150 Jahre Transatlantikkabel Die Leitung, die erstmals die Welt verband
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Was vormals Wochen dauern konnte, verkürzte sich auf wenige Stunden: Vor 150 Jahren, am 28. Juli 1866, nahm die erste beständige Telegrafenleitung zwischen Amerika und Europa ihren Betrieb auf. Die Ära der elektronischen Kommunikation rückte die Kontinente schlagartig näher zusammen.

Anfang des 19. Jahrhunderts läutete der Erfinder Samuel Morse die Ära der elektronischen Kommunikation ein: Am 4. September 1837 führte er erstmals einen aus Draht, Blech und einem ausgeschlachteten Uhrwerk gefertigten Morse-Apparat vor. Innerhalb weniger Jahre sollte seine Erfindung die Nachrichtentechnik revolutionieren: 1844 werden die ersten kommerziellen Telegrafenleitungen in den USA in Betrieb genommen, kurze Zeit später kommt die Technologie auch in Europa zum Einsatz.
Für aufstrebende Nationen wie die USA oder Weltreiche wie das britische Empire weckt diese Entwicklung starke Hoffnungen. Denn die Kommunikation zwischen den Kontinenten gestaltet sich Mitte des 19. Jahrhunderts weiterhin als schwierig: Selbst die schnellsten Dampfschiffe benötigen noch mehr als eine Woche, um die Distanz über den Atlantik von Europa nach Amerika zu überbrücken. 1856 stellt die 3600 PS starke „Persia“ einen Rekord auf, als sie die Strecke in neun Tagen zurücklegt.
Angesichts dessen fasste der amerikanische Unternehmer Cyrus W. Field einen ambitionierten Entschluss: Ein Telegrafenkabel soll die Westküste Irlands und das nordamerikanische Neufundland miteinander verbinden und somit erstmals eine direkte Kommunikationslinie zwischen Amerika und England schaffen. Möglich wurde dies, unter anderem, durch eine Siemens-Erfindung: Mit der 1847 durch Werner von Siemens entwickelten Guttaperchapresse wurde es möglich, Kupferkabel nahtlos zu isolieren, so dass sie auch unter Wasser eingesetzt werden konnten. Mit einer eigens gegründeten Firma wagt sich Field ab 1856 an den Versuch, die 1800 Seemeilen zwischen den Kontinenten mit einem Kabel zu verknüpfen.
Ein Versuch, der viele teure Anläufe benötigt: Beim ersten Start bricht das Kabel bereits kurze Zeit, nachdem das Schiff vom westirischen Valentia ablegt, erstmals. Beim nächsten Start geht die Leitung nur wenige Tage nach Ablegen des Schiffes unwiederbringlich unter Wasser verloren. Der Schaden, den die Crew mit jedem Fehlschlag verursacht, liegt bei 200.000 britischen Pfund – mehrere Millionen Euro nach heutigen Maßstäben.
Das erste Kabel verschmort
1858 gelingt es erstmals, eine komplette Verbindung herzustellen. Doch die Leitung hat nur etwa drei Wochen Bestand. Grund hierfür war ein technologisches Missverständnis. Mit der ersten Verbindung benötigte eine 103 Wörter lange Nachricht Botschaft der britischen Königin an den US-Präsidenten geschlagene 16 Stunden. Da man fälschlicherweise davon ausging, die Signalqualität könnte mit einer höheren Stromstärke verbessert werden, erhöhte einer der verantwortlichen Chefingenieure die Voltzahlen bei der Übertragung – und hinterließ damit ein durchgebranntes, unbrauchbares Kabel.
Somit muss das Projekt nachmals von Neuem angegangen werden. Zwischen 1861 und 1865 kamen die Unternehmungen zwischenzeitlich komplett zum Erliegen – Schuld war der amerikanische Bürgerkrieg. Am 15. Juli 1865 startet Field einer neuen Firma und dem mit 4300 Kilometer Leitung ausgestatteten Kabelschiff SS Great Eastern einen weiteren Anlauf – und scheitert erneut, als das Kabel zwei Wochen später beim Verlegen bricht und in den Tiefen des Atlantik verloren geht. Field gibt allerdings nicht auf, sichert die Finanzierung für ein neues Unternehmen – die Anglo-American Telegraph Company – und startet von vorn.
