Portabilität? Parität? Souveränität? „Mist, wir sind in der Multicloud!“ - ein Statusbericht
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Die Mobilität von Workloads – ob zwischen Datencenter oder über Kontinente hinweg – hat das Aufkommen von Multicloud-Architekturen beschleunigt. Föderierte Entwicklung und Bereitstellung von orchestrierten Containern macht es möglich. Für die Vorreiter beginnt der Ansatz jetzt endlich, Früchte zu tragen. Das Jahr 2023 steht damit klar im Zeichen der Multicloud.

Die neueste Umfrage von Hashicorp in Zusammenarbeit mit Forrester Consulting rund um Strategien der „Cloudifizierung“ der Unternehmens-IT („State of Cloud Strategy Survey“) hat das anhaltende Wachstum der Multicloud eindeutig bestätigt. An der Erhebung haben sich eintausend IT-Praktiker aus Unternehmen mit je tausend Mitarbeitern beteiligt.
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Trends 2023
Rund um die IT-Infrastruktur - Voraussagen von Hashicorp
Organisationen dieser Größe sind typischerweise in mehreren Ländern oder gar auf mehreren Kontinenten präsent und müssen sich dort jeweils mit ihren Arbeitslasten in den Realitäten der lokalen IT-Landschaft zurechtfinden. So wachsen sie in verschiedene Cloud-Umgebungen hinaus; eines Tages wachen die Verantwortlichen auf und siehe da: „Mist, wir sind in der Multicloud!“
Der Begriff „Multicloud“ beschreibt eine Datenverarbeitungsumgebung, die auf die Dienste von mehreren verschiedenen Cloud-Anbietern setzt. Dieser Ansatz bietet Unternehmen die Möglichkeit, die besten Cloud-Angebote für ihre spezifischen Anforderungen auszuwählen, anstatt an einem einzigen Cloud-Anbieter auf „Auf Teufel komm raus“ festzuhalten.
Portabilität ist nicht Parität
81 Prozent der von Forrester befragten Organisationen nutzen bereits heute mehr als einen Cloud-Anbieter. Neun von zehn in dieser Gruppe (also 90 Prozent von den 81 Prozent) bestätigen, dass es funktioniert. Ein Jahr zuvor war es erst die Hälfte der Multicloud-Nutzer.
Dennoch ist die Multicloud wohl kaum ein Leichtgewicht. Nahezu alle Befragten (94 Prozent) teilen die Ansicht, dass ihre Organisation in der Multicloud Geld verschwendet.
Während Container-Orchestrierung eine nahtlose Portabilität der Arbeitslasten zwischen den Clouds verschiedener Anbieter ermöglicht, wird aus der Lösung erst einmal ein neues Problem. Denn jede IaaS-Cloud ist anders.
Die Unterschiede sind tiefgreifend und von den Anbietern so beabsichtigt. Sie lassen sich mit reinen Orchestrierungswerkzeugen nicht wegdiskutieren, weil sie auch unterhalb der Virtualisierungsebene greifen. Das schafft ein hohes Maß an Komplexität, der schnell wieder ans Geld geht.
Eine Schatzkarte mit Tücken
Als Grund für den aktuellen Grad an Verschwendung nannten die von Forrester befragten Organisationen eine Kombination aus ungenutzten oder zu wenig genutzten Ressourcen (66 Prozent der Befragten), Überprovisionierung (59 Prozent) und fehlendem Know-how (47 Prozent). Positiv zu vermerken ist, dass nur etwa ein Viertel (24 Prozent) der Befragten ihre Cloud-Prognosen überzogen haben. 42 Prozent aller Multicloud-Nutzer unter den befragten Organisationen wollten dem Problem im Laufe der kommenden 12 Monate mit Automatisierungstools begegnen.
Als die größte Barriere der Multicloud-Adoption nennen die Verantwortlichen fehlendes Know-how. 41 Prozent der Organisationen macht der Mangel an qualifizierten Fachkräften (im O-Ton: „skills shortages“ am Arbeitsmarkt) und weiteren 33 Prozent „fehlende Schulung“ des Bestandspersonals (im O-Ton: „lack of training“) zu schaffen. Weitere 35 Prozent beschwerten sich über die Unfähigkeit ihrer Teams, zusammenzuarbeiten.
