Restriktionen für den Datacenter-Bau Singapur will nur grüne Rechenzentren: Taugt das als Vorbild?
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In Singapur soll jedes Rechenzentrum umweltfreundlich sein. In Europa wird es ähnlich kommen. So lautet die These von Muzaffer Ege vom polnischen Rechenzentrumsbetreiber Beyond.pl.

Singapur ist derzeit einer der größten Rechenzentrumsmärkte der Welt. Infolgedessen werden bis zu 7 Prozent der dort erzeugten Energie von Rechenzentren verbraucht. Nach Ansicht der Behörden ist das zu viel. Eine ähnliche Sichtweise beginnt sich in Europa durchzusetzen.
Die gesamte technologische Welt blickt nun auf den Markt für Rechenzentren in Singapur. Erstens, weil eine Klimakatastrophe eine direkte Bedrohung für diesen Stadtstaat darstellt, dessen Straßen in Zukunft unter Wasser stehen könnten. Gleichzeitig ist es einer der beliebtesten und teuersten Standorte für Rechenzentren (siehe: „Der globale Markt für Rechenzentren; Der Data Center Cost Index zeichnet viel Sonne auf und sagt Böen voraus“).
Zweitens werden 95 Prozent der Energie in Singapur aus Gas gewonnen, und der Bau neuer EE-Anlagen ist aufgrund der geringen Größe des Landes schwierig. Um den Energieverbrauch zu senken, wurde vor zwei Jahren der Bau neuer Rechenzentren verboten. Bis jetzt.
Zu viel Nachfrage?
Singapurs Minister für Handel und Industrie, Gan Kim Yong, hat die Aufhebung des Moratoriums für den Bau weiterer Rechenzentren angekündigt. Es gibt jedoch eine Bedingung. Neue Einrichtungen müssen in Bezug auf die Ressourceneffizienz die besten ihrer Klasse sein. Wie sollen Rechenzentren unter beengten städtischen Verhältnissen und bei durchschnittlichen Lufttemperaturen von fast 30 Grad Celsius für mehr Effizienz sorgen?
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Das grüne Gewissen
Singapur lässt den Bau neuer Rechenzentren pausieren
Die Regierung von Singapur hat unter anderem Untersuchungen zu mehrstufigen Rechenzentren durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass ein richtig konzipiertes 20-stöckiges Gebäude theoretisch einen um 10 oder sogar 20 Prozent niedrigeren PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) aufweisen könnte als modernste Einrichtungen in Singapur. Es wird auch an Rechenzentren gearbeitet, die auf der Meeresoberfläche schwimmen sollen.
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Finanzierung von schwimmenden Rechenzentren
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Eine andere Lösung könnte darin bestehen, die IT-Infrastruktur unabhängig vom öffentlichen Stromnetz zu machen. Immer mehr Anbieter und Unternehmen, darunter auch Facebook, setzen auf eigene Stromquellen oder Verträge mit privaten Stromerzeugern. Auf diese Weise minimieren die Betreiber von Rechenzentren ihre Auswirkungen auf die örtliche Gemeinschaft und das Risiko von Konflikten im Falle von Energieengpässen oder Stromausfällen.
Heute ist der weltweite IKT-Markt für etwa 350 Millionen Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr verantwortlich. Bei dem Tempo, mit dem die Nachfrage nach IT-Diensten wächst, werden es bis 2025 bereits 1 Milliarde Tonnen pro Jahr sein. Das entspricht 3 Prozent der weltweiten Emissionen.
Singapur ist bereits vom Klimawandel betroffen und muss daher proaktiv handeln. Im Kampf um die Verringerung der Emissionen, sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene, ist eine größere Transparenz seitens der IT-Dienstleister ein Muss. Viele Unternehmen fehlt die Transparenz, wie sich ihre IT-Infrastruktur auf die Umwelt auswirkt oder welchen CO2-Fußabdruck die von ihnen genutzten Cloud-Ressourcen verursachen.
Nicht nur Singapur
Europa steht vor einer ähnlichen Herausforderung. Ein gutes Beispiel ist der jüngste Streit zwischen der niederländischen Regierung und der Met und ihren Bewohnern. Im Dezember letzten Jahres genehmigten die Behörden in der Stadt Zeewolde in der Nähe von Amsterdam den Bau eines neuen Rechenzentrums von Meta (Facebook). Die Anlage würde 1,38 Gigawattstunden (GWh) Energie verbrauchen und eine Fläche von 166 Hektar einnehmen.