Der Beginn eines neuen Kommunikationszeitalters
Im folgenden Jahr ist es soweit: Vom 13. bis zum 27. Juli 1866 verlegt die SS Great Eastern erfolgreich ein Telegrafenkabel von England nach Amerika. Am nächsten Tag, dem 28. Juli 1866, nimmt die erste beständige Kommunikationsleitung zwischen den Kontinenten ihre Verbindung auf.
Eine der ersten Nachrichten, die der Chefredakteur der englischen Zeitung Times an seine Kollegen in den USA schreibt, meldet den erst kürzlich verkündeten Frieden zwischen Österreich und Preußen – eine Nachricht, die zuvor mehr als eine Woche gebraucht hätte, überquert den Atlantik auf elektronischem Weg innerhalb weniger Stunden.
Ein neues Kommunikationszeitalter bricht an. Nur wenige Jahre später vernetzen Telegrafenleitung praktisch die gesamte Welt. 1869 gehen durch das Atlantikkabel zunächst nur 321 Nachrichten pro Woche, doch technische Neuerungen und zusätzliche Leitungen sollten diese Zahl schnell erhöhen. Um 1900 durchziehen allein zwölf Seekabel den Atlantik – sechs davon legte alleine das Siemens-Kabelschiff „Faraday“.
Technische Neuerungen wie Duplex- und später Quadruplex-Telegrafie erlauben das gleichzeitige Versenden von zwei oder vier Nachrichten von beiden Enden des Kabels. 1903 verarbeitet die Atlantikverbindung bereits rund 10.000 Nachrichten täglich. Etwa 406.000 Kilometer Seekabel umspannen damals den Globus.
Allerdings: Nicht jeder ist vollauf von dem schnellen Nachrichtendienst begeistert. Da lange Nachrichten teuer sind – eine zehn Worte lange Nachricht von England nach Amerika kostete Anfangs in heutige Maßstäbe umgerechnet etwa 2600 Dollar – kommunizieren die Menschen per Telegraf meist in der knappen Telegramm-Form. Abkürzungen und knappe, abgehackte Floskeln bestimmen diese Art des Nachrichtenverkehrs.
Ähnlich wie seinerzeit die SMS oder wie Twitter heutzutage musste sich dadurch der Telegraf weltweit den Vorwurf gefallen lassen, Grammatik, Sprachstil und gepflegte Konversationen nachhaltig zu verderben. „Die Kunst des Briefeschreibens stirbt bald aus,“ klagte bereits 1871 die britische Zeitschrift The Sunday Magazine. „Wir feuern nur noch eine Vielzahl rascher und kurzer Notizen ab, anstatt uns hinzusetzen, um eine vernünftige Unterhaltung auf einem echten Blatt Papier zu führen.“
Zwar hat die Telegrafie heutzutage ausgedient – das letzte offizielle, drahtgebundene Telegramm wurde im Sommer 2013 über das staatliche indische Netzwerk Bharat Sanchar Nigam, Ltd. verschickt. Satelliten und Glasfaserleitungen vernetzen heute die Welt.
Doch die kabelgebundene Kommunikation ist auch heute noch von großer Bedeutung für Kommerz, Politik und Welthandel: Mehr als 90 Prozent des Internetverkehrs laufen über die Verbindungen am Boden der Weltmeere. Im August diesen Jahres wollen Facebook und Microsoft gemeinsam eine neue Glasfaserleitung von Virginia Beach, USA, ins spanische Bilbao legen. Anders als die ersten Kupferkabel bleibt die Bedeutung der Atlantikleitungen somit weiterhin ungebrochen.
Hinweis:Der Artikel erschien im Original im Portal der „Elektronik Praxis“.
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