Bürokratischer Aufwand mit Chancen Das Lieferkettengesetz als Profilierungschance nutzen

Ein Gastbeitrag von Lukas Leist* |

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Das Lieferkettengesetz zwingt zurzeit viele Unternehmen, sich systematisch mit ihren Lieferketten und ihrem Lieferanten-Management zu befassen. Dies ist zunächst zwar eine lästige Pflicht; doch darin ruht auch die Chance, im Markt ein nachhaltiges Profil zu zeigen.

Das Lieferkettengesetz bringt mehr Bürokratie, birgt aber auch Chancen.
Das Lieferkettengesetz bringt mehr Bürokratie, birgt aber auch Chancen.
(Bild: Mohamed Hassan / Pixabay)

Zum Jahreswechsel tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz Lieferkettengesetz, in Kraft – offiziell zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Indirekt sind aber allein in Deutschland Zehntausende kleiner und mittlerer Unternehmen betroffen. So zum Beispiel die Zulieferer und Logistikdienstleister der großen Unternehmen, aber auch Handwerksbetriebe, die an größeren Projekten von ihnen mitarbeiten.

Sie alle werden, prognostiziert Jens-Uwe Meyer, Vorstandsvorsitzender der Innolytics AG aus Leipzig, im Laufe des nächsten Jahres Nachrichten von ihren Kunden erhalten und Fragen beantworten müssen wie:

  • Wie kontrollieren Sie die Arbeitsbedingungen?
  • Wie sehr beachten Sie die Umweltschutz-Belange?
  • Was wissen Sie über Ihre Lieferanten, Dienstleister und Subunternehmer?

Für die meisten Empfänger wird dies im ersten Schritt primär ein bürokratisches Ärgernis sein. Doch dahinter steckt nach Auffassung von Christian Herlan mehr. Er ist Vertriebsberater bei der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner aus Bruchsal. Das Lieferkettengesetz steht für ihn stellvertretend für „einen tiefgreifenden Wandel in der Wirtschaft: Weg von Profiten um jeden Preis, hin zu einem nachhaltigen, verantwortungsvollen Wirtschaften“.

Unternehmen, die diesen Trend als Wettbewerbsvorteil nutzen wollen, bietet eine „systematische Beschäftigung mit ihren Lieferketten“ beziehungsweise dem Lieferkettengesetz „die Chance, sich bei ihren Zielkunden als zuverlässiger, nachhaltig wirtschaftender Partner zu profilieren“ – gerade jetzt, „in einer Situation, in der viele Unternehmen im Gefolge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges erkannt haben, wie wichtig stabile Lieferketten und zuverlässige Lieferanten für den Unternehmenserfolg sind“.

Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung werden wichtige Imagefaktoren

Hinzu kommt: Die Konsumenten beziehungswesie Kunden achten heute stärker als vor zehn Jahren darauf, wie Produkte hergestellt und Dienstleistungen erbracht werden. Das Mantra der 2010er Jahre „Hauptsache billig und verfügbar und zwar schnell“ gilt zwar immer noch, doch zwei weitere Faktoren kamen hinzu: „Hauptsache fair“ und „Hauptsache nachhaltig“ oder auch „…umwelt- und klimaschonend“. Entsprechend boomen zurzeit Produkte wie Hafermilch und Sojaschnitzel, Holzhäuser und Elektro-Autos.

„Was vor zehn Jahren noch eine Nische war, ist heute ein breites Kundenbedürfnis“, erklärt Barbara Liebermeister, Leiterin des Instituts für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ) aus Frankfurt, die vor ihrer Beratertätigkeit unter anderem im Marketing der Konzerne Christian Dior und L´Oreal arbeitete. „Es gibt eine neue Konsumentenschicht, die in Fachkreisen ironisch ‚Generation Hafermilch‘ genannt wird.“

Diese „Generation“ besteht vor allem, aber nicht nur aus Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, die in den Metropolregionen leben. Sie stellt an die Unternehmen Fragen, die für Unternehmer der alten Schule oft merkwürdig klingen:

  • Lässt sich die Betonwand auch durch eine Wand aus nachhaltig produziertem Holz ersetzen?
  • Ist Palmöl im Produkt – und wenn ja, wo kommt es her?
  • Bezahlt das Unternehmen auch faire Löhne an seine Mitarbeiter und Entgelte an seine Zulieferer weltweit?

