Jagd auf junge Talente IBM fahndet mit KI nach Fachkräften

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Dietmar Müller |

Der Fachkräftemangel in der Rechenzentrumsbranche hat nicht nachgelassen, eher im Gegenteil. So mancher potentielle Arbeitgeber schlägt daher neue Wege der Rekrutierung ein. IBM etwa setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um neue Talente zu gewinnen. Und der Eco-Verband gibt Tipps.

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Der Fachkräftemangel in der Rechenzentrumsbranche hat nicht nachgelassen, eher im Gegenteil.
Der Fachkräftemangel in der Rechenzentrumsbranche hat nicht nachgelassen, eher im Gegenteil.
(Bild: gemeinfrei / CC0 )

Eine Bitkom-Studie vom Ende des vergangenen Jahres wies für Deutschland 55.000 offene Stellen für IT-Spezialisten aus. Dieses Jahr hat sich die Situation bestimmt nicht verbessert. „In Deutschland wird es immer schwieriger, die dringend benötigten IT-Spezialisten zu finden“, so Bitkom-Präsident Achim Berg.

DataCenter-Insider hatte Anfang des Jahres eine eigene Umfrage initiiert, die die Tiefe des Fachkräftemangels in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausloten sollte. Konkret wurden die Teilnehmer nach den „richtigen Qualifikationen für Rechenzentren“ gefragt. Dabei wurde klar, dass Entwickler die am wenigsten für Rechenzentren nachgefragte Personengruppe ist, lediglich 19 Prozent der befragten Rechenzentrumsleister gaben hierfür einen Mangel an. Zu 84 Prozent wurden jedoch Netzwerker gesucht, noch vor den Systemadministratoren mit 78 Prozent, Security-Spezialisten und Experten für das Software Defined DC beziehungsweise für die Virtualisierung brachten es auf 69 Prozent, Mitarbeiter für Support und Hotline wurden von 31 Prozent nachgefragt.

IBM nutzt KI zur Fachkräftesuche

Nun versuchen verschiedene Unternehmen neue Wege der Rekrutierung. IBM hat zum Beispiel kürzlich „Talent & Transformation“ ins Leben gerufen. Das neue Angebot setzt auf Künstliche Intelligenz (KI), um neue Talente zu gewinnen. Es umfasst sowohl Trainingseinheiten zum Thema KI als auch KI-gestützte Lösungen, die den HR-Abteilungen helfen sollen, Mitarbeiter auf die Zukunft vorzubereiten.

„Erkenntnisse und Entscheidungen aus Daten zu ziehen, neue Produkte und Services zu entwickeln und neue Märkte zu erschließen, erfordert mehr, als nur die Qualifikationen der Mitarbeiter zu ändern“, so Mark Foster, Senior Vice President IBM Global Business Services. „Wir bei IBM glauben daran, dass es bei der digitalen Transformation einer Belegschaft, die in der Ära von KI und Automation konkurrenzfähig ist, genauso auf Unternehmenskultur und Fachwissen wie auf Technologie ankommt.“

Die neuen KI-Tools und Trainingsinitiativen wurden auf Basis von Methoden entwickelt, die IBM selbst für die Transformation der eigenen Belegschaft anwendet. Die Services nutzen die Möglichkeiten von KI beispielsweise in Form von personalisierten Schulungsangeboten, um Mitarbeiter bei der Weiterentwicklung im Unternehmen zu unterstützten. Personalabteilungen können außerdem Abwanderungstendenzen messen und diesen mit individuellen Maßnahmen proaktiv entgegenwirken.

Sentiment-Analysen

Sentiment-Analysen sollen dabei helfen, Anliegen der Mitarbeiter zu erkennen. Zudem zeigen die Tools, wenn eine Stellenausschreibung nicht alle Bewerber gleichermaßen anspricht und Potenziale nicht nutzt, beispielsweise aufgrund geschlechtsspezifischer Formulierungen. So können Recruitment-Bemühungen effektiv unterstützt werden.

