Datacenter in Deutschland Auslagerung und Nachhaltigkeit als Megatrends

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Zum ersten Mal seit 2019 hat IDC den deutschen Rechenzentrumsmarkt untersucht. Ergebnis: Der Serverraum stirbt langsam aus, die Cloud setzt ihren Siegeszug fort, Nachhaltigkeit wird zur Top-Priorität.

IDC: Deutsche Rechenzentrumsbetreiber wollen dringend Energie und Kohlendioxid sparen sparen und verlagern immer mehr nach außen.
IDC: Deutsche Rechenzentrumsbetreiber wollen dringend Energie und Kohlendioxid sparen sparen und verlagern immer mehr nach außen.
(Bild: gemeinfrei Jeon Sang-O / Pixabay)

74 Prozent der Unternehmen nutzen zunehmend externe Ressourcen. Das ist eines der Kernergebnisse der aktuellen Studie von IDC zum deutschen Datacenter-Markt. Nur noch 26 Prozent betreiben alle Kernsysteme vollständig inhouse, nur fünf Prozent alles extern. Der große Rest liegt dazwischen, immerhin mit der Mehrheit von 47 Prozent bei denen, wo der Inhouse-Betrieb bei Kernsystemen (noch?) dominiert.

Daran könnten zum Beispiel die Gegebenheiten am Energiemarkt, also zum Beispiel die extrem gestiegenen Strompreise, etwas ändern. Denn es zeigt sich: Bei den Prioritäten für die Weiterentwicklung von Datacenter-Facilities und IT rangiert die Senkung des Stromverbrauchs ganz oben mit 47 Prozent der Nennungen, gleich darauf folgt "mehr Nachhaltigkeit" mit 41 Prozent.

Fast alle Datacenter streben Kohlendioxid-Neutralität an

Gefragt, welche Nachhaltigkeitsziele prioritär sind, gaben 91 Prozent Kohlensioxid-Neutralität und 85 Prozent immerhin Kohlendioxid-Reduktion an. 81 Prozent wollen Energien aus erneuerbaren Quellen beziehen, 79 Prozent nachhaltigkeitsbewusste Lieferanten und Partner wählen, 78 Prozent den Wasser- und 77 Prozent den Energieverbrauch senken. Schließlich wollen 74 Prozent ihr Geschäft auf eine Kreislaufwirtschaft ausrichten. 67 Prozent haben ein Nachhaltigkeitsprogramm.

Erst danach folgen zwei IT-relevante Prioritäten, nämlich die 'Klassiker' Verbesserung von Datensicherheit und Compliance (40 Prozent) und schnellere Bereitstellung von Anwendungen (38 Prozent). Angesichts der aktuellen Ereignisse dürfte es nicht verwundern, wenn die Top-Prios bei der nächsten Umfrage noch mehr zulegen würden.

RZ-Bau als modulweise

Interessant war in diesem Zusammenhang, was Christian Werner, Projektmanager Datacenter beim Co-Location-Anbieter Datacenter One (siehe: „ Bewegung im Edge-Rechenzentrumsmarkt; Atlasedge übernimmt Datacenter One “), zu berichten hatte. Das Unternehmen plant, baut und betreibt seine Rechenzentren selbst, und zwar in Modulbauweise mit dem Partner Cadolto Modulbau GmbH.

„Wir bauen nicht auf einmal 10.000 Quadratmeter", sagt Werner. Die Rechenzentren werden schrittweise vom Bedarf bestimmt hochgezogen und in Deutschland verteilt. Derzeit sind es eins in Leverkusen, eins in Düsseldorf-Hilden und zwei in Stuttgart. Weitere sind in Hamburg, Berlin/Brandenburg, Nürnberg, Leipzig und München geplant. „Frankfurt steht bei uns nicht im Fokus“, sagt Werner, obwohl auch dort eine Niederlassung entstehen soll.

