigkeitsinitiativen haben, so Uptime Institute, nur dann eine Erfolgschance, wenn sie oben auf der Prioritätenliste des Unternehmens stehen. Dazu gehört, dass es einen obersten Verantwortlichen für das Thema gibt, der Finanz- und Organisationsverantwortung hat. Auch ein regelmäßiges Reporting ist unabdingbar.
Es müssen spezifische, gemeinsame Ziele definiert werden, an denen alle Beteiligten an den Nachhaltigkeitsprojekten sich selbst und ihre Arbeit messen können. Solche Ziele lassen sich aber nur erreichen, wenn sie auch durch entsprechende Ressourcen untermauert werden. Die nötigen finanziellen Mittel können aus allgemeinen Budgets zugewiesen, aber auch über eine Art interne Treibhausgas-Abgabe gewonnen und dann wieder umverteilt werden.
Übergreifende Kooperation ist notwendig
Außerdem ist eine Datacenter-Nachhaltigkeitsinitiative kein Projekt, das ein Unternehmen alleine stemmen kann. Vielmehr müssen alle Interessenträger einbezogen werden – schon allein deshalb, weil sich für viele Themen, etwa die Abwärmenutzung, nur kooperativ wirklich gute Lösungen finden lassen. Dazu gehören beispielsweise die Kunden, die Nachbarn, die Gemeinden, in denen die Rechenzentren stehen, und die vorgesehenen Lieferanten.
Auch intern sollte das Nachhaltigkeitsteam mit allen anderen beteiligten Gruppen im Unternehmen zusammenarbeiten. Denn Nachhaltigkeit lässt sich nur durch bereichsübergreifende Kooperation der unterschiedlichen IT-Teams mit dem Nachhaltigkeitsteam erreichen.
Nachhaltigkeitsfreundliche Beschaffung
So sollten etwa Beschaffungsentscheidungen – egal, ob dienstleistungs- oder produktbezogen, nicht nur an den unmittelbaren Beschaffungskosten als Kriterium gemessen werden. Vielmehr kommt es darauf an, dass Produkte und Dienstleistungen beschlossene Nachhaltigkeitspläne durch ihre Qualität stützen und nicht unterminieren. Dazu gehören langfristige Wartbarkeit des Equiment, Updates und Skalierungsmöglichkeiten.
Schließlich sollten Datacenter-Betreiber ein waches Auge auf innovative Produkte im Markt haben. Denn es ist zu erwarten, dass Energie-Effizienz und Umweltfreundlichkeit in Zukunft bei Neuentwicklungen wichtiger sein werden als bisher.
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