Interview mit Dieter Thiel, Senior Consultant der Data Center Group Verbindliche Nachhaltigkeitskennzahlen und ein Register für Rechenzentren

Von Ulrike Ostler

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Der Energieverbrauch von Rechenzentren steigt und steigt. Umso erstaunlicher ist es, dass es keine verlässlichen Daten und einheitlichen Kenngrößen für Datacenter gibt, was Nachhaltigkeit oder gar Klimaneutralität, die die Regierung bis 2027 fordert, anbelangt. Hier setzt das Projekt „PeerDC“ an, das die Erstellung eines praxisgerechten Rechenzentrumsregisters zum Ziel hat. Die Data Center Group arbeitet mit daran. Warum?

Das Projekt „PeerDC“ auf der <u><A target="_blank" HREF="https://datacenter-group.com/de/news/meldungen/peerdc.php">Website der DataCenter Group</A></u>
Das Projekt „PeerDC“ auf der Website der DataCenter Group
(Bild: Data Center Group)

Um wirkungsvolle Maßnahmen für die Reduktion des Energieverbrauchs der digitalen Infrastruktur zu definieren und umzusetzen, soll das Datacenter-Register die passende Grundlage schaffen. Die drei Ziele des Vorhabens sind:

  • Aufbau eines Registers für Rechenzentren und Visualisierung der Inhalte des Registers
  • Entwicklung eines Bewertungssystems und einer Bewertungssoftware für Energie-effiziente Rechenzentren
  • Prüfung der Übertragbarkeit der Ergebnisse und Machbarkeit eines Bewertungssystems für Rechenzentren auf europäischer Ebene

Das Projekt PeerDC, die Erstellung eines Registers für Rechenzentren - läuft seit Oktober 2021 über 22 Monate und endet somit im Juli 2023. Warum beteiligt sich die Data Center Group daran?

Dieter Thiel: Um sich die Sinnhaftigkeit eines solchen Projekts noch einmal vor Augen zu führen, verweise ich darauf, dass die Rechenzentren in Deutschland bereits rund 17 Milliarden Kilowattstunden Strom im Jahr benötigen, rund 2 Prozent unseren gesamten Stromverbrauchs. Das bedeutet rund 7 Millionen Tonnen CO2, die an die Umwelt abgegeben werden. Aufgrund der zunehmenden Durchdringung aller Lebensbereiche mit IT durch neue Aufgaben, die Computer lösen können, ist mit einer Zunahme der Rechenzentren, des damit wachsenden Energiehungers und in Folge dessen des CO2-Ausstoßes zu rechnen. Das sind laut diverser Prognosen 6 bis 8 Prozent pro Jahr, die auf den Betrieb von Rechenzentren zurückzuführen sind.

Und wir wissen, dass das Auslegungsdesign von Rechenzentren meist sehr Energie-effizient ist, der reale Betrieb, oft durch Überdimensionierung, aber ineffizient. Und Peer DC erfasst genau die realen Betriebsbedingungen und macht Rechenzentren nach einheitlichen Bewertungskriterien vergleichbar. So werden auch Einsparpotentiale sichtbar. Das aber ist interessant für Betreiber und Nutzer. Man kennt es doch aus dem Immobiliensektor: Wer heute ein Haus kauft oder mietet schaut sich natürlich den Energieausweis an.

Für die Data Center Group, die immerhin rund 2.500 Rechenzentrumsprojekte abgeschlossen hat, Neubau und Modernisierungen, war und ist Nachhaltigkeit beziehungsweise Energie-Effizienz schon immer ein wichtiges Thema gewesen. Wir sind stolz darauf, dass wir schon lange sparsam mit der Energie umgehen und Rechenzentren gebaut haben, deren Power Usage Effectivenes (PUE) bei 1,3 bis 1,4 lagen: Unsere jetzigen Rechenzentrumskonzepte ermöglichen PUE Werte von kleiner 1,25.neuesten Rechenzentren weisen Werte von kleiner einen Wert von 1,25 aus.

Auch wenn in der DIN EN 50600 noch andere Kenngrößen wie der Wasserbedarf definiert werden, könnte man auch sagen, dass ein niedriger PUE-Wert unsere Interpretation von Nachhaltigkeit war.

Zwar kennt jeder, der Rechenzentren plant und betreibt diese Kenngröße, doch steht sie auch in der Kritik. Zum Beispiel sinkt der PUE-Wert, wenn die IT im Rechenzentrum nicht ausgelastet ist, obwohl sich viel Energie sparen ließe, wenn etwa durch Virtualisierung eine höhere Rechnerauslastung erzielt und Hardware eingespart würde.

Dieter Thiel: Tatsächlich sind Werte wie der PUE (Power Usage Effectiveness) zu eindimensional. So kennen wir zwar in den meisten Fällen den `Design-PUE´, also jenen theoretischen Wert, der bei der Planung eines neuen Rechenzentrum unter Zugrundelegung von Wachstumsprognosen ermittelt wird, doch wie sich das Rechenzentrum im laufenden Betrieb `verhält´, also bei unterschiedlicher meist geringerer Auslastung und welchen Anteil die IT eigentlich hat, können wir nur annehmen, wissen es aber nicht.

