Ein Problem, zwei Ansätze Der Strom kostet zu viel. Und nun?
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Es gibt ein Rekordtief bei deutschen Energieverbrauch. Soweit, so gut? Nein. Denn die Einsparungen gehen hauptsächlich schrumpfende Wirtschaftsleistung zurück, sagt etwa die Deutsche Unternehmensinitiative Energie-Effizienz. Die Datacenter-Branche warnt angesichts der hohen Strompreise und Auflagen für Rechenzentren ohnehin vor einer Abwanderungsgefahr. Und nun?

Die Erkenntnis des Rekordtiefs geht auf den Verein AG Energiebilanzen zurück, die gerade ihre Prognose für 2023 veröffentlicht hat: Eine „Schrumpfende Wirtschaftsleistung“ sei die Ursache. Vor allem die Energie-intensiven Industriezweige verzeichneten Produktionsrückgänge, was spürbare Auswirkungen auf den Energieverbrauch hat, setzt die Arbeitsgemeinschaft nach, die ihre Jahresprognose auf der Grundlage von vorliegenden Daten des laufenden Jahres abgibt.
Dazu gehören eindeutig die Rechenzentren, die als Gesamtheit eine der Grundlagen für die Digitalisierung bilden, die andernorts das Wirtschaftswachstum antreibt. Um diese kümmert sich etwa die unter dem Dach des Eco-Verbands gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen, aber auch die Deutsche Unternehmensinitiative Energie-Effizienz e.V. (DENEFF), eine Initiative von 240 Vorreiterunternehmen aus unterschiedlichen Branchen entlang der Wertschöpfungskette für Energieeinsparung und Klimaschutz.
Beide Verbände haben das Problem erkannt, argumentieren aber aber aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln für sehr unterschiedlichen Lösungen. So hält Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF fest: „Wir befinden uns in einem gefährlichen Teufelskreis. [...] Ein sinkender Energieverbrauch ist für den Klimaschutz wünschenswert, aber nicht auf Kosten der Wirtschaftsleistung.“ Der Klimaschutz gerate so sogar in eine Sackgasse, da auch Investitionen in moderne, Energie-effizientere Produktion und Gebäude zurückgingen.
Mehr Energie-Effizienz!
Den Ausweg sieht er in einer erhöhten Energie-Effizienz: Wie nie zuvor sei jetzt eine schnelle Steigerung der Wirtschaftsleistung pro verbrauchter Kilowattstunde, der so genannten Energieproduktivität, durch höhere Energie-Effizienz notwendig. Laut Verband ist die Stärkung der Energieeffizienz der Schlüssel, um insbesondere in Zeiten hoher Energiepreise die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Von den Investitionen profitiere zeitgleich die heimische Wirtschaft als Leitmarkt für Effizienzlösungen.
Im Bereich der Industrie sei die Investitionsprämie aus dem Wachstumschancengesetz ein guter Anfang. Doch in der Industriestrategie des Bundeswirtschaftsministeriums finde Energie-Effizienz kaum Erwähnung, so Noll.
Diese Einschätzung wundert, weil die DENEFF im September diese Jahres noch jubiliert hatte. So sagte Noll: „Heute ist ein guter Tag für die Energie-Effizienz – und damit für Wirtschaft, Bevölkerung und Klimaschutz. Nach der großen Verunsicherung durch das Gebäude-Energiegesetz ist das Effizienzgesetz ein Lichtblick. Wir hätten uns natürlich noch langfristigere Planungssicherheit gewünscht und das auch bereits früher. Aber mit den jetzt erstmals verbindlichen Energie-Effizienzzielen bis 2030 ist der erste Schritt gemacht.“ Der Verband habe sich seit seiner Gründung im Jahr 2010 für ein Energie-Effizienzgesetz starkgemacht.
Allerdings forderte der Verband auch im September schon: „Jetzt müssen Maßnahmen folgen – dringend!“ Dabei könne mit einer Entfesselung der brachliegenden Energie-Effizienzpotenziale von 400 Milliarden Kilowattstunden allein in der Wirtschaft eine Win-Win-Win-Situation erleben. Das ließe auch die Jahresproduktion mehrerer Großkraftwerke überflüssig werden.
Die Datacenter- und IT-Branche
Neben erstmals verbindlich festgelegten Energie-Einsparzielen bis 2030 und jährlichen Fortschrittszielen für Bund und Länder reguliert das Energie-Effizienz-Gesetz (EnEfG) erstmals auch das Energie-Management, Effizienz und die Abwärmenutzung in Unternehmen und als gesonderte Branche in Rechenzentren.
Ausgangspunkt für die Eco-Allianz zur Industriestrategie lautet: „Der Brückenstrompreis muss auch für Rechenzentren geltenv So hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck jüngst ein Strategiepapier vorgestellt, das unter anderem einen so genannten Brückenstrompreis vorsieht, um insbesondere Energie-intensive Unternehmen von stark steigenden Strompreisen zu entlasten.
Der Brückemstrompreis
Rechenzentren werden darin jedoch nicht adressiert, obwohl, so der Verband Rechenzentren das Fundament einer zukunftsweisenden, ressourcenschonenden und digital souveränen Industrie bildeten. Zugleich seien sie auf eine ständige, grundlastfähige und finanzierbare Stromversorgung angewiesen.
Béla Waldhauser ist Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen. Er sagt: „Im Wesentlichen sehen sich Rechenzentren in Bezug auf ihre Energieversorgung mit zwei Kernproblemen konfrontiert: Erstens, im internationalen Vergleich hohe Strompreise inklusive der in Deutschland fälligen Steuern und Abgaben. Zweitens, einen unzureichenden Zugang zu Strom aus erneuerbaren Energien. Das hemmt die Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland ansässiger Rechenzentren enorm, so dass eine Abwanderung ins Ausland droht.“
Flankiert wird die Aussage vom Co-Sprecher der Allianz, Günter Eggers: „Die Industriestrategie greift das Problem der steigenden Energiepreise im Prinzip bereits auf, berücksichtigt dabei jedoch nicht die Rechenzentren-Branche. Dies ist besonders misslich, da die Branche große Potenziale bietet, um die Klimaziele in Deutschland zu erreichen. Daher unterstützen wir den Brückenstrompreis, den bereits die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken vor mehreren Wochen ins Spiel gebracht hat und fordern die Erweiterung für Rechenzentren.“
Die Allianz verweist auf eine Studie des Eco und Arthur D. Little „Digitale Transformation für mehr Nachhaltigkeit“, die aufzeigt, dass Rechenzentren trotz ihres Energieverbrauchs deutlich mehr zu einer positiven CO2-Bilanz beitragen als sie verbrauchen. Als Rückgrat der Digitalisierung bilden leistungsfähige digitale Infrastrukturen die Grundlage dafür, dass bis zum Jahr 2050 bis zu 163 Megatonnen CO2 eingespart werden könnten.
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