Unverwüstlicher Backup-Klassiker Tape – der wehrhafte Dinosaurier
Die Tape-Technologie ist zwar schon Jahrzehnte alt, gehört aber keinesfalls zum alten Eisen. Im Gegenteil ist in den vergangenen Jahren ein bemerkenswertes Comeback der Bandlaufwerke zu verzeichnen, befeuert einerseits durch die riesige Nachfrage der Cloud-Giganten und andererseits, weil es kein besseres Mittel als letzte Verteidigungslinie gegen Cyber-Kriminelle und Ransomware gibt.
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Tape ist tot – dieser Schlachtruf ertönt schon seit Erfindung der Festplatten aus vielerlei Mündern. Bewahrheitet hat er sich nie, und jetzt scheint es eher so, dass das Bandlaufwerk das Hard Disk Drive (HDD) überleben könnte.
Ein Blick zurück
Zunächst ein Blick in die ferne Vergangenheit. Bandlaufwerke sind fast genauso alt wie Computer. Als 1951 der erste kommerziell verfügbare Rechner „Univac I“ auf den Markt kam, hatte er schon einen Tape-Speicher namens „Universo I“. Audiomagnetbänder sind sogar noch älter und werden seit 1928 für Tonaufnahmen verwendet.
Lange Zeit gab es einen Konkurrenzkamp zwischen Tape und Lochkarten als bevorzugte Speichermedien für Rechnerdaten. Der Verfasser hat selbst noch 1981 mit Lochkarten gearbeitet. Wenige Jahre später verschwanden dann aber die Lochkarten zusehends in den Archiven. Bei den US-Präsidentschaftswahlen wurden sie allerdings noch bis 2012 eingesetzt.
Aber Mitte der 1980er war Tape nicht der einzige Profiteur vom Ende der Lochkarte. Vielmehr wuchs in dieser Zeit die Festplatte zum ernsten Rivalen heran. Die Technologie der Hard Disk reicht ebenfalls bis die 1950er, genau gesagt ins Jahr 1956 zurück.
Es dauerte aber mehr als 20 Jahre, bis sie massenmarkttauglich wurde. Seitdem begleitet uns die Rivalität zwischen Magnetband und HDD. Die niedrigen Kosten sprechen für Tape, die Geschwindigkeit spricht für die Festplatte.
Im Laufe der Jahre sank die Bedeutung von Bandlaufwerken im Storage-Bereich, und es gibt heute nur noch wenige Hersteller, die in diesem Segment aktiv sind. EMC, heute Dell Technologies, war der erste große Storage-Anbieter, der ausschließlich auf Festplatten setzte.
Mittlerweile sind Cloud, Flash und NVMe als neue und schlagzeilenträchtigen Alternativen für die Speicherinfrastruktur hinzugekommen, und Tape gilt mancherorts wenn nicht gleich als tot, so doch als unmodern. Das ist aber falsch und beruht oft auf ergrauten Erinnerungen an die Frühzeit der Tapes.
Tape wichtiger denn je für die Gefahrenabwehr
In Wirklichkeit sind Bandlaufwerke alles andere als veraltet. Gerade in den vergangenen beiden Jahren ist Tape unverzichtbarer Bestandteil einer Abwehrstrategie gegen Cyber-Kriminelle als letzte und undurchdringliche Verteidigungslinie geworden. Das hat einen ganz simplen Grund: Alles, was mit dem Netzwerk oder dem Internet verbunden ist, kann angegriffen werden, ein im Aktenschrank liegendes Magnetband, das offline ist, aber nicht.
Der Anglizismus dafür ist „Air Gap“. Dieses Luftloch steht für völlig isolierte Systeme, die für zuverlässigen Schutz sorgen, was offenkundig nur funktioniert, wenn sie auch isoliert bleiben. Besonders sicherheitsbewusste Unternehmen lagern ihre Bänder sogar in Atombunkern ein.
Einige Backup-Anbieter setzen auf elektrische Air Gaps, die aber auch überwindbar sind. Fast vollständige Sicherheit bieten laut W. Curtis Preston, Analyst bei Storage Switzerland, nur physische Air Gaps, also Tape.
Denn trotz aller Sicherheitslösungen: Irgendwann und irgendwo schlagen Hacker zu. Meist versuchen sie dann Lösegeld (englisch ransom) zu erpressen, indem sie Daten verschlüsseln und nur gegen eine Zahlung in Bitcoins oder anderen Kryptowährungen wieder entschlüsseln.
Der größte Fehler, den ein durch eine Ransomware-Attacke angegriffenes Unternehmen machen kann, ist, das geforderte Lösegeld zu bezahlen, denn erstens kommen erfolgreiche Erpresser wieder, und zweitens finanziert es damit Kriminelle. Verständigen Sie stattdessen die Sicherheitsbehörden und greifen Sie auf ein Backup zurück, das garantiert nicht verseucht ist.
Das heißt für Administratoren: Setzen Sie auf den Medienbruch und die Verteidigung in der Tiefe. Keine wirklich belastbare Backup-und-Disaster-Recovery-Strategie funktioniert ohne Tape. Bewährt hat sich die Backup-Strategie 3-2-1: Mindestens drei Backups auf zwei verschiedenen Medien und eines davon an einem anderen Ort, also off-site.
Bei diesen beiden unterschiedlichen Medientypen wird zusehends die Kombination „Flape“, also Flash und Tape, populärer. Aktuelle Daten, auf die häufig zugegriffen wird, werden auf Flash gespeichert, während ältere und selten genutzte Daten auf Bandlaufwerke ausgelagert werden.
