Kampf um die Cloud - SD WAN versus MPLS Die Kommunikation zu und zwischen Rechenzentren im Zuge der Cloudifizierung

Von Gordon McBane |

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Es wird in Zukunft so viele Mengen an Daten geben, die sich in adäquater Zeit gar nicht mehr übertragen lassen. Netzwerke könnten so zum Flaschenhals für IoT und Edge werden. Wie müssen daher Netzwerke und Rechenzentren für das neue Jahrzehnt aufgestellt werden? Ein Interview mit Volker Schiemann von GTT.

MPLS ermöglicht die verbindungsorientierte Übertragung von Datenpaketen in einem verbindungslosen Netz entlang eines zuvor aufgebauten Pfads. Doch Software Defined Wide Area Networks (SD-WAN) gelten als zuverlässiger, flexibler und preiswerter.
MPLS ermöglicht die verbindungsorientierte Übertragung von Datenpaketen in einem verbindungslosen Netz entlang eines zuvor aufgebauten Pfads. Doch Software Defined Wide Area Networks (SD-WAN) gelten als zuverlässiger, flexibler und preiswerter.
(Bild: Gerd Altmann auf Pixabay)

Volker Schiemann ist seit fast 15 Jahren in der IT- und. Telekommunikationsbranche aktiv. Seit nun fast neun Jahren ist er maßgeblich an der Weiterentwicklung von SD-WAN beteiligt und seit 2018 bei GTT als Head of Solution Consulting für GTT DACH & CEE beschäftigt. GTT wiederum besitzt und betreibt ein globales Tier-1-Internet-Netzwerk und bietet eine umfassende Suite von Cloud-Netzwerkdiensten.

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Volker Schiemann ist ein erfahrener Experte in Sachen IT- und Telekommunikation. So kam er 2005 er beim Netzbetreiber Interoute an Bord und war dort zunächst operativ für das SME-Geschäft verantwortlich.
Volker Schiemann ist ein erfahrener Experte in Sachen IT- und Telekommunikation. So kam er 2005 er beim Netzbetreiber Interoute an Bord und war dort zunächst operativ für das SME-Geschäft verantwortlich.
(Bild: GTT)

Volker Schiemann: Sehr vielschichtig. In der Tat ist es so, dass die Datenmengen überproportional zunehmen. Gleichzeitig wird der Netzwerkfluss aber auch viel dynamischer durch die verteilten Datenbanken und zergliederten Systemstrukturen, die in den letzten 20 Jahren angewachsen sind.

Wir sprechen hier nicht nur von ein paar Rechenzentren, die mal abends ein Backup durchlaufen, sondern von Datenbanken an wirklich exotischen Orten der Welt. Das macht es auch immer schwieriger, überhaupt Prognosen über Bandbreitennutzung aufzustellen.

Wieso sprechen manche vom Ende des Multiprotocol Label Switching (MPLS)?

Volker Schiemann:Die Antwort ist mehrstufig. Zunächst ist die WAN-Optimierung in Form von SD-WAN ist die Schlüsselkomponente, weil sie ein viel einfacheres Anpassen an Bandbreiten ermöglicht. Früher ist man hier noch ganz anders herangegangen. Wenn vor fünf Jahren an einem Standort die Verbindung zu langsam war, hat der Bestands-Carrier ein Angebot unterbreitet und bei Abschluss wurde einfach nur mehr Bandbreite auf den Sitz der Niederlassung gelegt.

Das ist aber als würde man bei einer Krankheit nur die Symptome und nicht die Ursache bekämpfen. Zudem bietet SD-WAN im Hinblick auf den ersten Punkt den Vorteil viel größerer Transparenz durch Visualisierung in Echtzeit über die Auslastung.

Welche Rolle spielen die Rechenzentren bei der WAN-Optimierung?

Volker Schiemann: Datacenter sind schlichtweg wichtige neuralgische Punkte für die Netzwerkinfrastrukturen. Was wir aber auch beobachten ist die Tatsache, dass zumindest dedizierte Ressourcen in lokalen Rechenzentren immer weiter abnehmen.

Wir bei GTT wollen deshalb dafür sorgen, dass die Kunden ihre Pfade als klassische Ethernet-Strecke zu dem Rack als Webservice Interface schalten können, sprich: Wir stellen als Broker für die User das passende Netzwerk bereit, wahlweise über Internet-Peering oder Expressrouten. Es gibt ja schließlich immer mehr Unternehmen und Nutzer, die ihre Daten nicht mehr auf dem lokalen Rechner hosten, sondern in zentralen Rechenzentren, für die sie dann aber Konnektivität benötigen.

Der klassische Traffic wird nicht mehr über Backbone-Pfade abgewickelt. Das heißt: Es ist nicht mehr so, dass die Daten von einer Location in Brasilien zunächst über ein Weitverkehrsnetz, dann über MPLS zu unserem Hauptrechenzentrum und von dort dann weiter in die Cloud oder in die Applikation übertragen wird. Und hier kommt SD-WAN ins Spiel.

