Der Diesel ist Technik des 19.Jahrhunderts Brennstoffzellen - neue Energie für Rechenzentren
Wasserstoff und Brennstoffzellen werden in der Zukunft eine wichtige Rolle bei der nachhaltigen Energieversorgung nicht zuletzt von Rechenzentren spielen. Davon zeigen sich namhafte Forschungseinrichtungen und große Anbieter überzeugt. Wir haben uns angesehen, wie das Pilotprojekt „Rhein-Main Blue Cluster“ läuft.
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Vorweg die Funktionsweise einer Brennstoffzelle – wer will, kann sie sich bei Wikipedia genauer durchlesen: Brennstoffzellen bestehen aus vielen Elektrodenpaaren (jeweils Anode und Kathode), die durch einen Elektrolyten, der in fester oder flüssiger Form vorliegen kann, getrennt sind. Zwischen den Elektroden läuft ein chemischer Prozess ab, bei dem die positiven Ionen von der Anode zur Kathode wandern und Elektronen von der Anode zur Kathode. So wird Strom und Wärme erzeugt. Kommt als Energieträger Wasserstoff zum Einsatz –das ist der Regelfall -, entsteht als Emission lediglich Wasserdampf beziehungsweise Wasser.
Als Vorteile einer Brennstoffzelle zur Energiegewinnung werden oftmals genannt:
- Hohe Effizienz: Über 90 Prozent der im Energieträger enthaltenen Energie können genutzt werden, bei Verbrennungsmotoren in Blockheizkraftwerken sind dies locker zehn Prozent weniger.
- Leiser Betrieb
- Vibrationsarm
- Wartungsarm: Benötigt keine beweglichen Teile
- Mobil: Kann in kleinem Maßstab auch in Autos eingesetzt werden, sogar Handys sind im Prinzip mit einer Brennstoffzelle betreibbar.
- Emissionsarm: Beim Einsatz von Wasserstoff fällt nur Wasser als Abfallprodukt an
- Kann auch als Speichermedium für regenerative Energien herangezogen werden
Darüber hinaus finden sich noch einige weitere Vorteile speziell beim Einsatz in Rechenzentren; doch dazu später im Text. Zunächst aber ist festzuhalten, dass die Entwicklung der Brennstoffzelle noch nicht abgeschlossen ist. Die Technik verspricht viel, muss ich in der Praxis aber erst noch bewähren.
Erste Piloten
Als BMW vor mehr als zehn Jahren die ersten 7er-Modelle mit Brennstoffzellen ankündigte und fahren ließ, wähnte man sich bereits am Beginn eines neuen Zeitalters. Tatsächlich aber ist das Brennstoffzellenauto nach wie vor mehr eine Vision denn Realität, nicht nur bei BMW. Es gilt, Lebensdauer und Leistungsfähigkeit deutlich auszubauen, um in Konkurrenz mit Verbrennungsmotoren bestehen zu können.
Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz für und Rechenzentren. Haben Brennstoffzellen wirklich das Potential, Rechenzentren mit Strom zu versorgen – und zwar zu günstigeren Konditionen als bei herkömmlichen Bezugsmodellen? Das wollen diverse Projekte herausfinden.
Fujitsu hatte bereits 2007, begleitet von viel medialem Getöse, in seiner US-Hauptverwaltung im kalifornischen Sunnyvale eine 200-Kilowatt-Brennstoffzelle installiert. Die von UTC gelieferte Wasserstoffanlage erzeugte parallel Strom und heißes Wasser. Der Strom wurde unter anderem für Computer und Beleuchtung genutzt, das Wasser diente zum Heizen. Das Projekt scheiterte jedoch: Kaliforniens Energieversorger bezuschussten die Anlagen, was aber nicht ausreichte, um die gleichen Betriebskosten zu erzielen.
Brennstoffzellen für die IT
Im selben Jahr haute Microsoft auf die Pauke und wollte auf Basis einer Technologie von Medis Technologies eigene Brennstoffzellen im Hosentaschenformat vermarkten. Dazu kam es aber nie.
Viele Augen richteten sich auch 2010 auf das kalifornische Unternehmen Bloom Energy, das die so genannten „Bloom Energy Server“ entwickelt hat. Diese versorgen im Testeinsatz unter anderem Google und Ebay mit einer Nennleistung von 100 Kilowatt (siehe: Video). Weitere Testkunden sind FedEx, Walmart und Google.
Herzstück der mehrere 100.000 Dollar teuren Box ist eine Festoxidbrennstoffzelle, die sauberen Strom aus Gas und Sauerstoff erzeugt. Diese Zelle unterscheide sich grundlegend von wasserstoffbasierten Brennstoffzellen, so müssten keine teuren Edelmetalle genutzt werden. Man hat aber weder vom Unternehmen noch der Bloom Box in letzter Zeit viel gehört…
Das Pilotprojekt Rhein-Main Blue Cluster
Augenscheinlich erfolgreicher ist das Projekt Rhein-Main Blue Cluster. Es wurde 2010 vom Frankfurter Rechenzentrumsbetreiber Equinix und dem Brennstoffzellen-Lieferanten Fuji N2telligence ins Leben gerufen, begleitet seit 2014 von der Hochschule Rhein-Main und gefördert durch das hessische Energieministerium aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung.
