Erste Einladung zum DataCenter Day 2020 Kopf in den Sand! Die verfügbare Energie schwindet, aber digitale Infrastrukturen wachsen
Uns wird der Strom knapp. Doch: „Investoren, Planer und Betreiber von Rechenzentren machen weiter als ob es kein Morgen gäbe“, sagt Staffan Reveman. Der gebürtige Schwede kommentiert als Publizist die deutsche Energiepolitik und hält darüber regelmäßig Vorträge. Jetzt lädt er zum kommenden „DataCenter Day 2020“ und zur Diskussion ein.
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Die Ruhe ist bewundernswert und gleichzeitig erschreckend. Freunde und Bekannte aus der deutsche Datacenter-Industrie berichten von neuen Planungen und Realisierungen, die alleine in Hessen auf in einer Größenordnung von 200 bis 300 Megawatt Rechenzentrumskapazität bewegen. Gleichzeitig machen sich unsere Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Amprion, 50Hertz, TenneT und TransnetBW über die Verfügbarkeit von Strom- und Netzkapazitäten Gedanken.
Am 10. Januar 2020 haben die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) einen Entwurf des „Szenariorahmen zum Netzentwicklungsplan Strom 2035, Version 2021“, kurz: NEP, an die Bundesnetzagentur (BNetzA) übergeben und am 17. Januar veröffentlicht. Darin steht unter anderem Folgendes: „Eine wichtige neue Eingangsgröße stellen in Planung befindliche Stromgroßverbraucher dar. Im Industriesektor handelt es sich hierbei etwa um geplante Batteriefabriken oder neue Anlagen in der Stahl- und Aluminiumindustrie sowie der chemischen Industrie. Eine herausragende Rolle wird im GHD-Sektor durch neue Rechenzentren eingenommen.“
Die BNetzA hat den Plan am 26. Juni 2020 genehmigt und veröffentlicht. Die darin fixierten Annahmen sind nunmehr die verbindliche Grundlage der Markt- und Netzberechnungen der ÜNB. So heißt es: „Im Szenariorahmenentwurf der ÜNB werden ausgehend vom Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 Annahmen zur Energielandschaft in den Jahren 2035 und 2040 getroffen: Drei Szenarien blicken auf das Jahr 2035 und ein Szenariopfad wird bis 2040 fortgeschrieben. Er berücksichtigt die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung, die zum Beispiel durch das Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung sowie das Bundes-Klimaschutzgesetz definiert sind.“
Der Plan
Er sieht in allen Szenarien einen im Vergleich zu heute steigenden Stromverbrauch vor. Dieser ergibt sich aus der zunehmenden Elektrifizierung im Wärme- und Verkehrssektor und aus dem zu erwartenden Einstieg in Power-to-X-Technologien. Auch Dekarbonisierungsmaßnahmen im Industriesektor und der durch die Digitalisierung bedingte Mehrbedarf an IT-Rechenleistungen trügen dazu bei.
Der Plan berücksichtigt zudem sowohl den Kernenergieausstieg bis Ende 2022 als auch den Kohleausstieg bis spätestens 2038. Zwei Szenarien sehen auch schon für das Jahr 2035 einen abgeschlossenen Kohleausstieg vor.
Bezüglich der Rechenzentren ist in dem Entwurf festgehalten, dass diese in der Nähe bedeutender Internet-Knoten installiert werden und eine hohe Anschlussleistungen und Stromverbräuche aufweisen: „Zu geplanten Rechenzentren liegt den Netzbetreibern eine sehr hohe Anzahl von Anschlussanfragen unterschiedlicher IT-Unternehmen vor. […] Um ein möglichst vollständiges Bild über alle in Planung befindlichen Großverbraucher zu erhalten, haben die ÜNB eine Abfrage bei ihren direkt unterlagerten Verteilnetzbetreibern und ÜNB-intern durchgeführt. Darin wurde um Angabe der aktuellen Anschlussanfragen für mögliche Großverbraucher größer 10 Megawatt (MW), der dahinterstehenden Projekte und ihren Eckdaten gebeten.“
Die Tendenz ist klar, die Nuancen ungewiss
Um das Bild zu ergänzen, haben die ÜNB auf bereits bestehende Anfragen zu Kapazitätserhöhungen zurückgegriffen. Dabei differenzieren sie zwischen den teilweise sehr hohen Anschlussleistungen, die in den kommenden Jahren möglicherweise anstehen, und denen die tatsächlichen realisiert werden müssen. „In Einzelfällen ist bekannt, dass die Verteilnetzbetreiber die ihnen vorliegenden Anschlussanfragen bereits mit einer Realisierungswahrscheinlichkeit versehen und die an die ÜNB gemeldete Nennlast so reduziert haben“, heißt es.
Unklar ist auch, wie die einzelnen Projekte zusammenhängen: Stehen sie in Konkurrenz hängen sie voneinander ab oder sind sie unabhängig voneinander zu betrachten? Dies erschwere einen angemessenen Umgang mit den zur Verfügung gestellten Daten. Die ÜNB habe die Daten „nach bestem Wissen“ plausibilisiert, um zum Beispiel Mehrfachmeldungen auszuschließen. […]
Das Ergebnis lässt dennoch staunen: „Insgesamt ergibt sich mit dieser Vorgehensweise ein zusätzlicher Jahresstromverbrauch aus der Großverbraucherabfrage in Höhe von 35 bis 54 Tera-Wattstunden (TWh).“ Derzeit liegt der Stromverbrauch sämtlicher Rechenzentren in Deutschland bei etwa 15 TWh.
