Loongson 3A5000/3C5000 Neue China-CPU für Server mit eigener ISA und 12-nm-Prozessknoten

Michael Eckstein

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Neue Konkurrenz für Intel und AMD: Mit selbst entwickelter „Loongarch“-Befehlssatzarchitektur, 16 Kernen und bis zu 2,5 Gigahertz Taktfrequenz greift der 12-Nanometer-Prozessor „Loongson LS3C5000“ des Herstellers Loongson Technology auf dem Servermarkt an.

Eigentständig: Dank eigener Befehlssatz-Architektur sollen die „Loongarch“-Prozessoren unabhängig von ausländischen Akteuren sein.
Eigentständig: Dank eigener Befehlssatz-Architektur sollen die „Loongarch“-Prozessoren unabhängig von ausländischen Akteuren sein.
(Bild: Clipdealer)

Abkehr von MIPS: Der chinesische Chipentwickler Loongson Technology, Chinesischen Akademie der Wissenschaften entwickelten CPU. Die Entwicklerversionen dieses Prozessors werden „Godson“ genannt. Sie hat eine eigenständige Befehlssatzarchitektur (Instruction Set Architecture, ISA) entwickelt, auf der alle zukünftigen Prozessoren des Unternehmens basieren sollen.

Diese als „Loongson Architecture“ oder kurz „Longarch“ bezeichnete ISA soll nichts mit außerhalb Chinas verfügbaren Architekturen zu tun haben. Loongarch soll weder an die bislang von Loongson präferierte Architektur MIPS noch an RISC-V oder gar x86 oder ARM angelehnt sein.

Nun hat Loongson einen Tape-Out für einen Prozessor mit der eigenen ISA bestätigt. Noch in diesem Jahr soll das mit „Loongson 3A5000“ titulierte Produkt kommerziell erhältlich sein. Der Chip soll vier mit bis zu 2,5 GHz getaktete Kerne enthalten und in 12-Nanometer-Prozesstechnik gefertigt werden. Eine Variante mit 16 Kernen für Server soll unter der Bezeichnung „3C5000“ auf den Markt kommen. Die Prozessoren sollen China helfen, ein eigenständiges, unabhängiges IT-Ökosystem aufzubauen, über das das Land selbst die Kontrolle hat.

Hintergrund des „Drachenkerns“

Loongson geht zurück auf eine Entwicklung des Institute of Computing Technology (ICT) der University of Chinese Academy of Science (UCAS). Der Name bedeutet übersetzt so viel wie „Drachenkern“, daher wird die Firma wie auch ihr Prozessor auch „Dragon Core“ genannt.

Seit 2002 sind mehrere Generationen davon erschienen. Bekannter wurden die Chips ab 2007, nachdem STMicroelectronics als Kooperationspartner für Herstellung und Vertrieb eingestiegen ist.

Bislang hat das Unternehmen Prozessoren auf Basis unterschiedlicher Ausprägungen seiner LongISA-Architektur entwickelt, die eine Teilmenge des MIPS64-Befehlssatzes ist. Für diese Plattform geschriebene Software lief entsprechend auch auf den Loongson-Prozessoren.

Früher war MIPS zum Beispiel bei Supercomputern verbreitet. Mit eigenen Erweiterungen hat Loongson MIPS64 modifiziert, so dass auch modernere Anwendungen damit liefen.

Ziel: Mehr Unabhängigkeit von ausländischen Akteuren

Durch die jetzt vorgestellte Eigenentwicklung wird Loongson ein gutes Stück unabhängiger von Technologien, deren Verbreitung beispielsweise die USA durch Handelsbeschränkungen torpedieren kann. Mehrere chinesische Unternehmen wie Huawei, Xiaomi oder ZTE haben in den letzten Jahren unangenehme Erfahrungen mit der so genannten schwarzen Liste des US-Außenhandelsministeriums gemacht.