Alle Multicloud-Nutzer (99 Prozent) sind sich einig: Ohne Automatisierung ist die Multicloud auf betrieblicher Ebene nicht in den Griff zu bekommen. Als beliebte Gründe für die Automatisierung der Infrastruktur nannten die Organisationen die Schaffung einer schnelleren, flexibleren und zuverlässigeren Self-Service-IT-Infrastruktur, Verbesserungen der Sicherheit, optimierte Auslastung von Cloud-Ressourcen und die Fähigkeit, auf Störungen schneller zu reagieren.
Basierend auf der Umfrage hat Forrester vier Empfehlungen ausgesprochen:
Erstens sollten die Unternehmen ihre Multicloud-Strategie an die eigenen geschäftlichen Ziele anpassen. Denn Multicloud ist nicht gleich Multicloud; es gäbe viele mögliche Ansätze.
Um Verschwendung zu reduzieren und die Effizienz zu steigern, sollten die betroffenen Organisationen Automatisierung ins Auge fassen (darauf sind die Unternehmen eigentlich schon selbst gekommen, siehe Grafik).
Forrester empfiehlt den Firmen weiter, jetzt speziell jene Tools zur Automatisierung der Sicherheit zu nutzen, die Multicloud-Abläufe unterstützen. Sie würden den Betriebsteams Zeit sparen, indem sie auch komplexe IT-Probleme lösen, Cloud-Kosten optimieren und Sicherheitsschwachstellen erkennen und beheben könnten.
Firmen bräuchten außerdem eben ein Cloud-Plattform-Team, welches alle Funktionsschichten abdecken soll, als eine zentralisierte organisatorische Einheit: ein Cloud Center of Excellence. Solche Teams seien hilfreich, um die Operationalisierung der Multicloud in den Griff zu bekommen, insbesondere im Hinblick auf die Sicherheit, Governance und Kontrolle, Richtlinien und Frameworks, interne Schulungen, Cloud-Zertifizierungen und vielem mehr.
Wenn es um den Aufbau einer erfolgreichen Plattformteamstrategie geht, sei eine Cloud-kompatible Unternehmenskultur genauso wichtig wie Schulung. Solche Plattform-Teams hätten 86 Prozent der Teilnehmer der Forrester-Umfrage.
Doch die eigentliche Frage, die sich viele Unternehmen stellen, insbesondere wenn sie ihre Arbeitslasten zwischen Clouds in verschiedenen Gerichtsbarkeiten verschieben müssen, betrifft Fragen rund um den Datenschutz und Compliance.
Die Quadratur des Kreises ist doch rund
Auf der einen Seite spitzen sich die Cyber-Bedrohungen und damit die Anforderungen an die Schutzmaßnahmen zu. Auf der anderen Seite steigt mit dem Aufkommen der Multicloud die Gefahr, dass die zunehmende Fragmentierung der IT- und Datenlandschaft aus dem Ruder läuft. Vor diesem Hintergrund gilt es auch noch, der schleichenden Gefahr der Anbieterabhängigkeit (Vendor-Lock-In) zu entgehen – also zurück zur Multicloud.
Weder mit dem einen noch mit dem anderen Kompromiss wäre den betroffenen Organisationen wirklich gedient. Die IT-Verantwortlichen müssen die Quadratur des Kreises meistern.
Das war ja auch ursprünglich der Gedanke hinter der Multicloud: Das Beste aus allen Welten, von On-Prem bis hin zu den „Clouds außerhalb“, ohne sich irgendwo fesseln zu lassen – und jetzt? Das Gute an dem Vormarsch der Multicloud ist die Tatsache, dass sich die Hyperscaler erstmals in die Pflicht genommen fühlen, was die Interoperabilität ihrer Clouds angeht. Sie können die Multicloud nicht mehr ignorieren.
Multicloud triff auf Sovereign Clouds.
