Energieversorgung für Rechenzentren Regionale Gegebenheiten entscheiden

Von lic.rer.publ. Ariane Rüdiger Lesedauer: 5 min

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Wie sollen sich Rechenzentren künftig mit Energie versorgen? Biodiesel? Erneuerbarer Strom? Wasserstoff? Oder gar Atomenergie? Ob die genutzte Energieform und andere Nachhaltigkeitsmaßnahmen fürs 1,5-Grad-Ziel ausreichen, lässt sich jetzt berechnen.

Wie werden sich die Rechenzentren der Zukunft mit Energie versorgen, und welchen Einfluss hat das auf den Kohlendioxidausstoß?
Wie werden sich die Rechenzentren der Zukunft mit Energie versorgen, und welchen Einfluss hat das auf den Kohlendioxidausstoß?
(Bild: frei lizenziert/David Mark / Pixabay)

Die Qualität der Energieversorgung und der Umgang mit der Abwärme entscheiden maßgeblich über die Klimatauglichkeit von Rechenzentren. Die entscheidende Frage lautet: Wirtschaftet mein Datacenter tatsächlich so, dass das von der weltweiten Gemeinschaft gesetzte 1,5-Grad-Ziel eingehalten werden kann?

Rechenzentren müssen sich dafür überlegen, wie sie ihre Energieversorgung gestalten. Mit dem Thema befasste sich kürzlich eine Diskussion von Datacenter Dynamics.

Billige Wasserkraft: Nicht überall vorhanden

Nicht jeder Datacenter-Betreiber kann, wie beispielsweise Dan Anderson, CEO von Eco Datacenter in Schweden, komplett mit regenerativer Energie hauptsächlich aus Wasserkraftwerken arbeiten. Anders etwa der US-Bundesstaat Virginia. Regenerativer Strom aus PV, Wasser und Wind, den geplanten Hauptversorgungsquellen für Westeuropa, gebe es dort bislang kaum, meinte Stephen Paige, Director IAC Partners, eines auf Nachhaltigkeit in der Industrie spezialisierten Beratungsunternehmen.

Und ansonsten? Um Biodiesel für die Notstromaggregate werde sich, so Paige, heftige Konkurrenz zu Branchen entfalten, für die es aus technischen Gründen kaum Alternativen gebe, beispielsweise die Luftfahrt. Eine Wasserstoffinfrastruktur sei in Europa und anderswo entgegen optimistischer Verlautbarungen noch mindestens ein Jahrzehnt entfernt.

Unterschiedliche Wege in USA und Deutschland

Paige geht davon aus, dass die USA und Europa bei der Datacenter-Energieversorgung grundsätzlich unterschiedliche Wege gehen werden: die Europäer eher den regulatorischen. Er helfe, wo bereits genügend gute Technologien verfügbar seien. Den USA läge es näher, viel Geld zu investieren und es den Akteuren zu überlassen, innovative Lösungen zu entwickeln.

"Datacenter können durch Netzdienstleistungen ihren Ruf verbessern, das Stromnetz stabilisieren und Geld verdienen", Forrest Secosky, Marketing Manager, Eaton
"Datacenter können durch Netzdienstleistungen ihren Ruf verbessern, das Stromnetz stabilisieren und Geld verdienen", Forrest Secosky, Marketing Manager, Eaton
(Bild: DCD/Rüdiger)

Chancenreich seien, so Paige, inzwischen modulare Atommeiler mit nur einigen Megawatt Leistung. Solche Aggregate seien schon produktionsreif. Paige: „Sie könnten den Strom für ein mittleres Rechenzentrum und eine Gemeinde erzeugen.“ Im atomskeptischen Deutschland wird diese Technologie wohl kaum reüssieren.

Netzdienstleistungen als Geschäftsmodell

Auf neue Geschäftschancen durch eine bessere Integration von Datacenter ins Stromnetz verweist Forrest Secosky, Marketingmanager bei Eaton hin. Sie könnten netzdienliche Leistungen zur Stabilisierung erbringen, dadurch ihr öffentliches Ansehen steigern und zugleich neues Geld in die Kassen spülen. Allerdings sei die Zusammenarbeit mit den Stromlieferanten oft herausfordernd.

Diese Kooperation spielt auch bei der Art der Stromlieferungen und der Abrechnung von Kohlendioxidemissionen eine Rolle. Denn Erneuerbare-Energien- oder Kohlendioxid-Zertifikate sind nur so nachhaltig wie ihre Qualität.

Die zweitbeste Lösung: Zertifikate

Kohlendioxid-Zertifikate sind die direkte finanzielle Kompensation für erwiesene Kohlendioxid-Ausstöße mit über die Jahre garantiert steigenden Preisen. Frei handelbare EE-Zertifikate sollten eigentlich belegen, dass die vom Rechenzentrum genutzte Strommenge aus erneuerbaren Quellen stammt und nicht woanders verbraucht wird. Faktisch sind sie heute eher ein Aufpreis auf die bezogene Energiemenge, die irgendwo herkommt, also durchaus eine Form des Greenwashing.

Sinnvoller seien, wo möglich, Direkteinkäufe bei einem Energielieferanten regenerativen Stroms mit fester vertraglicher Bindung über einen längeren Zeitraum. Darauf wies Rick Buch hin, Mitgründer von Powertrust, einem US-Beratungs-Startup für Energie-Einkäufe.

PPAs fördern den Ausbau der erneuerbaren Energien

Bei Renewable-PPAs (Power Purchase Agreements) wisse man genau, dass die betreffenden Anlagen die benötigten Mengen auch produzieren. Weil sie den tatsächlichen Bau neuer EE-Anlagen anregen, seien PPAs jeglichen Zertifikaten vorzuziehen. „PPAs werden auch geschlossen, um sich gegen Energiepreisschwankungen abzusichern“, sagte Buch.