Ist ja auch kein Wunder, ein Kommentar

Am 9. April berichtet die BBC, das der aktuelle US-Präsident Joe Biden sieben chinesische Hersteller, Gruppen, die am Bau von Supercomputern beteiligt sind, auf die „Black List“ gesetzt habe. Der Grund: Diese Organisationen beziehungsweise die Supercomputer arbeiteten zum Teil für „die destabilisierende Bemühungen zur Modernisierung des Militärs“ und „in Programmen zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen“ genutzt würden.

Solche Verflechtungen sind vertraut . So ist es ein offenes Geheimnis, dass die Supercomputer des Department of Energy der USA mehr oder weniger auch die des dortigen Department of Defence sind. Von den jetzigen Biden-Sanktionen betroffen sind die Supercomputing-Zentren in Jinan, Shenzhen, Wuxi und Zhengzhou sowie die Unternehmen Tianjin Phytium Information Technology, Shanghai High-Performance Integrated Circuit Design Center und Sunway Microelectronics.

Das heißt, dass US-Unternehmen jetzt eine Ausnahmegenehmigung benötigen, um mit ihnen zusammenarbeiten oder ihnen Produkte liefern zu dürfen und, unter anderem, dass Intel keine Chips für diese Supercomputer liefern darf. Das gibt der Dynamik, in China eigene Prozessoren zu entwickeln, nur neuen Schwung. Ohnehin hatte sich das Land 2020 zum Ziel gesetzt, innerhalb von drei Jahren komplett auf 'regionale' Technik umzusteigen beziehungsweise umstiegen zu können.

Hinlänglich bekannt sind etwa die erfolgreichen Bemühungen von Huawei, auf der Basis vom ARM, eigene Chips zu entwickeln. Und ohnehin arbeitet etwa der Sunway Taihu Light Supercomputer, im staatlichen Chinesischen Supercomputing Center, Wuxi, seit etwa 2016 mit in China entwickelten und produzierten Halbleitern - aktuell mit den Sunway-Prozessoren „SW26010“ (siehe: Top500).

Wem also schadet ein solcher Lieferstopp?

Ulrike Ostler

Trotzdem verwundert der Schritt, eine ISA von Grund auf neu zu entwickeln, anstatt etwa die offene RISC-V-Architektur als Grundlage zu verwenden. Nach eigenen Angaben besteht Loongarch einschließlich Basisarchitektur und Erweiterungen wie Vektorbefehlen (Vector Processing, LSX, und Advanced Vector Processing, LASX) , Virtualisierung (LVZ) und Binärübersetzung (LBT) aus fast 2.000 proprietären Instruktionen.

Patentagentur bestätigt Eigenständigkeit

Nach eigenen Angaben betreibt Loongson einigen Aufwand, um sicherzustellen, dass die Loongarch-Architektur keine Patente Dritter verletzt. Dafür habe man eine chinesische Patentagentur beauftragt. Ein umfangreicher Vergleich mit Alpha, ARM, MIPS, Power, RISC-V, x86 und anderen wichtigen internationalen Befehlssystemen sowie Zehntausenden von Patenten habe gezeigt, dass Loongarch eigenständig sei – sowohl das Design des Befehlssystems, das Befehlsformat, die Befehlskodierung, den Adressierungsmodus und mehr hat Loongson demnach unabhängig entwickelt.

Wie es indes mit MIPS weitergeht, ist nicht ganz klar. Das ehemals eigenständige Unternehmen MIPS Technology war nach einigen Verkaufswirren 2018 bei Wave Computing gelandet. Das Unternehmen wurde kurz danach insolvent, führte eine Reorganisation nach dem US-amerikanischen Chapter-11-Verfahren durch und firmiert nun als MIPS und will sich künftig auf die Entwicklung einer „bahnbrechenden RISC-basierten Prozessorarchitektur der achten Generation“ konzentrieren, die auf der offenen RISC-V-ISA basiert.

Hinweis: Das Artikeloriginal ist zunächst auf dem Partnerportal „Elektronik Praxis“ erschienen.

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