Kritik der Branchenverbände am EnEfG Das Energieeffizienzgesetz und die Rechenzentren

Von Ulrike Ostler |

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Der Energieverbrauch in Deutschland soll bis 2045 um 45 Prozent sinken und die Energieversorger müssen über Effizienzangebote von Drittanbietern informieren, so etwas sieht das Energieeffizienzgesetz (EnEfG) der Bundesregierung vor, das nun im Entwurf vorliegt. Auch die Datacenter stehen in der Pflicht. Alle Branchenverbände laufen Sturm - alle?

Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes sorgt für Aufregung, Befürchtungen und Warnungen
Der Entwurf des Energieeffizienzgesetzes sorgt für Aufregung, Befürchtungen und Warnungen
(Bild: gemeinfrei: Gerd Altmann / Pixabay)

Der Referentenentwurf sieht vor, dass Rechenzentren ab Januar 2024 ihren Energiebedarf zu 50 Prozent mit ungefördertem Strom aus erneuerbaren Energien decken müssen, ab Januar 2025 zu 100 Prozent. Datacenter, die ihren Betrieb ab Januar 2025 aufnehmen, sollen einen PUE-Wert ( PUE = Power Usage Effectiveness) von mindestens 1,3 - den Wert schlägt übrigens auch der freiwillige Datacenter-Pakt der Rechenzentrumsbetreiber und Cloud-Provider vor - und einen Nutzungsgrad von mindestens 30 Prozent sowie ab 2027 von 40 Prozent oder mehr nachweisen können.

Außerdem müssen Rechenzentrumsbetreiber etwa ab einer Gesamtanschlussleistung von mehr als einem Megawatt ein Energie- oder Umwelt-Management-System einführen. Dazu kommt der Aufbau eines Datacenter-Registers, in dem die Effizienzkennzahlen öffentlich einsehbar sind, wie schon im so genannten Sofortprogramm angekündigt (siehe: „ Jetzt wird es ernst; Umweltgesetze für deutsche und französische Rechenzentren “)

Ein höherer Effizienzgrad bedeutet unter anderem aber auch die Anhebung des Temperaturniveaus. So sieht das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ab 2024 für Datacenter-Neubauten bei Luftkühlung eine minimale Kühllufteintrittstemperatur von 24 Grad vor, ab 2028 soll diese bei 27 Grad liegen - auch in Bestandsrechenzentren.

DENFF: Ein verbindlicher, rechtlicher Rahmen

Der Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. (DENEFF) fordert wie weitere Verbände, seit Jahren ein eigenständiges Energieeffizienzgesetz. Die aktuelle Energiepreiskrise und anhaltend hohe Importabhängigkeit von fossilen Energien verdeutlichten, dass hier ein Paradigmenwechsel überfällig sei, heißt es in einem am 30. September veröffentlichten Papier.

Und weiter: „Mit einem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) könnte erstmals ein kohärenter, zielorientierter rechtlicher Rahmen für Energieeinsparungen durch strukturelle Energieeffizienzinvestitionen sowie verbindliche Maßnahmen zur Senkung des Endenergieverbrauchs gesetzt werden.“ Ein solcher Rahmen „ist auch Voraussetzung für stabile Fördermechanismen, Investitionssicherheit und den Aufbau von Umsetzungskapazitäten.“

Das gelte insbesondere auch für die Datacenter: Über das EnEfG könnten erstmals Energie-Effizienz und Abwärme-Anforderungen (Energy Reuse Factor - ERF) für Rechenzentren definiert werden. Der Verband fordert, dass diese Anforderungen für alle Rechenzentren gelten müssen – öffentliche wie private – und sich an den heute wirtschaftlichen und technologisch besten Lösungen (Top-Runner) orientieren.

Der Schmerzpunkt

Die im Entwurf formulierten generellen Ziele orientierten sich noch an dem Niveau, das die EU-Kommission im Herbst des vergangenen Jahres mit einem Entwurf zur Novelle der Energieeffizienzrichtlinie angekündigt hatte. Dieses Niveau hatte die Kommission allerdings mit Blick auf die Energiekrise diesen Sommer bereits erhöht.

Der Verband wünscht sich eine deutlichere „Vorbildrolle in Europa“ einzunehmen. Das bedeute für Deutschland, den Verbrauch von Endenergieträgern wie Gas, Strom, Öl und Benzin bis 2030 um etwa 30 Prozent und den Gesamtenergieverbrauch um mindestens 40 Prozent gegenüber 2008 zu senken. Christian Noll, geschäftsführender Vorstand der DENEFF, äußert: „Die Bundesregierung muss den Ankündigungen von Bundeskanzler Scholz folgend ein tatsächlich ausreichend ambitioniertes Gesetz vorlegen.“