Nach Angaben von IBM haben diese Tools im eigenen Unternehmen mehr als 300 Millionen Dollar eingespart, 107 Millionen Dollar allein 2017. Besondere Erfolge seien die verbesserte Qualität der Bewerberinnen und Bewerber, außerdem habe die Zufriedenheit und Motivation von Mitarbeitern und Managern gesteigert werden können.

Das Angebot richtet sich an verschiedenste Rollen und Funktionsbereiche im Unternehmen – vom Manager über den Senior Executive, von der Personalabteilung bis hin zu Marketing oder Buchhaltung. Es umfasst Themen wie Deep Learning, Frameworks für maschinelles Lernen, Algorithmen-Einsatz, Open-Source-Technologien und Datenvisualisierung. Das Programm dient dazu, dass Unternehmen ihre Entscheidungen künftig auf Daten und nicht auf das Bauchgefühl allein stützen.

Verschiedene Lösungen auf Watson-Basis

Um die richtigen Talente zu finden arbeitet IBM Talent & Transformation auch mit Unternehmen wie Citizens Financial Group Inc und Ernst & Young LLP zusammen, um IBM-Watson-Talent-Applikationen einzusetzen. Die folgenden Anwendungen wurden von Experten aus den Bereichen Verhaltensforschung, KI und Organisations-Psychologie entwickelt:

  • „Watson Recruitment“ – Analysiert die Historie der Unternehmensbelegschaft und externe Quellen, um Kerneigenschaften für Erfolg in den verschiedenen Rollen zu definieren. Mit Hilfe der KI-gestützten Funktionen werden anschließend die passendsten Kandidaten ermittelt.
  • Watson Candidate Assisant – Interagiert als interaktive KI im Dialog mit dem Jobsuchenden und durchsucht die Lebensläufe, Erwartungen, Wünsche und Beschreibungen der Interessenten hinsichtlich Ausbildung und Qualifikationen und schlägt die passendsten Stellenangebote vor.
  • „Watson Career Coach“ – Dieser virtuelle Coach erfasst den bisherigen Werdegang des Mitarbeiters und zeigt ihm aktuelle offene Stellen, Entwicklungsmöglichkeiten durch Schulungsangebote oder mögliche Karrierepfade auf.
  • „Watson Talent Frameworks“ – Definiert die Kompetenzen und Fähigkeiten, die heute für eine erfolgreiche Talent-Strategie benötigt werden, zugeschnitten auf die spezifische Industrie, in der das Unternehmen tätig ist.
  • „Adverse Impact Analysis“ (AIA) – Dieses Feature analysiert mit Hilfe von KI die Daten eines Unternehmens, um zu prüfen, ob es in der Vergangenheit voreingenommene Entscheidungen, etwa aufgrund von Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung oder bisherigen Arbeitgebern, getroffen hat, was es in Zukunft zu vermeiden gilt.

Um den Wandel zu vereinfachen, können Unternehmen die „IBM Garage“ nutzen. Dort arbeiten Unternehmensvertreter zusammen mit IBM-Experten, um neue Ideen zu generieren, schnell zu testen und je nach Ergebnis weiter zu verfolgen. Die IBM Garage ist als „Unterbrechung“ und Reflektion und Reaktion vom Alltag designt – Silos und Grenzen sind aufgehoben und die Teilnehmer werden dazu ermutigt, Neues zu probieren. Unternehmen wie Ford Motor Company oder Travelport nutzen bereits die Garage.

Der Eco-Verband versteht die Generationen Y und Z

Wer lieber auf traditionelle Wege der Personalsuche setzt, für den haben der Eco-Verband und Young Targets sieben Tipp parat, wie sie erfolgreich IT-Talente aus der Generation Y und Z gewinnen können: „Wichtig ist es für Unternehmen, authentisch aufzutreten und die vielfältigen Kriterien zu berücksichtigen, die junge Talente ihrer Berufsentscheidung zugrunde legen“, so Lucia Falkenberg, Leiterin der Kompetenzgruppe New Work und Chief People Officer (CPO) im Eco – Verband der Internetwirtschaft e. V.: „Bewerber möchten einen umfassenden Eindruck gewinnen“, ergänzt Lutz Leichsenring, Geschäftsführer der Recruiting-Agentur Young Targets. „Recruiting-Events bieten beiden Seiten die Chance zu prüfen, ob der neue Job auch fachlich, emotional und ideell passt.“