2013 nahm das Gemeinschaftsprojekt eine 100 Kilowatt Kraft-Wärme-Anlage vom Typ „Quattro Generation“ mit Brennstoffzellen (PAFC) in Betrieb. Sie ist in der Lage, bis zu 860.000 Kilowattstunden Strom sowie über 800.000 Kilowattstunden Wärme beziehungsweise Kühlung zu erzeugen – bei einer Energie-Effizienz von mehr als 90 Prozent. Das ist allerdings nur ein kleiner Teil des Energiebedarfs eines durchschnittlichen Data Centers, aber immerhin werden so jährlich bis zu 150 Tonnen CO2 eingespart.
Das Projekt gilt mittlerweile als erfolgreich abgeschlossen, die Quattro Generation ist nun kommerziell verfügbar. In den vergangenen drei Jahren fand man Antworten auf folgende Fragen:
Wie dicht muss der Testraum sein?
„Dies ist von Projekt zu Projekt individuell zu ermitteln“, so Andreas Exler, Geschäftsführer der Fuji N2telligence GmbH mit Sitz in Hamburg. „Es muss die Leckage beziehungsweise Luftwechselrate des Raumes ermittelt werden – ein Zusammenspiel aus Raumgröße, Raumdichtigkeit - die sich durch einen „Blower-Door“-Test ermitteln lässt -, Türöffnungen und anderen Variablen. Man erhält so einen so genannten N50-Wert, der zur Auslegung der Brandvermeidung dient.“
Wie störanfällig ist die Brennstoffzelle?
„Diese Frage können wir natürlich nur für unser eigenes System beantworten“ erläutert Exler. „Aber Quattro Generation selbst geben wir eine 90prozentige Verfügbarkeitsgarantie. Die tatsächliche Verfügbarkeit liegt laut unserem Erfahrungswert bei über 98 Prozent. Aufgetretene Störungen sind weitestgehend auf externe Peripheriekomponenten zurückzuführen.“
Wie wird die Energiebilanzierung ausfallen?
„Dem Kunden müssten sämtliche Energieverbräuche und Kosten vorliegen, so dass diese lediglich aufgearbeitet werden müssen“, so Exler.
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Brennstoffzellen kann bereits heute mit Sicherheit konstatiert werden: Neben Strom, Wärme und Klimakälte erzeugen Brennstoffzellensysteme wie Quattro Generation auch sauerstoffreduzierte Luft – was für den Brandschutz von großer Bedeutung ist. Bekanntlich besteht in Rechenzentren, IT-oder Telekommunikationsanlagen durch die Vielzahl dort installierter elektrischer Komponenten ein besonders hohes Brandrisiko.
Der Grund für Brände sind meist technische Defekte oder Kurzschlüsse an elektrischen Geräten, die als Schwelbrand häufig erst entdeckt werden, wenn es bereits zu spät ist. Das aber kann schwerwiegenden Folgen für den Betrieb, die Mitarbeiter und das Image des Unternehmens haben.
Durch das Einleiten der sauerstoffreduzierten Luft der Brennstoffzelle in einen geschlossenen Raum – zum Beispiel einem Rechenzentrum – kann in selbigem eine Atmosphäre geschaffen werden, in welcher ein Feuer gar nicht erst entsteht. Betreiber könnten so auf herkömmliche Löschanlagen verzichten und deren laufende Kosten einsparen.
Brennstoffzellen als Ergänzung
„Die eingesetzte Brennstoffzelle läuft am Standort Equinix seit nunmehr drei Jahren erfolgreichohne Unterbrechung. Um die Einsatzmöglichkeiten und die Performance aufzuzeigen, sind Initiativen wie das Rhein-Main Blue Cluster äußerst wertvoll. Durch dessen Engagement konnte das Projekt als erstes Demonstrationsvorhaben in einem laufenden Rechenzentrum überhaupt erst realisiert werden. Denn trotz der kommerziellen Reife müssen Hemmnisse gegenüber neuen Innovationen im Markt erst einmal abgebaut werden“, kommentiert Exler.
Sein Fazit: „Brennstoffzellen werden sicher nicht dazu dienen, die gesamte energetische Versorgung eines Rechenzentrums zu übernehmen. Vielmehr gibt es Konzepte als USV-Ersatz oder – wie im hiesigen Beispiel von Quattro Generation – die Übernahme einer gewissen Grundlast.“
Ebenso verhalte es sich mit der thermischen Energie. Eine Brennstoffzelle könne nicht den gesamten Wärme-/Kältebedarf eines Rechenzentrums übernehmen. Sie sei aber durchaus in der Lage, den Grundlastbezug zu reduzieren und somit zur Wirtschaftlichkeit beizutragen. „Auf diesem Wege können bereits heute der konventionelle Strombezug aus dem Netz und die konventionelle Versorgung mit Wärme deutlich reduziert und damit erhebliche Energiekosten und CO2-Emissionen eingespart werden“, so Exler.
Quattro Generation wird heutzutage üblicherweise im Bereich von großen Lagern eingesetzt. Im Segment der Rechenzentren ist das Projekt bei Equinix aktuell das einzige – es haben sich jedoch laut Exler „zahlreiche Interessenten“ gemeldet, so dass zeitnah mit einem Ausbau der Brennstoffzellentechnologie im Rechenzentrums-Bereich gerechnet werden könne.
* Dietmar Müller ist freier Autor und lebt in Niederbayern.
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