Wie geht die Politik damit um?
In Berlin wurde gefeiert. Anlässlich der Bundestagsentscheidung zum Kohleausstieg am 3. Juli 2020 sagte Umweltministerin Svenja Schulze mit Begeisterung: „Jetzt ist Deutschland weltweit das erste Industrieland, das sowohl die Atomenergie als auch die Kohle hinter sich lässt. Wir setzen auf die vollständige Energieversorgung aus Sonnen- und Windkraft“.
Für die Umwelt ist das sicherlich eine vernünftige Entscheidung, für die Investoren und Betreiber von digitale Infrastrukturen und andere energieintensive Industrien mit konstant hohem Stromverbrauch sollte es ein Anlass zum Nachdenken sein. Denn es tut sich ein gähnender Abgrund auf.
Schon bis 2025 bauen wir etwa 8 Gigawatt (GW) an Atomkraft und etwa 15 GW an Kohlekraft ab. Bis 2030 summiert sich das auf etwa 30 GW und bis 2038 auf fast 50 GW gesicherte Leistung.
Was bietet sich als Ersatz an? Wir haben Gaskraftwerke. Aber Erdgas ist auch ein fossiler Energieträger mit etwa 600 Gramm CO2 pro kWh Stromerzeugung. Damit kommt Erdgas als Klimaschädling etwas besser weg als Steinkohle mit rund 800 Gramm CO2. Ob Erdgas die Lösung ist, wage ich dennoch zu bezweifeln, weil es schon bekannt ist, dass die Rechenzentren bis 2030 klimaneutral sein müssen.
Wie wollen wir unsere Rechenzentren bis 2030 mit 100 Prozent Ökostrom über 100 Prozent der Zeit, klimaneutral, synchron und wetterunabhängig betreiben, wenn die Kohlekraftwerke bis 2038 laufen und Gaskraftwerke darüber hinaus? Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass der Strom immer aus den nächstgelegenen Kraftwerken kommt und nicht aus bevorzugte entfernte Erzeugungsanlagen an andere Standorte oder aus dem Ausland.
Der Ausstiegspfad für Atom- und Kohlekraft wurde politisch beschlossen. Der Einstiegspfad für alternative Energieträger ist offen, Zukunft ungewiss.
Wo soll der Strom für digitale Infrastrukturen herkommen, wenn wir gesicherter Leistung abschalten? Auf diese Frage habe ich keine Antwort. Von der Politik erfahren wir, dass wir ein „Green Deal“ haben und, „Alles wird gut“. Die Lobbyisten kämpfen für noch mehr Investitionen in Photovoltaik und Windkraft. Die Industrieverbände kämpfen für niedrigere Stromkosten. Alle rufen nach Energie-Effizienz und stimmen zu wenn „Fridays-for-Future“ mit uns schimpfen.
Die Tatsachen sollten wir allmählich zur Kenntnis nehmen. Uns „schön lügen“ ist auf Dauer sinnlos.
Erfreuliche Entwicklungen sehe ich bei den DAX-Unternehmen weil diese von den Anlegern und Spekulanten zu nachhaltigem Wirtschaften verdonnert sind. In den vergangenen Tagen hat BMW nach sorgfältiger Prüfung von EU Standorte beschlossen noch mehr Datacenter-Kapazität in ein Co-Location-Rechenzentrum mit Wärmerückgewinnung in Schweden zu installieren . Der Strom in Schweden ist fossilfrei und eine EEG-Umlage gibt es deshalb nicht.
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Co-Location grün und günstig
Die BMW-HPC-Anwendungen zieht es nach Schweden
Umweltzertifikate helfen nicht. Tatsächlich erlebe ich, dass die DAX-Unternehmen sich mehr und mehr für echte fossilfreie Energieträger interessieren. Denn nur physikalisch fossilfreie Stromflüsse sind entscheidend und nicht die „ökologische Eigenschaft“ in Form von Ursprungszertifikaten.
Wir, die Datacenter-Industrie, müssen unsere Infrastrukturen absolut synchron mit 100 Prozent fossilfreier Strom über 100 Prozent der Zeit versorgen. Das Trifft nicht uns alleine. Andere Branchen sind auch dabei, auch die Automobilindustrie. BMW hat gerade für 2 Milliarden Euro Lithium-Zellen für die E-Mobilität bei Northvolt in Skellefteå in Schweden geordert, hergestellt mit Strom aus Wasserkraft. Möglicherweise sind wir doch noch zu retten.
Ist Sand wirklich die Lösung? Lass uns in Würzburg im Oktober darüber reden und gerne etwas streiten. DataCenter Day findet am 6. Oktober statt (siehe: Kasten).
DataCenter-Insider ist Mitveranstalter und Medienpartner des DataCenter Day 2020. Wer Staffan Revemann und die vielen weiteren interessanten Speaker live erleben will, kann Sie sich hier um ein ein kostenfreies VIP-Ticket bewerben:
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