Josef Weingand, Business Development Leader, Storage Platform, IBM DACH, erläutert: „Tape ist die zuverlässige Last Line of Defense. Das haben zahlreiche DAX-Konzerne und mittelständische Unternehmen mittlerweile erkannt und setzen auf unsere Lösungen.“
Cloud-Service-Provider setzen auf Tape
Das ist ein wichtiger Grund, warum alle Cloud-Giganten strategisch auf Tape setzen: Ben Treynor, Vice President Engineering Google, bestätigt die Effektivität dieser letzten Verteidigungslinie aus eigener Erfahrung: „In seltenen Fällen verursachen ungewöhnliche Software-Bugs Schäden auf verschiedene Datenkopien. Um Ihre Informationen vor diesen Bugs zu schützen, verwenden wir Backups auf Tape. Weil die Bänder offline sind, sind sie vor solchen Software-Bugs geschützt.“
Dass auch Azure sich in großem Maße auf Tape-Backup stützt, bestätigt Aaron Ogus, Partner Architect bei Microsoft. Ähnlich verhält es sich bei Amazon Web Services, Facebook und anderen großen Cloud-Service-Providern. „Die großen Provider haben die Situation sorgfältig analysiert und festgestellt, dass Tape das kostengünstigste Speichermedium ist, was durch Hands-off-Operations und selbstheilende Technologien noch verstärkt wird. Die ganze Tape-Branche hat von dieser strategischen Entscheidung stark profitiert“, erklärt Mark Pastor, Director, Product and Solution Marketing bei Quantum.
Kostengünstig und robust
Tape ist deutlich preisgünstiger als andere Storage-Optionen, wenn es um einen großen Bedarf an Speicherplatz geht. Zudem sind die Stromkosten konkurrenzlos. Laut Aaron Ogus kostet Flash im Jahr 2020 pro Gigabyte Speicherplatz 71 Cent, Festplatten 5 Cent und Tape 0,013 Cent.
Für die Bandlaufwerke spricht auch ihre außerordentliche Robustheit: In einer RAID-5-Konfiguration kommt es bei Festplatten durchschnittlich nach zweieinhalb Jahren zu Datenverlusten, bei Tape erst nach 62 Jahren. Eine Read-after-Write-Verification stellt die Konsistenz eines Backups sicher.
Die durchschnittliche Lebensdauer der Medien beträgt bei Festplatten fünf Jahre, bei Bändern mindestens 30 Jahre. Auch widrige äußere Bedingungen hält Tape besser aus als HDDs und übersteht eine Feuchtigkeitsbandbreite von 5 bis 90 Prozent (Festplatten 20 bis 50 Prozent).
Tatsächlich wird die Speicherkapazität von Bandlaufwerken auch in Zukunft unübertroffen bleiben. Ein Forschungsteam von IBM in Rüschlikon in der Schweiz hat das Projekt einer Cartridge mit 330 Terabyte Kapazität vorgestellt.
Und auch auf künftige Probleme, die sich im Moment noch gar nicht stellen, hat IBM Research bereits eine Antwort gefunden. Es gibt die Befürchtung, dass Quantencomputer mit ihrer immensen Rechenleistung alle Verschlüsselungsmechanismen aushebeln werden. Wie Mark Lantz, Manager Advanced Tape Technologies at IBM Research in Rüschlikon berichtet, hat Big Blue einen Prototyp eines „IBM Quantum Computing-safe Tape Drive“ entwickelt, der auf dem aktuellen „IBM TS1160“ Tape Drive aufbaut und damit die Sicherheit von Verschlüsselungen auch im Quantenzeitalter gewährleistet. Das IBM TS1160 ist aktuell das Flaggschiff von Big Blue und nutzt ein proprietäres Format, das einen Speicherplatz von 20 Terabyte (TB) pro Band bietet und besonders für Mainframes geeignet ist.
LTO 8 ist wieder da
Die meisten anderen Tape-Produkte nutzen aber das offene Format Linear Tape Open (LTO). Aktuell ist die Version LTO 8 mit einer Kapazität von 12 TB pro Band (30 TB mit Kompression). Deren Einführung hat sich aber um mehr als ein Jahr durch einen Patentstreit zwischen den einzigen Herstellern Fujifilm und Sony verzögert, die sich glücklicherweise aber im August 2019 gütlich geeinigt haben. Die großen Tape-Anbieter IBM, Quantum und HPE begrüßten die Beilegung des Streits ausdrücklich.
„Wir haben noch im August den Backlog eingegangener Bestellungen abgearbeitet und waren schon im September in der Lage, Neukunden zu beliefern“, berichtet Weingand. LTO-8-Bänder sind mit dem neuen Medientyp Type M um die Hälfte kostengünstiger pro TB als der Vorgänger LTO 7. Allerdings können auch ältere Medien eingesetzt werden. LTO-Laufwerke sind in Regel zwei Generationen abwärtskompatibel.
Das Einstiegsangebot von „Quantum Scalar i3“ ist auf die Bedürfnisse mittelständischer Unternehmen zugeschnitten und bietet in der Basiskonfiguration auf drei Höheneinheiten mit LTO 8 einen Speicherplatz von 750 TB. Ein Ausbau bis zu 12 Petabyte (PB) ist möglich. Quantum bietet das Management als Managed Service an, um Administratoren zu entlasten.
Das Angebot von HPE für den Mittelstand sind die „HPE-Storever-LTO-8-30750-Ultrium“-Bandlaufwerke mit bis zu 30 TB komprimierter Kapazität pro Einzelkassette.
Für kleine und mittlere Unternehmen ist der „IBM TS2900“ Tape Autoloader geeignet, der sich Web-basiert verwalten lässt und auf einer Höheneinheit Platz für neun Cartridges bietet.
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