Winzige Wellenleiter und die Ionenfalle auf einem Chip MIT und ETH: „Laserschau“ im Nanobereich

Von M.A. Jürgen Höfling |

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Mit einem raffinierten Versuchsaufbau können Forschungsteams am MIT und an der ETH Zürich den Verschränkungszustand von Ionenfallen-Teilchen viel besser als bisher üblich steuern. Das Tor zu einem praktikablen Quantencomputer ist damit ein bisschen weiter offen.

Für einen praxistauglichen Ionenfallen-Rechner muss eine „Laserschau im Nanobereich“ organisiert werden
Für einen praxistauglichen Ionenfallen-Rechner muss eine „Laserschau im Nanobereich“ organisiert werden
(Bild: Marcus_Klaus_pixelio.de)

Quantencomputer sind das „nächste große Ding“; oder zumindest das übernächste. Wenn es gelingt, so viele Quanten-Bits (Qubits) rauschfrei zusammenzuschalten, dass die dabei entstehenden Rechnergebilde mit komplexen Rechenaufgaben betraut werden können, dann wird Parallelverarbeitung hinsichtlich Methodik und Volumen neue Dimensionen erreichen.

Bis dahin ist allerdings noch ein steiniger Weg. Um nämlich mit einem Quantencomputer solche größeren Rechenaufgaben durchführen zu können, muss dieser stabil handhabbar sein. Das heißt unter anderem, dass die quantenphysikalischen Zustände viel präziser und zuverlässiger, als das heute möglich ist, gesteuert werden können.

Für die Entwicklung von Quantenrechnern sind mehrere quantenphysikalisch-technische Konstrukte im Wettstreit. Atomare Systeme in Gestalt „ruhig gestellter Ionen“ werden dabei als besonders aussichtsreich eingeschätzt. In verschiedenen Forschungsinstituten weltweit arbeitet man daran, möglichst rauschfreie und ausreichend große Quantenrechner-Einheiten auf Basis von Ionenfallen-Rechnern aufzubauen und die vielen verschiedenen Laserpulse (womöglich Hunderte oder Tausende), die für eine Steuerung benötigt werden, in einer Form bereitzustellen, die in der IT-Praxis handhabbar ist

Chip-basierte winzige Wellenleiter

Die Miniaturisierung der optischen Steuerung von Quantenrechnern ist einer der entscheidenden technischen Parameter, um (Ionenfallen-)Quantenrechner mit ausreichend vielen Gattern herzustellen und praxistauglich zu betreiben. Hier haben das Lincoln Laboratory des Massachusetts Institute of Technology und das Institut für Quantenelektronik der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet. Dabei haben beide Institutionen sowohl personell als auch beim Austausch von Forschungsergebnissen eng zusammengearbeitet.

Um die Miniaturisierung der optischen Steuerung umzusetzen, haben die Forschergruppen (unabhängig voneinander) winzige Wellenleiter in die Chips integriert, auf denen sich die Elektroden zum Einfangen der Ionen befinden. Dadurch lässt sich das Licht präziser als mit dem üblichen optischen Gerät wie Linsen und Spiegel direkt zu den Ionen, die gesteuert werden sollen, leiten.

Vibrationen des Kryostaten oder anderer Bauteile verursachen dadurch wesentlich weniger Störungen. Vor allem aber ist ein derart aufgebauter Rechner im Prinzip ganz anders skalierbar als ein Rechner, der mit herkömmlichem optischem Equipment bestückt wird.

Wiedergabetreue der Messungen verbessert

Das Problem beim Aufbau größerer quantenelektronischer Architekturen ist der Messprozess. Der Charme eines Quantenrechners besteht nun gerade darin, dass sich gequantelte Teilchen in zwei Zuständen gleichzeitig befinden können. Durch einen derartigen Überlagerungszustand haben Quantenrechner eine inhärente Parallelität.

Leider lässt sich eine Überlagerung oder Superposition schwer aufrechterhalten. Sobald ein Qubit beobachtet wird - zum Beispiel mit Laserlicht, um zu sehen, in welchem Energieniveau sich sein Elektron befindet - kollabiert es, entweder in Richtung des einen oder anderen Zustands. Um einen praktikablen Quantencomputer bauen zu können, benötigt man Methoden, mit denen sich die Zustände nur einer Teilmenge der Qubits des Computers messen lassen, ohne dass das gesamte System gestört wird.

Sowohl in Massachussetts als auch in Zürich ist es den Forschenden gelungen, die „Wiedergabetreue“ (Stabilität) der Messungen der Qubits auf den integrierten Chips in Bereiche zu treiben, die bislang nur von den allerbesten konventionellen optischen Installationen erreicht wurden.

