Mit allen Wassern gewaschen Wasser wird zum knappen Gut. Was machen die Datacenter?
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Die zunehmende Wasserknappheit macht es den Datacenter-Planern zu schaffen, besonders im Osten. Doch nicht alle wollen kürzertreten. Die Problematik der Wasserwirtschaft lässt sich zum Glück durchaus differenziert anpacken.

Angesichts des fortschreitenden Klimawandels hat sich die EU hehre Klimaziele auf die Fahnen geschrieben. Doch die neuesten Ereignisse in Osteuropa drohen, einen dicken Strich durch die Klimarechnung zu ziehen. Die Datacenter-Branche muss Teil der Lösung werden. Doch wie genau, darüber besteht keine Einigkeit.
Die Mittelständler wollen mit innovativen Rechenzentrumskonzepten punkten. Die Großen möchten lieber klotzen statt kleckern.
Der Markteintritt eines Schwergewichtes ist eine Gratwanderung zwischen „vermessen“ und „angemessen“. Die Neigung der Großen, auf die Expertise eigener Datacenter-Planer, auf eigene Bauherren & Co. zurückzugreifen, ist lokalen Dienstleistern ein Dorn im Auge. Für den Mittelstand sei es dadurch nicht einfach, an Aufträge zu kommen, dem Preisdruck zu widerstehen und die besten Fachkräfte bei der Stange zu halten.
Das „Masse-ist-Klasse“-Syndrom der Hyperscaler ist ein zweischneidiges Schwert. Es skaliert die Vorzüge, aber auch die Risiken. So gehen die Schwergewichte am liebsten nach Schema F mit fest eingespielten globalen Partnern vor. An Lösungen, die mit noch ungetesteten Versorgungsketten einhergehen, besteht bei dieser Klientel prinzipiell kein Interesse.
Für innovative Datacenter-Konzepte oder standortspezifisches Fein-Tuning gibt es dann meistens auch keinen Platz.
Nach „Schema F“. (K)ein Sprung ins kalte Wasser
Hyperscaler wie AWS, Google, IBM, PayPal und Equinix setzen bei ihren Datacenter-Bauprojekten auf Partner wie Mercury Engineering, ein global tätiges privates Bauunternehmen aus Irland. Mercury ist für die kollaborative Entwicklung modularer Baukonzepte bekannt. Das Unternehmen nutzt intern die SaaS-Lösung Yolean, eine kollaborative Planungs-Software von der PLACE Strategy GmbH aus Stuttgart. Sie ist unter anderem auch bei der STRABAG International GmbH, bei der HOCHTIEF AG und bei der Deutschen Bahn im Einsatz.
Mit seinen „Fliegenden Fabriken“ verlagert Mercury die Fertigung von Rechenzentrumsmodulen an den Kundenstandort. Es handelt sich dabei um temporäre Einrichtungen, die strategisch in der Nähe großer Bauprojekte entstehen, um praxiserprobte Konstruktionsmethoden möglichst zeitnah reproduzieren zu können.
Switch, der Exascale-Betreiber aus Las Vegas, bietet seine modularisierten Designs mit Fertigungsdienten zur Einrichtung von On-Premises-Rechenzentren nach den Vorgaben des hauseigenen Tier-5-Datacenter-Standards unter dem Markennamen „Built-To-Suit“. Das Angebot umfasst unter anderem „Switch MOD 100“, „Switch MOD 250“ Datacenters sowie „Switch Edge“.
MOD 250 folgt den gleichen Spezifikationen wie die bestehenden „Supernap“-Rechenzentren des Unternehmens in Las Vegas. Es bietet skalierbare Stromversorgung, Platz und Kühlung für massive Hyperscale-Implementierungen einzelner Rechenzentrumsbenutzer. MOD 100 schafft eine schnell einsatzbereite Einzelbenutzerumgebung auf einem nahezu beliebigen Grundstück ab einer Fläche von rund 37 Quadratmetern.
Rechenzentren der Switch Edge-Reihe tragen die Bezeichnung „MOD-15“ (15 Fuß Breite auf bis zu 100 Fuß Länge). Sie sind als luftfrachtfähige Module ausgelegt. Sie können IT-Kapazitäten in Blöcken von 250 Kilowatt bis zu etwas mehr als 1 Megawatt bereitstellen und 24 bis 1.200 Schränke mit Geräten „unter Dach und Fach“ bringen.
Das Design baut auf dem modularen Ansatz auf, den Switch bei der Bereitstellung neuer Kapazitäten für seine vier Prime-Standorte in den Vereinigten Staaten entwickelt hat. Für die erste Implementierung konnte Switch als Projektpartner FedEx (wegen des außergewöhnlichen Immobilienportfolios) und Dell Technologies (als Lieferant von Hardware) gewinnen.
Alle MOD-Designs von Switch sollen den Kunden erhebliche Kosteneinsparungen ermöglichen. Doch für maßgeschneiderte standortspezifische Innovationen hat das Lizenzmodell kaum Freiheitsgrade.
