Display Walls im Datacenter Leitstandstechnik für den Überblick im Rechenzentrum

Autor / Redakteur: Dietmar Müller* / Ulrike Ostler |

Viele Techies haben es ja mit „Star Trek“. In der Serie spielt das Holodeck eine nicht zu unterschätzende Rolle. In Verkehrsbetrieben, bei Stromlieferanten, in der Gespäcksteuerung von Flughäfen – und in Rechenzentren – gibt es Leitstände.

Anbieter zum Thema

Im Kontrollzentrum der Fiducia Gruppe: Das Kerngeschäft des Dienstleisters liegt im Rechenzentrumsbetrieb mit Großrechner-Technologie sowie in der Entwicklung und Implementierung integrierter IT-Anwendungen in der genossenschaftlichen Finanz Gruppe.
Im Kontrollzentrum der Fiducia Gruppe: Das Kerngeschäft des Dienstleisters liegt im Rechenzentrumsbetrieb mit Großrechner-Technologie sowie in der Entwicklung und Implementierung integrierter IT-Anwendungen in der genossenschaftlichen Finanz Gruppe.
(Bild: JST)

Auf dem Holodeck können virtuelle Welten mittels Holografie und Replikatorentechnik simuliert werden. In manchen Folgen der zweiten Star-Trek-Serie löst sich im Holodeck simulierte komplexe Materie (wie holographische Menschen) außerhalb des Holodecks auf, während in anderen Folgen einfache Gegenstände aus dem Holodeck mitgenommen werden können. In einer Folge wird erwähnt, dass das Holodeck, ähnlich wie ein Replikator, in der Lage ist, Materie zu erzeugen oder per Transporter ins Holodeck zu beamen. Trinkt jemand im Holodeck Wein, wird dieser kurz vor dem Moment des Trinkens repliziert und dadurch materialisiert.

So weit sind heutige „Holotecks“ allerdings noch nicht, werden sie vermutlich auch nie sein. Mit der heutigen Leitstandtechnik lassen sich aber zumindest alle Kommunikations- und Sicherheitssysteme von einer einheitlichen Oberfläche steuern. Sie ist ein übergeordnetes Bedienungs- und Kontrollsystem nicht nur für Rechenzentren, sondern für die unterschiedlichsten kommunikations- und sicherheitstechnischen Einrichtungen, wie Zutrittskontrollanlagen, Video-Überwachungs-, Sprech- und Rundrufanlagen sowie Beschallungsanlagen.

Die dahinter versteckte Technik hat es in sich, in Notsituationen müssen komplexe Zusammenhänge auf einen Blick erfasst und die notwendigen Aktionen eingeleitet werden können. An die Arbeitsplätze in Kontrollräumen werden zudem in Bezug auf Ergonomie, Technikinstallation und Stabilität sehr hohe Anforderungen gestellt. Jede unnötige Körperbelastung durch ein Möbel wäre schließlich fatal für die Konzentrationsfähigkeit des Mitarbeiters.

Treffen im Kontrollraumsimulator

„Ein erstes Gespräch sollte grundsätzlich mit einem Bediener aus dem Leitstand, einem IT-Spezialisten, einem Verantwortlichen für Ergonomie, ein Architekt und einem Budgetverantwortlichen stattfinden. Vorzugweise in einem Kontrollraum-Simulator, zum Beispiel im „JST-Command Center Model“ in Buxtehude bei Hamburg, wo man IT und Ergonomie im Einklang erleben kann.

JST Leitstand im österreichischen Bundesrechenzentrum: Dank "Pixel-Detection"-Software von JST werden hier Fehler erkannt, bevor es beim Kunden zu Verzögerungen kommt.
JST Leitstand im österreichischen Bundesrechenzentrum: Dank "Pixel-Detection"-Software von JST werden hier Fehler erkannt, bevor es beim Kunden zu Verzögerungen kommt.
(Bild: JST)

Im Simulator wird mit einem Workshop-Tag das komplexe Thema ‚wir bauen einen neuen Leitstand‘ sehr klar und schneller begreifbar gemacht. Sogar die Kosten werden bereits bei Projektstart bekannt gegeben“, berichtet Kay Hansen, Geschäftsführer bei Jungmann Systemstechnik, über den Einstieg in ein Kontrollraum-Projekt.

Bereits im ersten Gespräch wird ergründet, welche Anwendungen immer, welche sporadisch, von welchen Operatoren oder Teams genutzt werden. Nach Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich, wie groß der zentrale Bildschirm sein muss und wie viele Monitore am Arbeitsplatz tatsächlich benötigt werden. Je kleiner die Großbildwand und je weniger Monitore am Arbeitsplatz, desto konzentrierter ist die Arbeit für den Operator.

Im Mittelpunkt des Interesses: die Display Wall

Im Mittelpunkt des Interesses steht also wie selbstverständlich die Monitorwand, die beim Hersteller JST als „Display Wall“ bezeichnet wird. Es gibt eine ganze Reihe von namhaften Anbietern im deutschsprachigen Raum, hier soll aber JST exemplarisch herausgegriffen werden und der State-of-the-art in Sachen Leitstandtechnik beleuchtet werden.