Noch vor wenigen Jahren wiesen die Rechenzentren in Deutschland gemäß Borderstep Institut im Mittel einen PUE von 1,9 auf; jetzt liegt er bei 1,6 oder 1,5. Ein erfreulicher Trend, den wir verbesserter Infrastruktur verdanken, der aber auch deutlich macht, dass der Verbrauchsanteil der IT mit sinkendem PUE immer größer wird. Ein solcher Wert von 1,3 bedeutet, dass die IT rund 77 Prozent der Energie benötigt und damit zur größten Stellschraube wird.; der kleinere Anteil geht zu Lasten von USV-Anlagen und Kühlung. beispielsweise. Zudem erreicht die Auslastung von IT und Infrastruktur in den seltensten Fällen 100 Prozent. Ineffizienz ist vorprogrammiert.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf das vom BMBF geförderte Projekt „Meru“ verweisen, das kurz vor dem Abschluss steht. Hier geht es darum, Ursachen für Rebound-Effekte zu identifizieren und Werkzeuge zu deren Vermeidung aufzuzeigen. Unausgelastete IT und überdimensionierte Rechenzentren waren Hauptverursacher von Rebounds im Bereich Rechenzentren. Trotz neuester Technik verursacht die Nichtauslastung schlechte Effizienz. Und hier reden wir von mittleren zweistelligen Prozentzahlen.

Tatsächlich ist hatte sich die Data Center Group durch Monitoring in diversen Projekten bereits überlegt, selbst aktiv zu werden, um Effizienzkennzahlen im laufenden realen Betrieb zu ermitteln. Da kam die Ausschreibung des Umweltbundesamtes gerade recht. Nun arbeitet die Data Center Group gemeinsam im Team mit der Uni Stuttgart unter der Leitung von Professor Peter Radgen, dem Öko Institut Berlin, der DENEFF und der German Datacenter Associaton (GDA) in dem PeerDC-Projekt.

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Kritiker sehen die Unabhängigkeit gefährdet: Die Vorwürfe lauten, Professor Radgen sei als Vorstandsmitglied der German Data Center Association zum Lobbyisten der Datacenter-Branche mutiert und die GDA vertrete zwar internationale Konzerne, nicht aber die Interessen der deutschen, zumeist mittelständischen Rechenzentren und blockiere eher den Fortschritt in Richtung Nachhaltigkeit als dass sie ihn fördere.

Dieter Thiel: Selbst wenn man von einer Lobbyarbeit ausginge, hätte das nur marginal Auswirkungen. Wir selbst sind etwa Mitglied beim Eco – Verband der Internetwirtschaft und arbeiten beim Branchenverband Bitkom mit. Im Prinzip nutzen wir die Meinungsbildung mehrerer verschiedener Organisationen zur Informationsaufnahme und zum Gedankenaustausch. Niemals nur von einer.

Welche Aufgabe hat denn die Data Center Group im Projekt PeerDC übernommen?

Dieter Thiel: Während sich die Uni und das Öko Institut mit der Entwicklung der Web-Plattform beschäftigen, unterstützt die Data Center Group mit der Entwicklung praxisgerechter Kenngrößen und deren Anwendung beziehungsweise Akzeptanz. Die Balance zwischen abgefragter Datenmenge, Informationsbereitschaft und Aussagekraft der Angaben muss stimmen, damit das Ganze ein Erfolg wird. Zu große Abfragemenge können kontraproduktiv sein. Dies ist nur möglich, mit einer ausreichenden Informationsbasis. Dafür benötigen wir Praxispartner – Kunden und Rechenzentrumsbetreiber.

Tatsächlich suchen wird noch weitere Praxispartner!

Profitieren Sie von der Mitgestaltung des Energie-Effizienz-Registers

Wer soll das sein? Und was haben die davon?

Dieter Thiel: Letztlich erarbeiten wir Kriterien für ein Energie-Effizienz-Register wie es die Bundesregierung in ihrem am 13. Juli beschlossenen Sofortprogramm der Bundesregierung (siehe: „Jetzt wird es ernst; Umweltgesetze für deutsche und französische Rechenzentren “) fordert. Unsere Praxispartner können über die Kooperation die Kriterien mitgestalten, für die Akzeptanz werben und sich an der Nachhaltigkeitsentwicklung beteiligen. Sie erarbeiten sich einen Wettbewerbsvorteil, da sie als erste von den Ergebnissen profitieren. Denn zukünftig werden Kunden von Rechenzentrumsdienstleistungen und Mieter von Rechenzentrumsflächen verstärkt darauf achten, nachhaltig einzukaufen. Und Betreiber werden bei den Firmen Rechenzentren kaufen, die klimaneutral bauen, insbesondere, da dies auch verstärkt zur politischen und gesetzlichen Anforderung wird.