Das Marktgeschehen
Laut einer aktuellen Prognose von Arizton Advisory and Intelligence dürfte der globale Markt für die Konstruktion von Datacenter im Prognosezeitraum zwischen 2022 und 2027 mit einer CAGR-Rate von 5,9 Prozent wachsen und kumulativ über 350 Milliarden Dollar an neuen Werten schaffen. Knapp jeder dritte Euro (30 Prozent) soll hierbei auf Hyperscale-Rechenzentren im Eigenbau entfallen, Google, Facebook, Microsoft, Oracle, Amazon Web Services und Apple sind in diesem Segment führend.
Einer Prognose von Synergy Research Group zufolge soll die Zahl der Hyperscale-Einrichtungen bis zum Jahre 2024 die runde Ziffer Tausend erreichen. - Zum Vergleich: im Jahre 2018 gab es gerade einmal die Hälfte davon, nämlich genau 500. - Rund 40 Prozent davon entfällt auf die Vereinigten Staaten.
Die effiziente Beschaffung von Infrastrukturen soll laut Arizton Advisory and Intelligence bis zum Jahre 2027 an Bedeutung zunehmen, wobei der Einsatz moderner Technologien und Modularität in den Vordergrund rücken. Die wichtigsten Trends für Rechenzentren im Jahr 2022 umfassen demnach die Beschaffung erneuerbarer Energien, die Umrüstung von Rechenzentren für die Installation von Flüssigtauchkühlung und Direct-to-Chip-Kühlung sowie die Bereitstellung von Edge-Rechenzentren weltweit in Städten mit einer Bevölkerung von 20.000 bis 50.000 Einwohnern.
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Prognose des Uptime Institute für 2022
Mehr Regulierung, mehr Prozessorvielfalt, mehr Druck auf Nachhaltigkeit
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Bitkom-Studie zu Rechenzentren und ihre aktuelle Entwicklung
Datacenter in Deutschland: Mehr Daten – mehr Strom?
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Der globale Markt für Rechenzentren
Der Data Center Cost Index zeichnet viel Sonne auf und sagt Böen voraus
Ein Schlag ins Wasser?
Bereits die schiere Größe ihrer Facilities sichert den Hyperscalern greifbare Vorteile – auch jenseits der Nutzung von Energie und Wasser. So hat beispielsweise Meta im Januar, Februar und März in den Vereinigten Staaten drei neue Hyperscale-Rechenzentrum angekündigt, die alle etwas gemeinsam haben: Jede dieser Einrichtungen entsteht dort, wo sie in den Genuss nagelneuer Infrastruktur, günstiger Immobilienpreise und großzügiger Steuerbegünstigungen kommen kann (Kansas City im U.S.-Bundesstaat Kansas, Kuna in Idaho und Gallatin in Tennessee).
In den Niederlanden bekam Meta im gleichen Zeitraum keinen Zuschlag; Da fehlte im Senat das nötige politische Klima, um ein begehrenswertes öffentliches Gelände unter den Hammer zu bringen. (Auch das landesweite Verbot neuer Hyperscale-Rechenzentren in den Niederlanden verheißt für das Projekt nichts Gutes.) Dafür hat es in Spanien geklappt; auch hier will Meta ein Grundstück aus der öffentlichen Hand übernehmen.
Googles neuestes Vorhaben in Brandenburg ist vorerst an Wassermangel gescheitert. Die Region bekommt nicht genug Regen; der Sandboden kann nicht genug davon speichern. Bürger und Unternehmen müssen sich bis 2025 auf Wasserrationierung einstellen. Hinzu kommt: Die geplante Tesla-Fabrik und ein in der Nähe entstehendes Rechenzentrum der Bundeswehr dürfen bereits abschöpfen. Google ging im ersten Anlauf offenbar leer aus.
Kein Wässerchen trüben
Wo selbst die innovativsten Datacenter-Konzepte zu kurz kommen, könnten Klima-Initiativen helfen, die Umweltbelastung auszugleichen – von Wasseraufbereitung zur Wiederaufforstung. Intel macht es gerade vor. Die Halbleiterfertigung zählt zu den wasserintensivsten Branchen der Welt. Intels Fabriken haben einen erheblichen Wasserverbrauch.
Am 15. März 2022 gab Intel den Startschuss zur ersten Phase seiner Pläne bekannt, in den nächsten zehn Jahren bis zu 80 Milliarden Euro in der Europäischen Union zu investieren, über die gesamte Halbleiter-Wertschöpfungskette hinweg, von der Forschung und Entwicklung (R&D) über die Fertigung bis hin zur Aufbau- und Verbindungstechnik (AVT, Englisch: packaging).
Die Ankündigung umfasst Pläne, zunächst 17 Milliarden Euro in einen hochmodernen Mega-Standort für Halbleiterfabriken in Deutschland zu investieren, voraussichtlich in Magdeburg, knapp 90 Kilometer westlich von Googles geplantem beziehungsweise geplatztem Datacenter-Standort in Brandenburg. Mit dieser bahnbrechenden Investition plant Intel seine fortschrittlichste Technologie nach Europa zu bringen, ein europäisches Chip-Ökosystem der nächsten Generation zu schaffen und die Lieferkette „ausgewogener und widerstandsfähiger“ zu gestalten – und hat dafür den Zuschlag bekommen.