Nutzung der Abwärme

In Bezug auf die Nachnutzung von der Wärme, die im Rechenzentrum erzeugt wird, erwartet der Verband, dass die Nutzung von Abwärme für Fernwärmenetze oder andere Nutzungsarten Teil der Definition nachhaltiger Rechenzentren sein soll: „Für die Abwärmenutzung sollten Rechenzentrenbetreiber dabei zur technischen Nutzbarmachung (Auskoppelbarkeit) dieser Potenziale verpflichtet werden und dazu, die Bereitschaft des lokalen Wärmenetzbetreibers zur Aufnahme der Abwärme oder anderer ortsnaher Wärmesenken zu prüfen und umgekehrt angrenzende Netzbetreiber verpflichtet werden, die Aufnahme vorhandener Abwärme zu fairen Preisen zu ermöglichen.“

Dafür aber reicht ein Rechenzentrumsregister nicht. Es brauche ein öffentlich zugängliches Wärmekataster mit Informationen zu verfügbaren Abwärme-Angeboten und Abwärmenutzungsmöglichkeiten, um die Voraussetzungen für die optimale Wärmenutzung zu schaffen.

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Darüber hinaus sieht der Verband die Energieversorger beziehungsweise die Wärmenetzbetreiber in der Pflicht. Allerdings sperren die sich häufig. In dem DENEFF-Papier heißt es: Da „heute nicht alle Wärmenetzbetreiber aufgeschlossen für die Einbindung von Abwärme in ihren Wärmenetzen sind, empfehlen wir einen Einspeisevorrang für klimaneutrale Wärmequellen wie der Abwärme gegenüber fossiler Wärme.“ Für Kommunen mit mehr als 35.000 Einwohnern müsse der Einbezug in die Wärmeplanung verpflichtend werden. „Teil dieser Wärmeplanung muss es sein, die Abwärmenutzung und Niedertemperaturbereitschaft zum Standard zu machen.“

Der Eco-Verband moniert

Doch das ist ein Problem. In Deutschland gibt es viel zu wenig Netze dieser Art. So hält der unter dem Dach vom Eco – Verband der Internetwirtschaft e.V. gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen in Deutschland die Reglen im Referentenentwurf schlichtweg für „unrelistisch“, weil „technisch und betriebswirtschaftlich nicht umsetzbar“.

Eco-Geschäftsführer Alexander Rabe, äußert: „Der aktuelle Gesetzentwurf ist nicht zu Ende gedacht.“ Es fehle nicht an der Bereitschaft der Rechenzentrenbetreiber, Abwärme abzugeben, aber sehr wohl, an politischen Rahmenbedingungen, um einen Markt der Abnehmer zu etablieren.

In einem ersten Schritt müssten daher beispielsweise städtische Energieversorgungsunternehmen zu einer Abnahme verpflichtet werden. Zudem brauche es einen deutlich bessere Zugänge zu den Wärmenetzen und Einspeisemöglichkeiten. „Was soll es bringen, wenn Rechenzentrenbetreiber ihre Datacenter kostenintensiv perfekt auf Abwärmegewinnung umrüsten, und dann niemand da ist, um die gewonnene Abwärme auch abzunehmen und dem Markt zur Verfügung zu stellen?“

Das Potenzial indes sei gegeben. In der Datacenter-Metropole Frankfurt am Main mit mehr als 60 Datacenter könnten bis 2030 rein rechnerisch sämtliche Wohn- und Büroräume durch die Abwärmenutzung eine klimaneutrale Wärmezufuhr erhalten.

Der Branchensprecher vergisst nicht zu erwähnen, dass zudem die Abwärmenutzung von Rechenzentren wirtschaftlich deutlich attraktiver gestaltet werden müsste.

Sein Fazit: „Das Energieeffizienzgesetz steuert daher eindeutig in die falsche Richtung für den Digitalstandort Deutschland.“

GDA: Die Digitalstrategie ist gefährdet

Der German Datacenter Association e.V. (GDA) haut in dieselbe Kerbe. Grundsätzlich befürworte Der Verein die Pläne der Bundesregierung, einen rechtlichen Rahmen zur Steigerung der Energie-Effizienz in Rechenzentren zu schaffen. Doch die Vorgaben seien „schlicht nicht umsetzbar“.

Die GDA-Vorstandsvorsitzende Anna Klaft warnst gar: Rechenzentren sind das Fundament der Digitalisierung. Sollte das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden, wird der Bau neuer Rechenzentren unmöglich. Und damit ist die erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie der Bundesregierung in Gefahr.“

Insbesondere bemängelt sie das Kosett aus „starren Prozentwerten bei der verpflichtenden Abwärmenutzung oder eine pauschale PUE-Vorgabe“. Ein Problem bei letzterem ist etwa die Auslastung der IT-Systeme. Auf diese aber hätten Co-Location-Betreiber keinen Einfluss, da diese Sache der Kundschaft sei. Aber 2020 hätten Co-Location-Rechenzentren 40 Prozent der Rechenzentrumskapazität in Deutschland ausgemacht.

