Rückblick auf den DataCenter-Day Das Datacenter-Oligopol und die Standortfrage
Zu hohe Stromkosten, zu lange Genehmigungsverfahren, zu wenig und zu gering qualifiziertes Personal, zu viele Vorschriften das sind im Groben die Risiken, denen sich Datacenter-Betreiber in Deutschland gegenüber sehen. Art-Invest setzt diesen noch zwei weitere hinzu: Lücken im Ausbau der Last Mile und ein oligopolistisch strukturierter Betreibermarkt.
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Wer den DataCenter Day von Vogel IT-Medien besucht hat, konnte neben der inhaltlichen Fokussierung auf Energie-(Effizienz), Kühlung, Netze und Security bemerken, dass es ein Übergewicht an Beiträgen gab, die mit Co-Location, Cloud-, und Hosting-Rechenzentren zu tun hatten. Denn auch Hierzulande vollzieht sich ein Wandel.
Zwar bleibt das Wachstum bezogen auf Rechenzentrumsfläche und –Power auch in den kommenden fünf Jahren vergleichsweise stabil und mit zweistelligen Prozentzahlen behaftet, so die Quintessenz aus allen Prognosen, sehr hoch, zeichnet sich zugleich ab, dass Cloud-Spielarten und Co-Location Wirkung zeigen. Sämtlichen Voraussagen ist zu entnehmen, dass im Jahr 2018 erstmalig die Zahlen für Co-Location, Hosting- und Cloud-Fläche und Watt die der Unternehmensrechenzentren übersteigen werden, weil dieser Bereich schlichtweg viel schneller wächst.
Bezogen auf den Weltmarkt befinden sich noch rund 60 Prozent der Rechenzentren in der Verantwortung „kleinerer Betreiber“. Zugleich aber hält Equinix, weltweit der größte Datacenter-Betreiber rund 10 Prozent Marktanteil. An zweiter Stelle folgt der auf Rechenzentren spezialisierte US-Reit Digital Reality mit einem Anteil von 6,25 Prozent. Zudem befinden sich unter den Top 5 zwei globale Netzbetreiber japanischer Herkunft: NTT und KDDI-Telehouse.
Konzentration im deutschen Datacenter-Markt
In Deutschland beträgt laut Art-Invest die gesamte Rechenzentrumsfläche etwa 2,65 Millionen Quadratmeter. 500.000 Quadratmeter davon standen für Co-Location und Wholesale zur Verfügung. Die sechs größten Anbieter am deutschen Co-Location Markt, der noch der größte in Europa ist, kontrollieren bereits 43 Prozent der Datacenter-Fläche.
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Haifischbecken und Monopoly im Datacenter-Markt
Merger & Akquisitions begleiten die europäische Rechenzentrumsbranche
Das Investment-Haus definiert Co-Location als die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturkapazitäten zu ITK-Zwecken durch unterschiedliche Nutzer definiert. Co-Location-Rechenzentren bieten die Möglichkeit, sowohl kleineren als auch größeren Mietern Flächen langfristig zur Verfügung zu stellen, wobei dem Mieter nur die Fläche bereitgestellt wird und dieser die IT-Technik selbst mitbringt. Dagegen wird Wholesale im Falle von Großrechenzentren gesprochen, wenn diese für einige wenige Großkunden erstellt und betrieben werden.
Jedenfalls waren 2015 in Deutschland die Co-Location- und Wholesale-Anbieter für rund ein Viertel des Investitionsvolumens – Neubau und Modernisierung – verantwortlich. Laut Art-Invest soll der Datacenter-Bestand bis 2020 auf insgesamt 3,14 Millionen Quadratmeter wachsen. Das entspricht in etwa einem18,5-prozentigem Wachstum. Im selben Zeitraum soll die Co-Location-(Wholesale-)Fläche um 76 Prozent auf 880.000 Quadratmeter zulegen.
Im Report heißt es: „Sowohl auf Investment- als auch auf Betreiberseite handelt es sich beim Investmentmarkt für Rechenzentren um einen oligopolistisch strukturierten, auf dem wenige Eigentümer beziehungsweise Betreiber große Teile des Marktes beherrschen.“
Was passiert mit den Unternehmensrechenzentren?
Und was passiert mit den kleinen und mittelgroßen Rechenzentren, die der Mittelstandsinfrastruktur der deutschen Wirtschaft entsprechen? Ich zitiere Analysten von Datacenter Dynamics Research, der sich ebenfalls diese Frage stellten und auch gleich beantworteten: „Was soll schon sein? Die bleiben.“
Allerdings beurteilt der Art-Invest-Report die Situation der mittelständischen Datacenter-Unternehmen kritischer: Es fehle ihnen häufig das Know-how und/ oder das Kapital.