Bleiben wir ruhig bei dem Beispiel Brasilien. Sagen wir mal in São Paulo wird die Applikation erkannt, die befindet sich zwar in meinem Unternehmensnetzwerk, ist aber ausgelagert in der Cloud. Dann wird diese Applikation über einen lokalen Internetzugang getunnelt und direkt zu dem Cloud-Provider geführt – und nicht erst durch die eventuell nachteiligere Anbindung zum Rechenzentrum, um von dort weitergeführt zu werden.

Gibt es weitere Vorteile?

Volker Schiemann: Also: SD-WAN viel direkter und dadurch auf lange Sicht auch kostengünstiger. Schließlich erleben wir am Markt, dass beispielsweise MPLS eine mehr und mehr unwirtschaftliche Technologie ist, die immer teurer wird, je häufiger man sie nutzt.

Neben der bereits genannten Transparenz bietet SD-WAN hohe Sicherheit durch absolute Verschlüsselung, das Bestandsnetz kann binnen weniger Tage installiert werden, die Leitungen sind durch die WAN-Optimierung gleichmäßig ausgelastet und durch die flexiblere Gestaltung des Netzes und der Bandbreiten sind Einsparungen möglich.

Das klingt zu märchenhaft: Flexibilität und zugleich günstige Alternative

Volker Schiemann: Nicht direkt, und hier kommt der Kniff. Denn bedenken Sie, dass heutzutage nahezu alle Services über das Internet laufen. Daher macht es aus kaufmännischer Sicht kaum noch Sinn, billige Internet-Pakete über das MPLS zu einem anderen Punkt zu führen, um dann dort ins Internet auszubrechen. Und der Preisvorteil resultiert daraus, dass dieser Traffic – der über das Internet genauso gut erreichbar wäre – halt über ein lokal vor Ort liegenden Internet-Zugang terminiert werden kann. Dies ist stark verkürzt das, was SD-WAN ausmacht.

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Wie schwierig gestaltet sich die Umstellung?

Volker Schiemann: Man muss sich zunächst einmal die komplette Netzwerkinfrastruktur ansehen. In der Datacenter-Welt war es lange Zeit so, dass man als IT-Entscheider sein eigenes Netzwerk orchestrierte. Die neue Generation von CIOs und Architekten sieht das Netzwerk hingegen aus einer anderen Perspektive. Die haben einen ganzen Blumenstrauß an Applikationen in ihrem Netzwerk. Und jede Lokation hat auch andere Applikationen im Einsatz.

Aber anders als früher definiert heute nicht das Netzwerk die Applikationen, sondern die Applikationen bestimmen das Netzwerk. Und SD-WAN erkennt die Applikationen und kann zu jedem Zeitpunkt die richtige Route zum Ziel wählen. Rechenzentren spielen in diesem Zusammenhang eine zunehmend wichtige Rolle, weil Applikationen immer dezentraler laufen und es viele Services gibt, die in keinem Datacenter mehr stehen.

Und wie gesagt, in punkto Installation ist es mit SD-WAN möglich, ein Bestandsnetz binnen weniger Tage zu übernehmen. Für den Nutzer bedeutet dies am Ende Transparenz und Sicherheit durch hohe Agilität.

Gibt es keine Nachteile?

Volker Schiemann: Die gibt es natürlich auch. Ein Nachteil ist der Schwenk des Netzdesigns. Das hat natürlich auch mit Manpower zu tun. Und man muss es schrittweise aufrollen. Teilweise kann man das auch in einem so genannten „Big-Bang“ machen, allerdings nur bei kleinen Standorten.

Wenn ein Unternehmen nun mehr als zehn Niederlassungen hat, sollte man die Migration des neuen Systems eher schrittweise einführen. Wichtig ist aber eine holistische Planung: Man darf es nicht als schrittweises Projekt betrachten, bei dem man nach dem ersten Schritt darüber nachdenkt, ob man nun auch den zweiten tun sollen. Es muss also schon ein Masterplan vorliegen.

Gibt es denn eine natürliche Kapazitätsgrenze oder Adaptions- Umstellungsraten?

Volker Schiemann: Nein, es gibt keine Grenze im klassischen Sinne. Bei Volumina von 10 Gigabyte hören lokale Internet-Provider zwar auf zu liefern, aber da kommt der durchschnittliche User gar nicht erst ran. Nur für die richtig großen Global Player muss das SD-WAN so modelliert sein, dass sie immer noch ein Backbone haben. Aber abgesehen davon gibt es keine Limitierungen.

Und was die Adaptionsraten betrifft: Das hängt stark davon ab, wie weit der Nutzer überhaupt gehen will. Wenn ein Kunde beispielsweise eher skeptisch ist und SD-WAN erstmal nur als Alternative nutzen möchte, dann handelt es sich hier fast ausschließlich um ein logistisches Problem, dort die entsprechenden Boxen zu liefern und zu konfigurieren.

Wenn ein Kunde jedoch seinen Provider komplett wechseln möchte, dann sind die Adaptionsraten wesentlich höher. Schon aus rein praktischen Gründen kann es dann ein halbes oder sogar bis zu einem dreiviertel Jahr dauern, bis die Migration abgeschlossen ist. Aber im Grunde ist ein SD-WAN Deployment immer eher ein logistischer als ein technischer Aufwand.

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