Sieben konkrete Tipps für das Recruiting von Eco:

1. IT-Talente verstehen

„Die Generationen Y und Z sind für Recruiter eine Herausforderung: Sie wollen Karriere machen, die Welt bereisen, sich sozial engagieren, Freunde und Familie nicht vernachlässigen und idealerweise auch noch ‚die Welt retten‘. Sie wünschen sich agiles Arbeiten in kleinen Teams, flache Hierarchien und eine fachlich spannende Aufgabe.“

2. IT-Talente anziehen

„IT-Talente sind neugierig. Sie wollen im Recruiting-Prozess erfahren, welche Aufgaben sie beim neuen Arbeitgeber erwartet. Im besten Fall werden sie das Gefühl entwickeln, mit Kultur und Zielen des Unternehmens zu harmonieren. Um IT-Talente erfolgreich anzuziehen und zu begeistern, empfiehlt es sich, in einem Employer-Branding-Projekt eine Image-wirksame Arbeitgebermarke zu entwickeln.“

3. Arbeitgebermarke werden

„Wie wird ein Unternehmen vom Arbeitgeber zu einer modernen Arbeitgebermarke? Ein professioneller Prozess gibt Orientierung, indem er Werte und Stärken erarbeitet, die das eigene Bild vom Wettbewerb abhebt. Danach gilt es, diese Marke dort zu platzieren, wo sich die Bewerber-Zielgruppe trifft.“

4. Authentische und informative Ansprache

„Videos, Testimonials und persönliche Ansprechpartner geben authentische Einblicke in den Arbeitsalltag und verbinden Informationen über die Branche mit spannenden Fachthemen. Bewerber wünschen sich Offenheit und Transparenz hinsichtlich der Vor- und Nachteile eines Arbeitsplatzes oder einer konkreten Tätigkeit. Nicht nur der Bewerber bewirbt sich beim Unternehmen, sondern genauso das Unternehmen beim Kandidaten.“

5. An den richtigen Orten präsent sein

„Unternehmen sollten sich dort ins Gespräch bringen, wo sich die gewünschten Talente aufhalten und zielgruppennah auftreten, beispielsweise auf dem Hochschulgelände. Auch in sozialen Medien wie Xing und Linkedin, Blogs und Foren und allen anderen Online-Kanälen, die die Zielgruppe intensiv nutzen, sollten Firmen Präsenz zeigen.“

6. Unternehmenskultur als Produktivitätsfaktor

„Talente möchten wissen, wie ihr zukünftiger Berufsalltag aussieht und wer die Köpfe hinter dem Unternehmen sind. Wer Sympathiepunkte bei jungen Talenten sammelt, der gewinnt Unterstützer für eine optimale Image-förderliche Positionierung als Arbeitgeber: Als Multiplikatoren in ihren analogen und digitalen Netzwerken und als Markenbotschafter.“

7. Win-Win Situation im persönlichen Kontakt, zum Beispiel bei Recruiting Events

„Ein gutes Beispiel sind Recruiting-Events, die bei jungen Talenten hoch im Kurs stehen, weil sie die Möglichkeit bieten, Arbeitgeber und mögliche Vorgesetzte persönlich kennen zu lernen. Bei der GenY können Arbeitgeber davon ausgehen, dass die Besucher ihrer Events schon eigene Vorstellungen und auch Vergleichswerte mitbringen, wenn sie sich für ein Unternehmen interessieren. Besonders erfolgsversprechend sind derartige Events, wenn sie sich in unkonventionellen Formaten an den Interessen ihrer Zielgruppe orientieren, Programmierer beispielsweise zur Code-Schnitzeljagd oder zum Scrum-Grillen einladen.“

Zu Bedenken gilt, dass Deutschland der drittgrößte Rechenzentrumsmarkt der Welt ist, die Mehrzahl der Datacenter-Betreiber findet nicht genügend Personal. In einem ausführlichen eBook hat Datacenter-Insider die Gründe dafür ausgelotet und nach Exit-Strategien gefahndet.

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