Die Frage, was den Rechenzentrumsmarkt anheizt, ist schnell beantwortet: Das riesige Datenwachstum durch Trends wie Big Data und Internet der Dinge respektive Industrie 4.0 und der Bedarf an Cloud-Computing. Bis 2020 soll in Deutschland der Anstieg des generierten Datenvolumens das Fünffache betragen, der Report spricht von 1,1 Zetabyte = 1015 Byte, weltweit das Zehnfache: 44 Zetabyte. Allerdings hätten bislang lediglich 13 Prozent aller deutschen Unternehmen ihre Daten und IT in die Cloud ausgelagert. Also: Viel Luft nach oben.
Art-Invest Real Estate betrachtet den deutschen Rechenzentrumsmarkt unter Investitionsgesichtspunkten. Der „Data Center Report“ beginnt mit einem Verweis auf die „Immobilienzeitung“. Hier hieß es in einer Überschrift aus dem Sommer 2012: „Datencenter: Zu speziell für deutsche Investoren.“
Die Zukunft ist schwarz-rosa
Doch immerhin findet sich in Deutschland (noch) der drittgrößte Rechenzentrumsmarkt und der größte in Europa. Sah es eine Weile so aus, als würde der Standort an Attraktivität verlieren – vor allem wegen des hohen Strompreises: Ein etwa 4.000 Quadratmeter großes Rechenzentrum mit einer Leistung von neun bis zwölf Megawatt benötigt so viel Strom wie eine Kleinstadt mit 44.000 Einwohnern – spielen jüngere politische Entwicklungen nun in die Hände der Investoren, erläuterte auch Ralph Hintemann vom Borderstep-Institut in seiner Keynote auf dem vergangenen DataCenter Day.
Da wären zunächst der NSA-Abhörskandal und die Veröffentlichungen durch Edward Snowden. Eine Studie aus dem Frühjahr dieses Jahres von Datacenter Dynamics geht davon aus, dass US-amerikanischen Cloud-Providern allein deswegen bis zu 35 Milliarden Dollar entgehen könnten. Zudem scheint sich der Brexit als Geschenk für deutsche Rechenzentrumsbetreiber zu entwickeln.
So lassen sich gegenwärtig in Frankfurt überschlägig für 200 Kilowatt Leistung in einem Tier-3-Rechenzentrum Monatsmieten von 180 bis 225 Euro pro Kilowatt Leistung pro Monat erzielen. Doch das ist nicht die einzige Information aus dem Art-Invest-Bericht, der auch für potenzielle Nutzer fremder Rechenzentren interessant sein dürfte.
Die Auswahlkriterien
Der Report empfiehlt sowohl bei der Auswahl als auch beim Investment auf folgende Punkte zu achten:
- Flexible Stromdichte von 2,5 bis 8 Kilowatt je Rack beziehungsweise ab 1,5 Kilowatt pro Quadratmeter
- Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV), die Situation von Stromversorgung und Umspannwerke
- Redundante Infrastruktur und die Frage: Welche Tier-Klasse?
- Hohe Energie-Effizienz, also geringe PUE- und EUE-Werte
- Skalierbarkeit durch modularen Aufbau
- Security - IT und physische Sicherheit: Ausfallrisiko, internes Sicherheitssystem, mehrstufige Identifizierung und Autorisierung, abgestufte Sicherheitszonen, Kameras und Sicherheitssysteme
- Brand-, Hochwasser-, Starkregen- und Erdbebenrisiko
- Vorhandensein von Erweiterungsoptionen
- Erfahrung des Betreibers und das Berichtswesen
Hinzu setzt der Report die Empfehlung, dass Rechenzentren an mehrere Carrier, mindestens drei, mittels Glasfaser angeschlossen sein sollten und sie sich nicht allzu weit entfernt von bedeutenden Peering-Points befinden und zudem gut erreichbar sein sollten. Vorschriften in einzelnen Branchen wie dem Finanzsektor verlangen zudem einen Standort in der Nähe, damit die Hardware leicht zu warten ist.
Neben den üblichen Standortnachteilen für Deutschland wie die Strompreis aufgrund der EEG und andren Steuern und Abgaben als in den Nordics, nennt der Report als Schwäche auch die fehlende Markttransparenz beziehungsweise kaum spezialisierte und frei zugängliche Marktforschung.
DataCenter Day und DataCenter Studie 2016
Die „DataCenter Studie 2016“ möchte einen kleinen Teil zur Aufklärung beitragen. Die Ergebnisse der Online-Leser-Befragung von DataCenter-Insider ist nun per Download verfügbar.
Neben den News und Fachartikeln, die DataCenter-Insider ohnehin jeden Tag frei Haus zu Verfügung stellt, bietet der DataCenter Day eine zweite Möglichkeit, sich umfassend zu informieren. Im Kasten sind noch einmal ein paar Highlights zusammengestellt.
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