Alter Kraftstoff boykottiert den Notstrom In den "Diesel" gehört Heizöl
Passiert nicht? Passiert doch: Eine deutsche Versicherung zog die Installationsfirma ihrer Notstromversorgung vor Gericht. Die Netzersatzanlage drohte auszufallen, denn die Qualität des gelagerten Diesels und vor allem die Verrohrung auf Kupferbasis sorgte für den Funktionsausfall. Die Anlage war keine zwei Jahre alt.
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Im Juli 2015 veröffentlichte das Institut für Wärme und Öltechnik (IWO) die Studie „Brennstoffqualität in Netzersatzanlagen“, die zusammen mit dem zusammen mit dem Bundesministerium der Innern im Vorjahr erhoben worden war. Die Ergebnisse sind durchaus erschreckend: In knapp einem Drittel aller untersuchten Fälle, in 29.8 Prozent, musste der Brennstoff bereits als unbrauchbar oder zumindest als in einem sehr kritischen Zustand bezeichnet werden.
Das Problem: Der heutige Diesel entspricht der DIN 590. Ihm wird gemäß des Biokraftstoffgesetzes gewollt bis zu 7 Prozent Fettsäuremethylester (FAME, auch Biodiesel genannt) zugesetzt. Dieser aber ist ausgelegt auf den Verbrauch innerhalb von 90 Tagen, nicht aber für die Langzeitlagerung. Was bei dieser passiert, bezeichnen die Fachleute als „Degradation“ und „mikrobiologische Verunreinigung“. Es fällt auch immer wieder der Begriff „Dieselpest“.
Die Unbrauchbarkeit wird zudem durch Kupferrohre noch gefördert, die zumeist zwischen Brennstoffversorgung zwischen Tank und Motor eingesetzt wird. Buntmetalle haben eine Katalysatorwirkung und das wiederum führt zu einer noch schnelleren Alterung des Brennstoffs, der dann nicht mehr einsatzfähig ist. Im Falle der Versicherung hatte die Installationsfirma ebenfalls Kupferleitungen verwandt, unter anderem zum Tank für die „schnelle Reserve“, eine Art Vortank, der dafür sorgen soll, dass die Generatoren besonders schnell anspringen.
Die Lehren
Eine solche Konstruktion entpuppte sich hier als fatal; denn dieser Tagestank diente quasi als zentrale Versorgungsquelle im Ernstfall. Da aber auch hier das Dieselgemisch unbrauchbar war, fiel die gesamte Notstromerzeugung aus – zum Glück für das Versicherungs-Datacenter während einer Notfallsimulation.
Gibt es eine Lösung für die Dieselpest? Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) etwa hat einen Leitfaden erarbeitet, der sich direkt aus der IWO-Studie ableitet, zumal inzwischen rund 100 weitere Proben gezogen und analysiert wurde, die allesamt die bereits bekannten Tendenzen bestätigten. Zu den Empfehlungen gehört, dass grundsätzlich alle Öl-führenden Leitungen in Edelstahl oder Aluminium auszuführen sind.
Für die Leitungen zwischen Tagestank und Motor sei das gar „unerlässlich“. Die Leitung zwischen Haupt- und Tagestank sollte als Einstrangversorgung installiert werden. „Auch für diese Leitung sind Edelstahl oder Aluminium als Werkstoff dringend zu empfehlen“, heißt es in dem Leitfaden.
Dringende Empfehlung: Heizöl statt Diesel
Auch die zweite und fast noch wichtigere Empfehlung leitet sich aus den Untersuchungen ab. „Für die Betankung von NEAs ist ausschließlich speziell additiviertes schwefelarmes Heizöl nach DIN 51603-1 zu verwenden. Liegt für die NEA noch keine Freigabe des Motorenherstellers für den reinen Heizölbetrieb vor, ist diese beim Hersteller zu erwirken.“
Denn während rund 60 Prozent der NEAs, die mit Diesel betankt waren, der Brennstoff zum Zeitpunkt der Probennahme oder in naher Zukunft nicht mehr verwendet werden konnte, sah das bei Heizölbetrieb ganz anders aus: Hier war der Lagervorrat bei lediglich 6,5 Prozent der untersuchten Anlagen unbrauchbar.
Tatsächlich unterstützen die meisten Motorenhersteller den Heizölbetrieb. Einige Motorenhersteller gäben auf Grund der schlechten Erfahrungen mit Dieselkraftstoff für NEAs den ausschließlichen Betrieb mit schwefelarmem Heizöl nicht nur frei, sie schrieben ihn sogar vor, heißt es im BSI-Leitfaden.
Mögliche Hindernisse
Zugleich aber stellen, laut BSI, deren Betriebs- und Gewährleistungsbedingungen ein noch ungelöstes Problem dar, wenn diese die ausschließliche Verwendung von Diesel nach DIN EN 590 fordern. Werden solche NEAs mit entsprechend additiviertem schwefelarmem Heizöl betrieben, seien Motorschäden zwar genauso wenig zu erwarten wie bei einem Betrieb mit Diesel. Im Falle eines Falles könnte der Hersteller aber mit Hinweis auf den Heizölbetrieb Gewährleistungsansprüche zurückweisen.
Auch ein Einwand aus Anwendersicht kommt immer wieder aufs Trapez: der Steueraspekt. Im Leitfaden für die Planung, Einrichtung und den Betrieb einer Notstromversorgung in Unternehmen und Behörden verweist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe allerdings auf folgende Regelung:
„Heizöl darf auch unter steuerlichen Gesichtspunkten als Kraftstoff in Notstrom- und Netzersatzanlagen verwendet werden. Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich in § 2 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG). Besondere Anmeldepflichten sind damit nicht verbunden. Es muss sich bei den Stromaggregaten um ortsfeste Anlagen handeln. Der Begriff ´ortsfest` wird in § 3 Abs. 2 EnergieStG wie folgt definiert: ´Ortsfest im Sinn dieses Gesetzes sind Anlagen, die während des Betriebs ausschließlich an ihrem geografischen Standort verbleiben und nicht auch dem Antrieb von Fahrzeugen dienen.` Daher werden auch eigentlich mobile Stromerzeuger von dieser Begünstigung erfasst (nur darf während der Stromerzeugung der Standort nicht verändert werden).
Diese Angaben beruhen auf Informationen des Zoll, sind aber aus rechtlichen Gründen nicht verbindlich.“
Kontrolle
Die Firma Tec4Fuels (siehe: Kasten) macht zudem darauf aufmerksam, dass sich das Heizöl zudem mit einem Additiv versetzt werden kann. Dieses muss aber explizit auf schwefelarmes Heizöl in Netzersatzanlagen abgestimmt sein.
Zudem darf nicht mehr länger nur der Füllstand kontrolliert werden. Zur Sicherung der Brennstoffqualität ist (unabhängig von der Brennstoffart) ist diese in regelmäßigen Abständen, abhängig von den Ergebnissen der jeweils letzten Analyse, mindestens jedoch alle zwölf Monate, festzustellen und zu bewerten. Bei allen noch nicht untersuchten Tankinhalten sei eine sofortige Beprobung und Analyse dringend angeraten.
Dass kein Laie diese Untersuchungen vorzunehmen hat, ist zumindest für das BSI selbstverständlich: Im Leitfaden heißt es: „Am Tagestank ist durch einen WHG-Fachbetrieb und nach gewässerschutzrechtlichen Vorschriften und den einschlägigen technischen Regeln an geeigneter Stelle eine Entnahmevorrichtung zur Entnahme von Proben anzubringen.“
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