Denn Technologieanbieter wie VMware haben ihr ganzes Gewicht auf das Problem geworfen. Aus ihren Bemühungen, die Quadratur des Kreises für ihre Nutzer Realität werden zu lassen, hat sich ein neues Buzzword herauskristallisiert: Sovereign Clouds.
VMware will mit diesem Ansatz das Bedürfnis nach einer reibungslosen Mobilität von Arbeitslasten über Rechenzentren und Gerichtbarkeiten hinweg mit den Compliance-Pflichten der Multicloud-Nutzer in Einklang bringen – mit erheblichem Erfolg (siehe dazu den Bericht „Sovereign Clouds: föderierte Unabhängigkeit“). Andere wollen sich das nicht nehmen lassen. Oracle, Microsoft, AWS, Google: Alle sind jetzt plötzlich auf den Geschmack von Cloud-Souveränität gekommen.
Multicloud-fähig ist nicht unbedingt souverän
Eine Sovereign Cloud ist eine Cloud-Computing-Umgebung, die für ein bestimmtes Land oder eine Region bestimmt ist und von einem lokalen Unternehmen oder einer Regierungsbehörde betrieben wird. Das Hauptziel besteht darin, den Kunden eine bessere Kontrolle über ihre Daten und die physischen Standorte, an denen sie gespeichert sind, zu bieten, damit sie strenge Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen erfüllen können. Eine Sovereign Cloud bietet ein höheres Maß an Kontrolle und Eigentum über Daten und Infrastruktur als eine Public-Cloud oder sogar als eine Private-Cloud ohne Datensouveränität. Ein Vergleich von Oracle und Nutanix kann das illustrieren.
Die öffentliche Cloud von Oracle wird über Netzwerke global verteilter Cloud-Regionen bereitgestellt, die sichere, hochleistungsfähige, lokale Umgebungen bieten und in separaten, sicheren Cloud-Bereichen organisiert sind. Unternehmen können hier zwar alle Workloads und Cloud-Anwendungen auf der „Oracle Cloud Infrastructure“ (OCI) hin und her schieben und dabei die regionalen Datenvorschriften einhalten, aber das macht sie noch nicht Multicloud-fähig.
Nutanix hat mit der Nutanix Enterprise Cloud eine Software-definierte Multicloud-Plattform erschaffen, mit der Unternehmen ihre privaten, öffentlichen und hybriden Cloud-Umgebungen aufbauen und verwalten können. Sie umfasst eine Reihe von Produkten und Dienstleistungen. Eine davon ist „Nutanix Xi Beam“, eine Multicloud-Management-Pattform, die eine einheitliche Verwaltungserfahrung über mehrere öffentliche Cloud-Plattformen und private Clouds hinweg ermöglichen soll, die auf Nutanix-Technologie aufbauen.
Eine Multicloud-Plattform
Mit Xi Beam können Unternehmen ihre Nutanix-Multicloud verwalten, Anwendungen bereitstellen und ihre Cloud-Ressourcen von einer einzigen, zentralisierten Konsole heraus überwachen. Die Plattform bietet Funktionen rund um die Optimierung von Cloud-Kosten, die Portabilität, Bereitstellung und Überwachung von Anwendungen.
Zu den größten Einschränkungen der Plattform zählen ihre hohe Komplexität, der beschränkte Umfang der Integrationsmöglichkeiten und nicht zuletzt der Preis. Nutanix Xi Beam kann teurer sein als andere Cloud-Management-Plattformen, insbesondere für kleinere Unternehmen mit begrenzten Budgets.
Trotz seines Ziels, das Multicloud-Management zu vereinfachen, hat Nutanix Xi Beam eine recht steile Lernkurve. Die Plattform bietet zwar ein einheitliches Verwaltungserlebnis für mehrere Clouds, aber nur bei einer Untermenge deren Funktionalität. Cloud-Souveränität ist ein Nebengedanke; diese Problematik überlässt Nutanix vorerst noch dem Multicloud-Nutzer selbst – anders als VMware (siehe dazu: den Bericht „Sovereign Clouds: föderierte Unabhängigkeit“).
*Das Autorenduo Anna Kobylinska und Filipe Pereia Martins arbeitet für McKinley Denali Inc. (USA).
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