Innenstädte: Begehrt, aber herausfordernd Uptime Institute untersucht Co-Location in Ballungsräumen
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Welchen Bedingungen sehen sich Co-Location-Provider gegenüber, die in Innenstädten Rechenzenren betreiben? Welche Einschränkungen müssen sie in Kauf nehmen? Welche Faktoren wirken sich auf Kosten aus? Mit diesem Thema befasste sich eine aktuelle Studie des Uptime-Institute.

In den Innenstädten brummt das Leben: Geschäfte, Büroräume von Unternehmen aller Art, öffentliche Einrichtungen, Entertainment ballen sich hier - und mit ihnen die Daten und Kommunikationsströme, die von all diesen Akteuren erzeugt und ausgetauscht werden, samt der vielen Server und Speicher, die nötig sind, um sie zu erzeugen.
Eigentlich also ein Mekka für Co-Location-Anbieter, die Hard- und Software all dieser Akteure eine sichere Heimat und engmaschige, breitbandige Kommunikationsanbindungen zu bieten. Doch ganz so einfach ist es nicht. Was genau es bedeutet, ein Co-Location-Rechenzentrum in einer Innenstadt zu betreiben, damit befasste sich jüngst eine qualitative Umfrage des Uptime Institute.
An der Untersuchung nahmen fünf innerstädtische Rechenzentren aus London, Moskau, Riad, Santiago und New York teil. Frankfurt war nicht vertreten; es ist aber davon auszugehen, dass viele der angesprochenen Fragen auch hier eine Rolle spielen.
Finanzbranche wichtigster Kunde
Die Rechenzentren waren fünf bis zwanzig Jahre in Betrieb. Jedes hatte mindestens 1 Megawatt (MW) elektrische UPS-Leistung. Bei allen kamen wichtige Kunden aus der Finanzbranche, drei bedienten daneben öffentliche Einrichtungen, zwei Einzelhandelsunternehmen. Vereinzelt waren auch die Reisebranche, das Gesundheitswesen, Content- oder Cloud-Provider als Kunden vertreten. Die Auslastung bewegte sich zwischen 50 Prozent und stabiler Vollauslastung. Ein Datacenter war jüngst erweitert worden und im Erweiterungsbereich noch nicht ausgelastet, ansonsten aber voll.
Das Londoner Rechenzentrum befand sich teils in einem Neubau, teils in umgebauten Räumen. Die Rechenzentren in Riad und Santiago waren Neubauten und Moskau sowie New York reine Umbauten. In New York residierten im selben Gebäude auch andere Mieter.
Einschränkende Bedingungen
Datacenter in innerstädtischen Bereichen müssen sich arrangieren. Zu den Limitierungen gehören die Verfügbarkeit von Wasser und Elektrizität, räumliche Sicherheitsbedingungen, gegebenenfalls Einschränkungen im Generator- und Dieseleinsatz, Begrenzungen, die aus der Gebäudesubstanz im Rechenzentrum und der Umgebung resultieren, beengte und volle Verkehrsräume. Dem stehen diverse Vorteile gegenüber. Sie beziehen sich vor allem auf die kommunikative Anbindung und die räumliche Nähe zu potentiellen Kunden.
In einer wachsenden Zahl von Städten unterliegt der Gebrauch von Trinkwasser insbesondere in regenarmen Zeiten Restriktionen. Die Wassernutzung für Kühlzwecke kann sogar auf nur einige Stunden beschränkt sein. Deshalb vermieden einige der befragten Datacenter-Betreiber Wasserkühlung, andere versuchen, den Wasserverbrauch zu senken, um der Regulierung zuvorzukommen.
Dazu kommt, dass in alten, mehrgeschossigen Gebäuden der Platz für Steigleitungen fehlen kann, was die Redundanzmöglichkeiten für Kühlsysteme verringert. Auch Lecks, durch die Wasser von oben nach unten fließt, können vorkommen.
Geräuschentwicklung und andere Emissionen
Pumpen, Kühltürme, Generatoren und anderes Equipment kann laut sein oder die Ästhetik des Gebäudes beeinträchtigen. Das ist in Innenstädten oft unerwünscht. Betreiber sind dann unter Umständen gezwungen, solche Strukturen im Gebäude-Inneren unterzubringen. Dadurch geht dann potentieller White Space verloren, was die Einkunftsmöglichkeiten beschränkt. Manchmal reichen auch zusätzliche Schallschutzmaßnahmen für Dachinstallationen. Sie kosten allerdings ebenfalls Geld.