Der EU Chips Act trägt somit erste Früchte. Intels Investitionsprogramm zielt darauf ab, die Turbulenzen der globalen Halbleiter-Lieferkette durch eine umfangreiche Erweiterung der Produktionskapazitäten in Europa auszugleichen.
In der ersten Phase plant Intel den Aufbau von zwei Halbleiterfabriken in Magdeburg, der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Sie sind die ersten ihrer Art. Die Planung läuft bereits auf hohen Touren, der Baubeginn ist für die erste Hälfte des Jahres 2023 vorgesehen. Die Inbetriebnahme findet im Jahre 2027 statt, vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission.
Die neuen Fabriken sollen Chips mit Intels fortschrittlichsten Transistortechnologien der Angstrom-Ära liefern und sowohl die Bedürfnisse der Foundry-Kunden als auch die von Intel im Rahmen der IDM 2.0-Strategie des Unternehmens erfüllen (IDM steht für integrated device manufacturer). Mitten in Europa gelegen und mit Top-Talenten, hervorragender Infrastruktur und einem bestehenden Ökosystem von Zulieferern und Kunden sei Deutschland „ein idealer Ort“, um ein neues Fertigungszentrum - eine „Silicon Junction“ - für die fortschrittlichste Chipherstellung der Welt zu schaffen.
Im ersten Schritt möchte Intel 17 Milliarden Euro auf den Tisch blättern. Im Laufe der Bauarbeiten sollen mit dem Geld rund 7.000 Arbeitsplätze entstehen, danach 3.000 dauerhafte High-Tech-Stellen bei Intel selbst und weitere Zehntausende bei Zulieferern und Partnern.
Den neuen Standort hat man „Silicon Junction“ getauft. Er wird zum Knotenpunkt Intels Lieferketten, einem Verbindungspunkt für andere Innovations- und Fertigungszentren in Deutschland und in Europa. Von der Größe her ist das Projekt mit Intels geplanten zwei Chip-Fabriken im U.S.-Bundesstaat Ohio vergleichbar. Auch dort steht die „Regionalisierung“ der Versorgungsketten im Vordergrund.
Und die Wasserknappheit?
Auch Intel „kocht“ natürlich mit Wasser. Das Unternehmen sucht für seinen Verbrauch einen Ausgleich innerhalb wie auch außerhalb des Kerngeschäfts.
Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit verfolgt das Unternehmen drei Hauptziele: eine positive Nettowassernutzung, die zu 100 Prozent ausschließliche Nutzung erneuerbarer Energien und keine Abfallentsorgung auf der Deponie. Bis zum selbstbenannten Stichtag im Jahre 2030 möchte das Unternehmen:
- kumulativ 272 Milliarden Liter Wasser (60 Milliarden Gallonen) in Partnerschaften mit lokalen Gemeinden einsparen,
- sich durch Investitionen in Wasserwiederherstellungsprojekte zur Unterstützung der Wasserumwelt einbringen,
- Technologielösungen zur Nutzung und Einsparung von Wasser entwickeln und anderen anbieten.
- Nicht schlecht für eine Chip-Schmiede. Andere könnten sich davon ruhig eine Scheibe abschneiden.
Google hat sich seinerseits in der Vergangenheit schon den Zorn der Umweltschützer zugezogen. Vor rund fünf Jahren stellte man eben einen Antrag auf eine Genehmigung für die Entnahme von 6,8 Millionen Liter Wasser pro Tag aus einem erschöpften Grundwasserleiter, um das expandierende Rechenzentrum in Goose Creek im U.S.-Bundesstaat South Carolina zu kühlen. Die Anlage hatte bereits 4 Millionen Liter Leitungswasser pro Tag verschlungen.
Anwohner und Umweltschutzgruppen waren besorgt über die Auswirkungen des Unternehmens auf die schwindenden Grundwasservorräte. Es brach die Hölle los. Nach einem mehrjährigen Streit über die Pläne musste Google klein beigeben. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, das Grundwasser nur unter bestimmten Bedingungen zu nutzen, zum Beispiel bei Wartungsarbeiten oder als Reserve in trockenen Monaten, und stattdessen für eine alternative Quelle von Oberflächenwasser in barer Münze zu zahlen.
In Brandenburg möchte das Unternehmen nicht loslassen. „Wir halten an unserem Plan fest“, so Daniel Holz, Googles Cloud-Chef für Deutschland und Nordeuropa. Man habe auch bereits einen Weg gefunden. Es bleibt zu hoffen, dass der Hyperscaler aus dem Vorfall in Goose Creek die richtigen Schlüsse gezogen hat.
Das Autorenduo Anna Kobylinska und Filipe Pereia Martins arbeitet für McKinley Denali Inc. (USA).
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