Das Preis-Leistungsverhältnis wird laut Liebermeister immer mehr zu einem Preis-Leistungs-Fairness-und Nachhaltigkeitsverhältnis.

Diese Entwicklung spiegelt sich im Lieferkettengesetz wider. „Wir empfehlen deshalb unseren Kunden, die Sichtweise zu wechseln“, so Meyer, dessen Unternehmen Innolytics unter anderem Software zum Umsetzen der Anforderungen des Gesetzes entwickelt: „Nicht das Lieferkettengesetz widerwillig erfüllen, weil man es muss, sondern dies als Chance begreifen, um sich als verantwortungsvolles, nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen im Markt zu profilieren.“

Die Umsetzung: Aus der Pflicht wird Kür

Wie aber kann man als Unternehmen diese Chance nutzen? Hierfür gibt es drei Wege:

Weg 1: Unternehmen können sich nach Normen wie ISO 14001 (Umweltschutz-Management) oder ISO 45001 (Arbeitsschutz) zertifizieren lassen, um zu zeigen, dass sie zumindest Teile der Auflagen des Lieferkettengesetzes erfüllen.
Vorteile: Nimmt man die Dienste namhafter Zertifizierer wie des TÜV oder der Dekra in Anspruch kann man sich mit deren Siegel schmücken.
Nachteile: Selbst für kleine und mittlere Unternehmen werden schnell Investitionen im vier- bis fünfstelligen Bereich fällig.

Weg 2: Einen Nachhaltigkeitsbericht nach den Vorgaben des deutschen Nachhaltigkeitscodex (DNK) veröffentlichen.
Vorteile: Die Dienste des DNK in Anspruch zu nehmen ist deutlich preisgünstiger: nämlich kostenlos. Der deutsche Nachhaltigkeitskodex geht auf eine Initiative der Bundesregierung zurück.
Nachteile: Die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts nach den Anforderungen ist zeit- und ressourcenaufwendig. Und weil außerhalb von Deutschland niemand das Siegel kennt, hat es sich bislang nicht in großem Stil durchgesetzt.

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Weg 3: Sich von Anbietern wie Ecovadis oder der Innolytics AG auf Basis einer Selbstauskunft ein Compliance-Profil erstellen lassen, also eine fundierte Angabe darüber, welche Anforderungen man erfüllt oder nicht. „Solche publizierten Selbstauskünfte“, erklärt der Innolytics-Vorstandsvorsitzende Meyer, „sind zwar zunächst nur Versprechen der Unternehmen, diese kann aber aufgrund ihrer Veröffentlichung jeder einsehen, kritisch hinterfragen und kontrollieren. Deshalb haben sie eine starke Wirkung.“

Diese so genannte „Rechenschaft gegenüber der Öffentlichkeit“ ist ein zentrales Prinzip von Normen wie ISO 26000, die Grundsätze für verantwortungsvolle Unternehmen aufstellt. Die Innolytics AG bildet diese Norm, die auch Bestandteil des Lieferkettengesetzes ist, in seiner Software ab; Ecovadis hingegen hat eigene Standards.

Vom Aufwand her ist das Innolytics-Tool das einfachste: Das Unternehmen füllt einen Fragebogen aus. Danach erhält es eine Sofortauswertung und kann das entsprechende Siegel unmittelbar in seine Webseite einbinden. Das Verfahren von Ecovadis ist zeitaufwändiger, unter anderem, weil bei ihm Dokumente hochgeladen werden müssen, die geprüft werden.

Sich glaubhaft ernsthaft mit den Lieferketten befassen

„Unternehmen müssen letztlich selbst entscheiden, welchen Ansatz sie verfolgen“, klärt Vertriebsberater Herlan – „und zwar abhängig davon, in welchem Markt sie aktiv sind, wer ihre Zielkunden sind und wofür sie den Nachweis brauchen“. Wichtig sei aber, dass sie gegenüber ihren Kunden belegen könnten, dass sie sich mit solchen Themen wie Nachhaltigkeit und ‚Social responsibility‘, also soziale Verantwortung, auch bei der Auswahl ihrer Lieferanten ernsthaft befassten. „Denn daraus werden sich künftig immer größere Wettbewerbsvorteile ergeben.“

* Lukas Leist ist Wirtschaftsinformatiker und freier Journalist.

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