Die Baugenehmigung hat Proteste der örtlichen Gemeinde und der Aktivisten von Extinction Rebillion und anderen ausgelöst. Der Regierungschef und der niederländische Senat haben sich bereits offiziell gegen den Bau ausgesprochen.
Ministerpräsident Mark Rutte kündigte an die nationale Koordinierung und die Zulassungskriterien für die Lizenzvergabe zu verschärfen. Im Februar dieses Jahres verbot die niederländische Regierung den Herstellern von Hyperscale-Unternehmen den Bau neuer Anlagen für die nächsten neun Monate. In dieser Zeit will die Regierung neue, strengere Vorschriften gegen den Bau von großen Serverräumen mit einer Kapazität von mehr als 70 Megawatt (MW) entwickeln.
Unter dem Gesichtspunkt der Klimaneutralität, sollte die von Meta gebaute Anlage kein Problem darstellen. Das Rechenzentrum in Zeewolde soll mit 100 % Ökostrom betrieben werden. Der Zugang zu Energie ist jedoch nicht unbegrenzt. In Amsterdam war der Bau neuer Rechenzentren wegen Überlastung des Stromnetzes bereits einmal gestoppt und damals bis Juli 2020 untersagt worden.
Konflikt um Ressourcen
Irland, wo der Markt für Rechenzentren bereits mehr als 11 Prozent der Stromerzeugung des Landes verbraucht, hat ebenfalls mit Problemen der Energieknappheit zu kämpfen. Die „Irish Times“ berichtete im Jahr 2021, dass die Regierung und ihre Kreise erwägen, die Anlagen zugunsten von Wohnhäusern vom Stromnetz zu trennen. Dies wäre im Falle eines Stromausfalls im Winter der Fall. Darüber hinaus schlug die Linke im irischen Parlament am Ende der Sommerferien 2021 vor, neue Rechenzentren im ganzen Land zu verbieten.
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Streit um die Stromversorgung
Kommt ein irisches Moratorium, das den Bau neuer Datacenter aussetzt?
An Standorten wie Amsterdam oder Dublin erhält das Rechenzentrum seine Energie aus dem öffentlichen Stromnetz. Das führt zu sozialen Kosten und Konflikten, wenn Engpässe auftreten. Dies kann durch die Inanspruchnahme eines unabhängigen Energieversorgers überwunden werden. Die oben genannten Probleme, die auf Märkten wie FLAP-D (Frankfurt, London, Amsterdam, Paris, Dublin) ständig zunehmen, werden immer mehr Unternehmen und Investoren nach Mitteleuropa und auf andere Märkte wie beispielsweise nach Polen ausweichen lassen.
Europa als neues Singapur?
Das Ziel der EU ist die Klimaneutralität des Kontinents bis 2050. Nach Angaben der Europäischen Kommission wird der Sektor der Rechenzentren bis 2025 bis zu 2,7 Prozent der in Europa erzeugten Energie verbrauchen.
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Die Nachhaltigkeitspläne der EU für die ITC-Branche
Spätestens im Jahr 2030 sollen Rechenzentren klimaneutral sein
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Nachhaltiges Bewirtschaften der Rechenzentren
Klimapakt der europäischen Datacenter-Betreiber
Um Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Rechenzentren bis spätestens 2040 vollständig klimaneutral sein. Wird die Politik der EU und deren Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht zunehmend, der von Singapur ähneln?
Angesichts der vorherrschenden Stimmung werden freiwillige Initiativen wie der Klimaneutralitätspakt für Rechenzentren sicherlich nicht das Ende sein. Die EU-Akteure arbeiten bereits an der Umsetzung transparenter Vorschriften für Rechenzentren.
*Über den Autor

Muzaffer Ege,
Ingenieur der Elektrotechnik, hat mehr als 22 Jahre Erfahrung im internationalen Datacenter Business. Er durchlief verschiedene Stationen bei Interxion Deutschland GmbH, Telehouse Deutschland GmbH und NTT Global Datacenters EMEA GmbH, renommierte Provider von Rechenzentrumsleistungen in Deutschland, und betreute von Kleinstkunden bis hin zu Hyperscalern viele namhafte nationale sowie internationale Kunden. Ege war sowohl im operativen Bereich in der Kundenimplementierung als auch in der Kundenakquise tätig. Derzeit ist er als Director Sales DACH Region bei Beyond.pl zuständig für die Kundenakquise für das erste Rated-4 Datacenter in der EU.
Bildquelle: Beyond.pl
* Muzaffer Ege ist Director Sales DACH Region des Anbieters von Rechenzentrumsleistungen Beyond.pl.
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