Gebaut aus vorgefertigten Modulen: Rechenzentrum von Datacenter One in Hilden
Gebaut aus vorgefertigten Modulen: Rechenzentrum von Datacenter One in Hilden
(Bild: Datacenter One)

Die Kunden wollten heute, dass sich ihre Daten in ihrer Nähe befänden. Datacenter One bedient vor allem sicherheitssensitive Klientel wie Versicherungen, Finanzdienstleister, IT-Serviceunternehmen oder TK-Anbieter.

Edge gewinnt Boden

Immerhin 36 Prozent der Anwender wollen in Edge-Ressourcen investieren, genau so viele die Netzwerk- und Verbindungskosten senken. In bessere Kapazitätsplanung und bessere Netz-Performance wollen jeweils 34 Prozent investieren. DIe vorausschauende Wartung der Versorgungssysteme ist für 30 Prozent eine Priorität, die Unterstützung von 5G ist 22 Prozent wichtig. Letzteres weist darauf hin, dass die Technologie sich im Rechenzentrumsbereich erst langsam durchsetzt.

Verwunderlich ist es angesichts der Energielage, dass ausgerechnet Hamburg als einziger der deutschlandweit abgefragten Metropolen an Beliebtheit als Datacenter-Standort verliert. Wird hier doch der meist reichlich vorhandene Windstrom quasi direkt angeliefert, während der Süden - etwa Baden-Württemberg außerhalb Stuttgarts oder München - im Winter um seine Energiesicherheit bangen muss.

Umfassende Modernisierung und Umzug in die Public Cloud angesagt

Was nun wollen die Datacenter-Betreiber im Detail tun? Die internen Maßnahmen sind vor allem eine umfassende Modernisierung bestehender Data Center (35 Prozent). 25 Prozent wollen wider alle Externalisierungstrends in neue Datacenter investieren, 19 Prozent aber auch Rechenzentren schließen.

33 Prozent haben entweder die Auslagerung von Aufgaben in die Public Cloud vor, wobei hier nicht zwischen Plattform-, Infrastruktur- und Softwareservices unterschieden wird. Genau so viele wollen Aufgaben auf Managed Services verlagern, aber nur 26 Prozent planen ein vollständiges Outsourcing. 27 Prozent setzen auf stärkere Nutzung von Co-Location-Ressourcen.

Co-Location als großer Gewinner

Fragt man, welche Art von Ressourcen die Unternehmen on-premises verwenden (siehe: Abbildung), zeigt sich, dass die Zahl der Serverräume sich wohl in den kommenden zwei Jahren halbieren wird. Die Menge der Inhouse-Datacenter sinkt dagegen nur langsam, dafür legen Edge-Datacenter um sieben Prozent zu.

Vor allem vom guten alten Serverraum als Teil der Inhouse-IT verabschieden sich viele Unternehmen, während Edge-Datacenter gewinnen.
Vor allem vom guten alten Serverraum als Teil der Inhouse-IT verabschieden sich viele Unternehmen, während Edge-Datacenter gewinnen.
(Bild: IDC)

Die großen Gewinner bei den off-Premises-Ressourcen heißen Co-Location und Hosting, Outsourcing oder Cloud Services lokaler oder regionaler Player: Um mehr als 50 Prozent im Vergleich zum laufenden Jahr steigt bis 2024 die Zahl der befragten Unternehmen, die Co-Location betreiben wollen.

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Um etwas unter 50 Prozent, aber einem geringeren absoluten Anteil, legen die Unternehmen zu, die stärker als bisher lokalen Dienstleistern trauen werden. Die Bäume am Hyperscaler-Horizont wachsen also durchaus nicht in den Himmel. Doch immerhin rund ein Drittel mehr wollen Hyperscaler beauftragen.

Verbesserung der internen Prozesse ganz oben

Bei den Maßnahmen, die in Hinblick auf eine bestehende Installation vorgenommen werden, liegt die Verbesserung interner Prozesse mit 49 Prozent ganz oben. Ihr folgen auf Platz 2 und 3 der derzeitigen Maßnahmen Investitionen in standardisierte Infrastrukturen (44 Prozent) und der Ablösung von Altsystemen. 32 Prozent setzen derzeit Virtualisierungs- oder Containertechnologien ein, 37 Prozent planen dies für die kommenden zwei Jahre.