Mitmachen sollten wirklich alle: Besitzer und Betreiber von kleinen und mittelständischen Rechenzentren, aber auch große Co-Locator. Letztere zieren sich noch.

Es heißt doch immer, die kleinen und mittelgroßen Rechenzentren gehen in Cloud-Datacenter auf und die Hyperscaler sowie in Deutschland nachgelagert die großen Co-Locator treiben das Marktwachstum an. Warum wollen Sie auch diese Rechenzentren erfassen und zur Mitarbeit bewegen?

Dieter Thiel: Im Rahmen einer Masterarbeit haben wir einmal ermitteln lassen, welchen Anteil die großen, mittleren und kleinen Rechenzentren auf den gesamten Energiebedarf haben. Die großen benötigen naturgemäß lokal viel Energie. Aber die Rechenzentren mit einem Bedarf von 50 bis 500 Kilowatt (kW) haben einen mächtigen Anteil am Gesamtverbrauch. Die Bundesregierung hat übrigen 100 kW Gesamtanschlussleistung als Schwellenwert festgeschrieben.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit und was kommt dabei heraus?

Dieter Thiel: Wir haben an einige Partner schon 'Versuchsballons' verschickt, einen Fragebogen, der sich im Idealfall in einer halben bis zu einer Stunde ausfüllen lassen sollte. Er dient der Erfassung von Daten aus den Unternehmen, die zu einer Definition von Kennzahlen führen sollen beziehungsweise zur Ermittlung der Kenngrößen aus der DIN EN 50600.

Die Praxispartner sollen uns aufzeigen, welche Daten erfassbar sind, welche öffentlich für das Register zugänglich gemacht werden können und sollten, aber auch, welche vertraulich sind und deren Bekanntgabe die Sicherheit gefährdeten oder geschäftsschädigend wäre. Die Sondierung erfolgt in Workshops.

Kritiker dieses Vorhabens und weitere von der Regierung beziehungsweise vom UBA angestoßener Projekte, wenden ein, dass man sich hierzulande viel ausdenken kann, das alles international völlig irrelevant sei.

Das ist die typische Ausrede. Es ist wie immer. Es gilt: Einer muss anfangen. Wir wollen zudem PeerDC nach Europa extrapolieren; die Kriterien können Eingang in die EN 50600 finden. Und grundsätzlich ließe sich jedes Rechenzentrum danach bewerten.

Was halten Sie eigentlich vom Climate Neutral Data Centre Pact - CNDCP, eine Selbstregulierungsinitiative von 74 Rechenzentrumsbetreibern und 23 Verbänden?

Dieter Thiel: Da schreibt sich jeder irgendetwas Grünes auf die Fahne. Zum Anfassen habe ich noch nichts gesehen.

Außerdem wird alles in die Zukunft geschoben. Der CNDCP fordert zum Beispiel Klimaneutralität bis 2050 und die Untersuchung von Abwärmenutzung. Das klingt für mich sehr weich. Für uns sind diese Forderungen schon längst überholt: Die Bundesregierung fordert Klimaneutralität bis 2027 und 30 Prozent Abwärmenutzung. Da hinken die Pakt-Mitglieder hinterher.

Über Dieter Thiel

(Bild: Data Center Group)

Dr. Dieter Thiel ist seit dem März 2018 Senior Consultant bei der Data Center Group. Der Sachverständige bringt hier seine Expertise aus der Technischen Gebäude-Ausrüstung (TGA) und dem Energiedesign ein. Sein Aufgabengebiet erstreckt sich auf die Standortanalyse, Risikobewertung und Konzeption von neuen Rechenzentren gemäß DIN EN 50600 und Due Dilligence für Rechenzentren im Bestand. Schwerpunkt Ist die Entwicklung Energie-effizienter Datacenter-Infrastrukturen zum nachhaltigen Betrieb bei niedrigen Total Costs of Ownership (TCO) unter Würdigung des politischen Anspruches an die Klimaneutralität von Rechenzentren bis 2027.

Er ist zudem Lehrbeaufragter der RWTH Aachen, beteiligt an den Forschungsprojekten „Meru“ und „PeerDC“, die in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), dem Umweltbundesamt (UBA) und dem Bundes-Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Bereich Energie-Effizienz aufgesetzt worden sind. Außerdem ist Thiel akkreditierter Auditor für das Umweltzeichen „Blauer Engel“. Er kann auf mehr als 100 Fachvorträge und Veröffentlichungen verweisen.

Zuvor war Thiel als Ingenieur für TGA bei Deerns Deutschland tätig. Nach dem Aufbau und der Leitung der angewandten Forschung und Entwicklung des Unternehmens übernahm er den Vertrieb im Bereich Köln. Ursprünglich hat er eine Ausbildung zum Maschinenbauingenieur gemacht, mitsamt Promotion an der Universität Duisburg-Essen zum Dr. Ing. und einer Weiterbildung zum Sachverständigen für Schall- und Wärmeschutz der IK Bau NRW und Energieberater der Dena.

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