Klaft sagt: Voraussetzung für einen PUE-Wert von 1.3 „ist allerdings eine Auslastung der IT-Systeme von mindestens 30 Prozent, besser 50 Prozent - darauf haben Co-Location-Anbieter allerdings keinen Einfluss.“

Verpflichtende Abwärmeabgabe nur in Verbindung mit Abnahmeverpflichtung

Auch sie hält darüber hinaus die verpflichtende Abwärmenutzung von 30, 40 Prozent, wie sie der EnEfG-Entwurf vorsieht, als unrealistisch an. Das liege weniger an der Motivation der Rechenzentrumsbetreiber, sondern scheitere an technischen Hemmnissen und der Wirtschaftlichkeit aktueller Lösungen:

Die Abwärme aus Rechenzentren sei mit 25 bis 35 Grad zu niedrig für die jetzigen Fernwärmenetze, müsse also mit Wärmepumpen aufgeheizt werden. „Die Verpflichtungen sollten sich weniger an die Rechenzentrumsbranche richten, sondern Energieversorger beispielsweise mit einer Abnahmeverpflichtung in den Fokus nehmen, um die gewünschten Effekte zu erzielen.“

Schließlich sieht sie die Branche zu Unrecht unter Druck: „Mit einem jährlichen Stromverbrauch von 17 Milliarden Kilowattstunden ist die Rechenzentrumsbranche für 3 Prozent des gesamtdeutschen Stromverbrauchs verantwortlich“ und behauptet: „Andere Energie-intensive Branchen werden im Gesetzesentwurf nicht explizit mit Auflagen berücksichtigt.“

Nicht machbar: der Zeitplan

Um alles zu erschlagen bemängelt der GDA die im Entwurf vorgegebenen Fristen; sie entsprächen nicht der Realität in der Rechenzentrumsbranche: „Wenn man Ende 2022 Auflagen für die Rechenzentren beschließen möchte, die im Jahr 2024 in Betrieb gehen, dann ist das fünf Jahre zu spät“, so Klaft. „Diese Rechenzentren sind bereits geplant, genehmigt und befinden sich im Bau.“

Bitkom: Der Standort Deutschland ist gefährdet

Auch vom Branchenverband Bitkom hagelt es Kritik. Bitkom-Präsident Achim Berg: „Rechenzentren bilden die Basis der Digitalisierung und werden nun durch das Energieeffizienzgesetz aus Deutschland vertrieben.“

Das Dilemma hervorgerufen hat seiner Ansicht nach „Die Politik“. Er sagt: „Rechenzentren hängen vom deutschen Strommix ab und dieser Strommix wird von der Politik gesetzt. Jetzt die Rechenzentren für die energiepolitischen Fehlleistungen von Bund und Ländern in Haft zu nehmen, wird Deutschlands Klimabilanz mittelbar verschlechtern und schwächt zudem die Sicherheit unserer kritischen Infrastrukturen.“

Er fordert den Ausbau erneuerbarer Energien und stellt zugleich fest: In etwas mehr al einem Jahr sollen die Datacenter aber zu 50 Prozent Grünstrom und ab 2025 komplett mit Ökostrom betrieben werden: „Bis dahin ist die Energiewende in Deutschland nicht umgesetzt und es ist schlicht nicht ausreichend Strom aus regenerativen Quellen verfügbar.“

Seiteneffekte

Darüber hinaus macht er darauf aufmerksam, dass, wenn die Rechenzentren überproportional kauften, fehle er an anderer Stelle, was die Strompreise weiter nach oben triebe. Allerdings gibt es keinen Stromsee, aus dem sich die Energie ab- und anderen vor der Nase wegschöpfen ließe. Auch wenn ein deutscher Kunde zum 100 Prozent grünen Strom einkauft, ist das derzeit eine rechnerische Größe und er erhält einen Energiemix mit Energie aus Kohle, Gas und Atommeilern, garniert mit Windkraft-, Wasserkraft und PV-Anlagen. Ausnahmen bestätigen die Regel immerhin gibt es Rechenzentren, die in Windrädern sind (Windcores) oder direkten Zugriff darauf haben (Windcloud).

Laut Berg sind die Klimaziele in Deutschland nur mit und nicht gegen die Digitalisierung erreichbar. Tatsächlich sieht die Klimabilanz der Digitalisierung gar nicht gut aus (siehe: Ohne Steuerung kaum Effekt; Traurige Bilanz für den Klimaschutz durch Digitalisierung). Steigt zum Beispiel das Softwarekapital um ein Prozent bei gleichbleibenden Energiekosten, verbessert danach die Energie-Effizienz nur um 0,007 Prozent, stellte etwas 2016 das damalige Bundesministerium für Bildung und Forschung fest.

Berg geht jedenfalls davon aus, dass Rechenzentren zwar energiehungrig sind, dass sie an anderer Stelle dafür sorgen, dass massiv Energie eingespart werden kann, indem Unternehmen und Verwaltungen zum Beispiel auf eigene Server verzichten können und stattdessen Energie-effizientere Cloud-Lösungen nutzen, wie sie über Rechenzentren angeboten werden. Die Überprüfung sthet aus (siehe: Verschleierungstaktiken und Irreführung bei den Hyperscalern; Gesucht: Neue Metriken für die Nachhaltigkeit von Rechenzentren).

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