Allerdings gibt es auch viele Pläne mit Cloud-Bezug: So planen jeweils 37 Prozent die Verlagerung von Workloads in die Cloud oder wollen ihre interne IT auf eine Private Cloud umstellen. Bei Letzterem ist der Anteil der Befragten, der angibt, dies in den nächsten zwei Jahren tun zu wollen, mit 40 Prozent sehr hoch.

Ausfallzeiten sind und bleiben größtes Betriebsproblem

Als wichtigstes Problem erwiesen sich einmal mehr Ausfallzeiten, und zwar in der Reihenfolge der Häufigkeit der Nennungen Ausfall wegen Systemstörungen, wegen menschlichen Versagens, wegen Connectivity-Problemen. Erst dann folgten zwei weitere Gründe für Störungen, nämlich verzögerte Cloud-native Entwicklungsprojekte und Beeinträchtigungen der Sicherheit. Nach dem Bahn-Sabotagefall am 8. Oktober dürfte wohl auch dieser Wert nach oben schnellen.

Werden RZ-Leistungen nach außen verlagert, gewinnt vor allem die Kolokation.
Werden RZ-Leistungen nach außen verlagert, gewinnt vor allem die Kolokation.
(Bild: IDC)

Leider lieferte IDC ausgerechnet zu diesem heiklen Thema keine konkreten Zahlen, aus denen man ersehen könnte, wie gravierende das Ausfall-Problem gegenüber anderen Störungsfeldern wirklich ist. Werner (Datacenter One) berichtete dazu aus der Praxis: In vielen Rechenzentren kommt die Technik inzwischen in die Jahre, und es gibt kein Fachpersonal. Oft erledige irgendjemand die Datacenter-Pflege so nebenbei, wobei darunter gelegentlich auch nur verstanden wird, ab und zu nach dem Klimagerät zu schauen.

DCIM-Software setzt sich durch

Softwarelösungen für das Datacenter Information and Management (DCIM) haben bereits 32 Prozent im Einsatz, weitere 36 Prozent der Befragten sind bei der Einführung. 27 Prozent haben sie sich für die nächsten 24 Monate vorgenommen. Nur fünf Prozent planen nicht, sich mit Datacenter Infrastructure Management (DCIM) zu befassen.

Die Gründe dafür sind offensichtlich: DCIM ermöglicht die Nutzung von Design-Standards. Sie liefert detaillierte EInsichten ins Systemgeschehen, indem Sensoren, intelligente Software und Echtzeit-Visualisierung zusammenwirken. Die Gesundheit der Installation wird laufend überwacht, zudem wird sie laufend optimiert.

Zum Schluss noch etwas Statistik: Befragt wurden im August 2022 IT-Entscheider aus dem Infrastrukturbereich aus 150 deutschen Unternehmen. Davon stammten 62 Prozent aus Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der Rest aus kleineren Firmen.

Vertreten waren zu 26 Prozent Industrieunternehmen, zu jeweils 14 Prozent die Finanz- und Versicherungsbranche, die öffentliche Verwaltungs-, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sowie Informatikdienste. Elf Prozent kamen aus dem Handel, neun aus Transport und Logistik. Der Rest verteilte sich auf andere Branchen.

Fazit

Die aktuelle Krise hinterlässt bei den Datacenter-Managern deutliche Spuren. Energiesparen, Verschlanken, auslagern, das sind neben einem ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis die wichtigsten Impulse. So lange die Energiepreise raketenartig in die Höhe schießen, der Klimawandel sich immer deutlicher bemerkbar macht und nur einige hundert Kilometer von hier der Krieg zwischen Russland und der Ukraine tobt, wird sich daran wohl auch nichts ändern.

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