"Hyperscaler dominieren den PPA-Markt", Rick Buch, CTU und Mitgründer des Beratungsunternehmens Powertrust.
"Hyperscaler dominieren den PPA-Markt", Rick Buch, CTU und Mitgründer des Beratungsunternehmens Powertrust.
(Bild: DCD/Rüdiger)

Im deutschen Mainstream angekommen sei dieses Verfahren aber noch nicht. Sie erforderten ein entsprechendes Marktdesign, erfahrene Verhandler mit Sitzfleisch und regenerative Energiefarmen, die manchmal sogar für ein bestimmtes PPA gebaut werden. Die heute üblichen Vertrags- und Rechtsstrukturen seien laut Buch zu sehr auf Hyperscaler abgestellt, die diesen Markt dominieren.

Beispiel Westfalenwind

In Deutschland gibt es mit Westfalenwind dennoch ein besonders spannendes Beispiel für den Direktbezog von EE-Strom: Der regionale Energie-Erzeuger hat im Unterbau einer seiner Windgeneratoren ein ganzes Dienstleistungsrechenzentrum untergebracht.

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Der Strom kommt direkt aus den Windturbinen vor Ort und ist insoweit garantiert nachhaltig. Zudem hat das Unternehmen mit den Datacenter-Dienstleistungen einen neuen Geschäftszweig aufgemacht. Aber so günstig sind die Verhältnisse eben nicht immer.

XDC-Modell misst die Klima-Performance

Die Nachhaltigkeitseffizienz eigener Maßnahmen und Geschäftsprozesse ermittelt für seine Kunden das Startup „Right. Based on Science“. Die Firma besitzt enge Verbindungen zur Klimaforschung und hat aktuelle Erkenntnisse in sein XDC-Modell“ „(X-Degree-Climate Compatibility) eingebaut. Damit lässt sich genau kalkulieren, ob die derzeitigen Umweltmaßnahmen für das 1,5-Grad-Ziel reichen und wie die eigene Firma im Nachhaltigkeits-Vergleich dasteht.

Liefern müssen Kunden Daten zur Brutto-Wertschöpfung (EBITDA plus Personalkosten) und CO2-Ausstoß (möglichst Scope-3). Kennen sie letzteren nicht, etwa, weil sie die Lieferkette noch nicht analysiert haben, wird behelfsmäßig mit den vorhandenen Daten dazu gearbeitet. Partner von Right. Based on Science können Unternehmen aber helfen, fehlende Informationen zu recherchieren oder zu extrapolieren.

Das Verfahren hat fünf Schritte: Aus den gelieferten Daten lässt sich als erstes berechnen, wie viel Kohlendioxid pro Umsatzmillion ausgestoßen wird (Emissionsintensität, EI) - vom Basisjahr perspektivisch bis 2100.

Branchen-Benchmarks für die Emissionsintensität

Der EI-Pfad des jeweiligen Unternehmens wird zweitens mit Branchen-Benchmarks verglichen. Sie basieren auf Pfaden, die von Daten der Internationalen Energie-Agentur (IEA) für den entsprechenden Wirtschaftssektor definiert wurden. Außerdem lassen sich Alternativpfade für verschiedene Klimaziele (gemessen an Grad globale Erwärmung) rechnen.

Drittens wird die EI-Performance des Kunden-Unternehmens in Relation zu den Benchmarks gesetzt. Hier kann man sehen, wie viel Prozent der Branchenkonkurrenten besser oder schlechter performen.

Was wäre, wenn die ganze Welt so wirtschaftete?

Viertens berechnet das Modell für jedes Jahr bis 2100, wie groß die Emissionen weltweit in einem bestimmten Jahr wären, wenn die gesamte Welt mit der EI des jeweiligen Kundenunternehmens wirtschaften würde. Dafür benutzt das Verfahren Daten und Ergebnisse aus den Schritten 1 bis 3.

Schritt 4 des XDC-Verfahrens berechnet, wie groß der weltweite Kohlendioxidausstoß wäre, wenn alle Akteure weltweit die Emissionsintensität des jeweiligen Kunden hätten. Die blassen Linien im Hintergrund zeigen die eigentlich notwendige Emissionsminderung.
Schritt 4 des XDC-Verfahrens berechnet, wie groß der weltweite Kohlendioxidausstoß wäre, wenn alle Akteure weltweit die Emissionsintensität des jeweiligen Kunden hätten. Die blassen Linien im Hintergrund zeigen die eigentlich notwendige Emissionsminderung.
(Bild: Right. Based on Science)

Schließlich werden die Daten des Unternehmens auf das reaktive Klimamodell FAIRFAIR gemappt. Es bildet die Auswirkungen und Kosten von Klimamaßnahmen prospektiv ab. Damit lässt sich unter anderem berechnen, auf wie viel Grad sich die Atmosphäre erwärmen würde, würde die gesamte Ökonomie so wirtschaften wie der betreffende Kunde.

EU-CSR-Richtlinie verlangt Angaben zur Klima-Effizienz von Maßnahmen

Solche Effektivitätsdaten sind zukünftig auch rechtsrelevant. Denn die demnächst europaweit gültige CSR-Richtlinie verlangt Angaben über die Art und Effizienz der zum Klimaschutz ergriffenen Maßnahmen. Da sind daten Belege zur Wirksamkeit des eigenen Handelns sehr wünschenswert.

Kunden von Rights. Based on Science sind neben vielen anderen beispielsweise die Softwarefirma GFT oder der Automobilzulieferer Continental. Für Rechenzentrumsbetreiber eignet sich das Modell im Prinzip genauso.

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