„Nachdem das Anforderungsprofil des Operators definiert ist, erstellt JST gemeinsam mit dem Kunden den Raum-Plan. Leider erleben wir viel zu oft, dass die Kunden nicht Ihre Möglichkeiten kennen und einfach viel zu früh mit einem nicht spezialisierten Architekten drauf los planen ohne vorher mit uns zu sprechen“, so Hansen.

Um den Operator bei der Arbeit effektiv zu unterstützen, reicht es häufig nicht mehr aus, einfach nur große Bilder, gestochen scharf mit hoher Auflösung darzustellen. Für den 24/7-Dauerbetrieb muss beispielsweise eine Realtime-Bedienung möglich sein. Diverse Quellen wie Rechner oder Kameras werden dafür neben der Display Wall auch mit den Monitoren am Operatorplatz verbunden.

Die Verfügbarkeit dieser kritischen Infrastruktur (KRITIS) hat Auswirkungen auf Energieversorger, Transport-und Logistikunternehmen, Krankenhäuser, Informations-und Kommunikationsnetze, Medienunternehmen - und Rechenzentren. JST stellt entsprechende Leitstände her.
Die Verfügbarkeit dieser kritischen Infrastruktur (KRITIS) hat Auswirkungen auf Energieversorger, Transport-und Logistikunternehmen, Krankenhäuser, Informations-und Kommunikationsnetze, Medienunternehmen - und Rechenzentren. JST stellt entsprechende Leitstände her.
(Bild: JST)

Unter verschiedenen Blickwinkeln

„Je kleiner die Großbildwand und je weniger Monitore am Arbeitsplatz, desto konzentrierter ist die Arbeit für den Operator. Genau an dieser Stelle hilft „Multi Consoling“. Multi Consoling reduziert Großbild-Displays und Monitore am Arbeitsplatz. Zudem werden kritische Alarme mit weiteren Anwendungen Event-gesteuert auf die Display Wall oder direkt auf den Arbeitsplatzmonitor geschaltet.“

Die Display Walls von JST ermöglichen die detailgetreue Darstellung durch große Darstellungsflächen sowie große Vertikal- und Horizontalblickwinkel, energiesparende LED-Hintergrundbeleuchtung und hoher Pixel-Auflösung. Eine Funktion namens „Team View“ liefert zeitgleich die wichtigsten Informationen an das gesamte Kontrollraumteam.

Auf viele Arbeitsplatzmonitore kann so verzichtet werden. Um noch schneller und stets koordiniert agieren zu können, werden in Abhängigkeit zu den Alarmen weitere Informationen situationsbezogen und automatisiert hinzugefügt. Auch eine Korrelation unterschiedlichster Alarme ist in verschiedensten Varianten möglich.

JST-Display Walls bestehen aus mehreren LCDs (Liquid Crystal Displays), die in beliebiger Stückzahl, Breite und Höhe in dafür vorgesehenen Racks oder Wandhalterungen aneinander gereiht werden. Sie sind speziell für Kontrollräume ausgelegt und verfügen über Eigenschaften, wie einem S-PVA-Panel, die einen Memory- oder Einbrenneffekt bei Standbildern im 24/7-Dauerdienst vorbeugen.

Durch eine MCAPI-Softwareschnittstelle können die Displays ein „Big Picture“ erbringen. Per Mausklick kann also ein Bildsignal rahmenübergreifend über mehrere Displays groß dargestellt werden. Die Rahmen sind mit weniger als vier Millimeter übrigens sehr schmal gehalten, damit sie dabei nicht stören.

Die Auflösung der Displays beträgt 1920 x 1080 (Full-HD), das bereits erwähnte LED-Backlight sorgt für eine homogene Ausleuchtung und wenig Wärme- und dadurch Energie-Abgabe (durchschnittlich 150 Watt pro Display). Der Hersteller empfiehlt für den Kontrollraum-Dauerbetrieb die Modelle von 40“ bis 55“, das entspricht einer Bild-Diagonale von 140 Zentimeter, mit S-PVA-Panel, die Modelle mit 70“ und 80“ verfügen über ein UV2A-Panel – hier liegen allerdings noch keine Langzeiterfahrungen vor.

An die Wartung gedacht?

Der Betrachtungswinkel beträgt horizontal wie vertikal 178 Grad, dadurch können mehrere Arbeitsplätze nebeneinander nahe der Display Wall platziert werden. Alle Displays verfügen über eine Leuchtstärke von 700 cd/qm, was sie für den Einsatz in hellen Räumen geeignet macht.

Die Displays lassen sich stufenlos in Höhe und Breite mit einheitlichem Fugenbild eng aneinander für jede Displaygröße platzieren. Die Kabel werden horizontal und vertikal in Aluminiumkabelkanälen geführt. Die 230 V-Versorgung befindet sich im großvolumigen Horizontal-Kabelkanal.

Die gesamte Display Wall lässt sich für den Revisionszweck nach vorn rollen, die Fußausleger sind dafür mit Rollen versehen. Optional erhältlich sind Medienboards mit Schiebetüren zur Technik-Installation oder Papierablage.