Ebenfalls relevant sind Luftverschmutzung durch Dieselabgase oder die Gefahr, dass Diesel ausfließt. Hierfür gibt es jedoch erprobte Gegenmaßnahmen, da auch andere Gebäudetypen in Städten Notstrom-Dieselaggregate betreiben. Beispiele sind Tanks mit doppelten Wänden, Spritzschutz oder unterirdische Lagerung.
Auch dies alles kostet. In einigen Gegenden, hier im Moskauer Rechenzentrum, sind permanent laufende Dieselgeneratoren verboten. Gelegentlich werden Vorschriften hinsichtlich der Qualität des Dieselkraftstoffs erlassen.
Restriktionen und erhöhte Kosten durch die vorhandene Gebäudesubstanz
Dem (Um)Bauen vorgeschaltet ist ein oft langwieriges Genehmigungsprocedere, das durchaus mehrere Behörden einbeziehen kann. Dasselbe gilt für das nötige Verkehrsmanagement insbesondere in Zusammenhang mit der Lieferung von Großaggregaten, die eventuell Verkehrssperrungen brauchen. Gut ist es, wenn ein innerstädtisches RZ als kritische Infrastruktur ein gestuft wird, denn das bedeutet in der Regel eine Verkehrsgenehmigung, auch wenn andere Verkehrsteilnehmer die Straßen nicht benutzen dürfen.
Möglicherweise müssen für die Einrichtung des DC eingerissene Fassaden aus Denkmalschutz- oder anderen Gründen originalgetreu wieder errichtet werden. Oft sind die Gebäude auch für geringere Decken-Tragelasten ausgelegt, so dass die Tragfähigkeit verstärkt oder der Whitespace räumlich eingeschränkt werden muss. Das übliche Datacenter-Design muss sich dem gegebenenfalls anpassen.
Dichter Verkehr behindert Erreichbarkeit
Ein weiteres Problem ist die Verkehrsdichte während der Stoßzeiten. Schlimmstenfalls kann sie die Belegschaft daran hindern, rechtzeitig im Datacenter zu sein. Daher sind möglicherweise Personalüberkapazitäten oder andere Ausweichlösungen erforderlich, um dafür zu sorgen, dass immer ausreichend Personal zur Steuerung des Rechenzentrum verfügbar ist.
Je nach Gebäude kann es nötig sein, statt weniger große mehr kleinere Rechnerräume einzurichten. Das kann gerade für Co-Location-provider auch vorteilhaft sein, da sie ihren Kunden gegebenenfalls einen abgeschlossenen Raum bieten können. Es erhöht allerdings die Kosten für die Infrastruktur und weniger flexible Raumteilung.
Mehr, aber kleinere Räume
Alle befragten Rechenzentrumsbetreiber nutzen statische USV-Systeme mit N+1 oder 2N-Redundanz. Je nach räumlichen Verhältnissen sind auch hier gegebenenfalls mehrere, aber kleinere Räume nötig. Das ist ein Kostenfaktor. Aus Kostengründen (Tragelast, Spezial-Fahrstühle) befinden sich diese Räume meist im Erdgeschoss.
Die Erweiterung der Stromversorgung ist komplexer, denn neue Zuleitungen hängen unter Umständen von der städtischen Raumplanung ab. Strom wird so zur limitierenden Ressource für den Aufbau innerstädtischer Rechenzentren.
Geschlossene Umzäunungen sind in Innenstädten meist unmöglich. Das heißt, dass die Sicherheit im Gebäude verstärkt werden muss, etwa durch besonders widerstandsfähige Verglasung, Sicherheitsschleusen, Wachen oder Poller, um das Eindringen von Fahrzeugen zu verhindern.
Vorteile der Innenstadt
All diesen Kostenfaktoren stehen aber auch Vorteile gegenüber. So sind innerstädtische Datacenter meist gut ausgelastet und haben solvente Kunden, namentlich aus dem Finanzsektor. Auch die öffentliche Verwaltung oder der Einzelhandel sind meist langlebige, zahlungsfähige Kunden.
Punkten können die innerstädtischen Co-Location-Anbieter vor allem mit geringer Latenz und sehr guter Anbindung: Die Befragten hatten mindestens vier und bis zu Hunderten Anbindungen an Glasfaserverbindungen oder Carriernetze zu Verfügung. Günstigenfalls kann aus einem Co-Location-Rechenzentrum auch ein Carrierhub mit Zehntausenden Querverbindungen werden - ein attraktives Angebot für datenstarke Unternehmen und Carrier, die Transportgebühren sparen und die Latenzen minimieren wollen.
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