Wie diese gute Wiedergabetreue erreicht wird

Die relativ gute Stabilität der verschränkten Teilchen wird am Lincoln Labor des MIT durch eine raffinierte Versuchsanordnung erreicht.

Das MIT-Team arbeitet mit Calcium (Ca)- und Strontium (SR)-Atomen. Wenn die Atome in die Vakuumkammer strömen, in der sich der ultra-tiefgekühlte Chip mit den Wellenleitern und den „Fallen“-Elektroden befinden, schlagen mehrere der miniaturisierten Laser Elektronen aus den Atomen und verwandeln die Ca- und Sr-Atome in Ionen. Die Elektroden erzeugen elektrische Felder, die die Ionen einfangen und sie 50 Mikrometer über der Oberfläche des Chips halten. Andere Laser kühlen die Ionen und halten sie in der Falle.

Dann werden die Ionen zusammengebracht, um einen Ca+/Sr+-Kristall zu bilden. Jede Ionenart spielt eine ganz eigene Rolle in dieser Partnerschaft. Das Sr-Ion beherbergt das Qubit für die Berechnungen.

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Um ein Problem zu lösen, muss ein Quantencomputer das Energieniveau oder den Quantenzustand des äußersten Elektrons eines Ions kennen. Das Elektron könnte sich in seinem niedrigsten Energieniveau oder Grundzustand (bezeichnet mit |1⟩), einem höheren Energieniveau oder angeregten Zustand (bezeichnet mit |0) oder in beiden Zuständen gleichzeitig befinden. Dies ist der weiter oben schon beschriebene Überlagerungszustand.

Um nun bei einer Messung nicht das ganze System zum Einsturz zu bringen, setzen die Forscher das Ca-Ion als „Helfer-Qubit“ ein. Das Ca-Ion hat eine ähnliche Masse wie das Sr-Ion und nimmt dem Sr-Ion zusätzliche Energie ab, um es kühl zu halten und ihm zu helfen, seine Quanteneigenschaften zu erhalten. Laserpulse bringen dann die beiden Ionen in Verschränkung und bilden ein Tor, durch das das Sr-Ion seine Quanteninformation an das Ca-Ion übertragen kann.

Dann wird diese Information des „Helfer-Qubits“, sprich des Ca-Ions, mit einem Laser bei einer Wellenlänge ausgelesen, mit der nur das Elektron des Ca-Ions wechselwirkt, während das Sr-Ion unbeeinflusst bleibt. Befindet sich das Elektron im Grundzustand, sendet es Photonen aus, die von Detektoren aufgefangen werden. Wenn es sich dagegen in einem angeregten metastabilen Zustand befindet, bleibt das Ion dunkel.

Wiedergabetreue noch nicht gut genug für einen rauscharmen Rechner

„Das Schöne an der Verwendung dieses Helfer-Ions zum Auslesen ist, dass wir Wellenlängen verwenden können, die die umgebenden Ionen nicht beeinflussen; die Quanteninformation bleibt erhalten. Das Helfer-Ion erfüllt insofern eine doppelte Aufgabe: Es entzieht erstens dem Sr-Ion thermische Energie und wird zweitens kaum durch Wechselwirkungen gestört, wenn man nur dieses eine Qubit auslesen möchte", beschreibt das MIT-Team die Vorteile des trickreichen Versuchsaufbaus.

Die Wiedergabetreue der Ca+/Sr+-Verschränkung in dem Experiment betrug 94 Prozent. Das Team verschränkte auch Ionen in anderen Konfigurationen, zum Beispiel die beiden Ionen an den Enden eines Sr+/Ca+/Sr+-Strings, mit ähnlicher Genauigkeit. Diese Stabilität ist hoch genug, um die grundlegende Funktionalität der Quantenlogik zu demonstrieren, aber noch nicht hoch genug, um damit einen vollständig fehlerkorrigierten Quantencomputer zu bauen.

Zusammenspiel von Licht und Materie auf einem Chip

Der Weg in Richtung skalierbarer Ionenfallen-Quantenrechner scheint mit den bahnbrechenden Arbeiten in Cambridge und Zürich aber zumindest ein bisschen weiter offen. Es steht zu erwarten, dass die kombinierten Wellenleiter-Ionenfallen-Chips weiter miniaturisiert werden können, schließlich gibt es auch in anderen Anwendungsbereichen mittlerweile Nanostrukturen, die das Zusammenspiel von Licht und Materie in winzigste Halbleiter packen. Und die Halbleiter-Schmieden diese Erde sind wohl schon heute im Prinzip fähig, alle erforderlichen passiven und aktiven Photonik-Komponenten auf einem einzigen CMOS-Chip zu vereinen.

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