Die Display-Racks können auch als Trägersystem für eine Raum-im-Raum-Konstruktion verwendet werden, was besonders im Wartungsfall einfachen Zugang gewährt. Die gesamte Konstruktion wird dann mit Holzpaneelen verkleidet, eine Tür verschafft Zutritt zur Revision.

Hinter jedem Großbild-Display befindet sich ein Technikfach.

Aber nicht nur die Displays, auch Rechner können hinter der Video Wall installiert werden. So wird die warme Abluft der Technik vom Kontrollraum ferngehalten. Für Wartungszwecke ist jedes einzelne Display im laufenden Betrieb herausziehbar.

„Damit die Operatoren im Kontrollraum konzentriert und ermüdungsfrei arbeiten können, ist jegliche Art von zusätzlicher Wärme und Geräusche zu vermeiden. Zur Auslagerung aller Rechner sollte ein Technikraum zur Verfügung gestellt werden“, erläutert Hansen.

Um Nackenverspannungen und Rückenschmerzen vorzubeugen, sollten Monitore leicht hinter der Tischplatte abgesenkt sein. So erreicht man eine leichte Kopfneigung, etwa wie beim Zeitunglesen. Auch sollte man die Operatorpulte von Sitz auf Stehhöhe elektromotorisch verfahren können.

„Ebenso ist darauf zu achten, dass genügend Beinraumfreiheit zur Verfügung steht. Es empfiehlt sich Operatorpulte anzuschaffen, die gemäß der ‚Handlungshilfen für Bildschirmarbeit in Leitwarten‘ der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) konstruiert wurden“, so Hansen.

Verkabelung und Abschirmung

Bei der Verkabelung ist darauf zu achten, dass der Technik-Raum nicht weiter als 140 Meter entfernt vom Kontrollraum installiert ist. Bei einer maximalen Kabellänge von 140 Metern können Keyboard/Video/Mouse/Audio-Signale über kostengünstigere Technik-Komponenten für Kupferleitungen (Cat5/6/7) eingesetzt werden. Kabelstrecken bis 10.000 Meter funktionieren auch - und zwar mit LWL-Verkabelung. Allerdings sind dann die Kosten für LWL-Technik-Komponenten sehr viel höher.

Ohne Vernetzung geht es natürlich nicht, sie muss aber gut abgeschirmt werden: „Ein Kontrollraum sollte ganz besonders vor Hacker-Angriffen geschützt werden, denn hier befindet sich das Herz der Prozesse, wo alles überwacht und gesteuert wird“, so Hansen. So sollte das Office-LAN beispielsweise vom Produktions-LAN getrennt sein.

Der Geschäftsführer berichtet, dass seine Kunden teilweise vier autarke Netzwerke implementiert haben. Das Problem: „Je höher die Sicherheit und je mehr Netzwerke, desto geringer die Flexibilität“. Hier soll „Multi Consoling“ Abhilfe schaffen.

Berliner Verkehrsbetriebe nutzen Multi Consoling

Mittels der Multi Consoling genannten Schaltzentrale werden sämtliche Quellen (Rechner-, Kamera-, TV-Signale etc.) mit allen Monitoren am Operatorplatz und JST-DisplayWalls verbunden. Mit ihr ist es möglich, von allen autorisierten Arbeitsplätzen aus die maßgeblichen Daten direkt und für alle sichtbar auf einer der drei Großbildwände darzustellen.

Für das Projekt „Leitstellen 2014+“ der Berliner Verkehrsbetriebe, in dessen Rahmen die neue Betriebsleitstelle für die U-Bahn (BLU) entstanden ist, kommt es beispielhaft zum Einsatz. 170 Mitarbeiter steuern rund um die Uhr von dem Lichtenberger U-Bahn-Herzstück aus den Zugverkehr der Hauptstadt.

Drei XXL-Display Walls zeigen nicht nur die einzelnen U-Bahn-Linien sondern auch Videobilder aus den verschiedenen Bahnhöfen an. Sie können – je nach Situation – mit weiteren relevanten Inhalten bespielt werden. Das gesamte Team der BLU wird so fortlaufend über die wichtigsten Ereignisse und Sachstände informiert.

Laut Angaben von JST findet bei den Berliner Mitarbeitern besonders die Bedienoberfläche „my GUI“ als fester Bestandteil des Multi Consoling gefallen. Alle Konsolen der Arbeitsplätze und die Großbildwand werden auf der my GUI als „Kontrollraumbild“ dargestellt. Jeder Operator kann aber auch seine ganz individuellen Kontrollraumbilder per Drag-and-Drop aufrufen. Um wichtige Ereignisse groß darzustellen, ziehen sie ein Icon auf die Lupe, woraufhin die Quelle als „Big Picture“ erscheint, also rahmenübergreifend, auf allen Großbild-Displays.

Wenn Sie also künftig eine der bis zu 4800 Zugfahrten werktäglich in Berlin unternehmen – denken Sie daran: BLU hat auch Sie auf dem Schirm.

* Dietmar Müller ist freie Autor und lebt in Niederbayern.

(ID:44144999)