Quantensichere Verschlüsselung, KI-gestützte Betrugserkennung z16 erlaubt Echtzeit-KI für die Transaktionsverarbeitung und trotzt der Dechiffrierung durch Quantencomputer

Von Michael Matzer |

Der neue IBM-Mainframe „z16“ nutzt den KI-Beschleuniger im „Telum“-Prozessor, um den KI-Schritt der Inferenz in Höchstgeschwindigkeit auszuführen. So soll es Kunden gelingen, etwa Betrugsversuche nahezu in Echtzeit abzuwenden. Die z16 soll die IT-Modernisierung in der Hybrid Cloud unterstützen und obendrein „quantensicher“ sein. Die allgemeine Verfügbarkeit des z16-Systems ist ab dem 31. Mai geplant.

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Der „Telum“-Chip, hier auf dem Wafer, fungiert als Beschleuniger im jüngsten Mainframe von IBM: „z16“.
Der „Telum“-Chip, hier auf dem Wafer, fungiert als Beschleuniger im jüngsten Mainframe von IBM: „z16“.
(Bild: IBM)

Ross Mauri, IBM General Manager IBM Systems, hebt als große Neuerung des z16-Systems den Telum-Prozessor hervor, den IBM im vergangenen Herbst ankündigte. Er hat eine Taktfrequenz von flotten 5,2 Gigahertz (GHz), die 8 Cores auf Touren bringen und verfügt neben vielen weiteren Innovationen über einen integrierten On-Chip-KI-Beschleuniger, der für latenzoptimierte Inferenz optimiert ist.

Pro Chip stellt der Beschleuniger eine Rechenleistung von 6 TeraFlops für KI-Anwendungen zur Verfügung, ein voll ausgebautes System mit 32 Telum-Chips liefert bis zu 200 TeraFlops. „Diese Leistung ist nötig, um auch bei anspruchsvollen Workloads KI-Ergebnisse in Echtzeit liefern zu können“, sagt Andreas Bieswanger, IBM Fellow und CTO für Plattform Management und Optimierung für „zSystems“ im IBM Entwicklungslabor in Böblingen.

Der darin integrierte KI-Beschleuniger bewältigt nach Angaben von Elpida Tzortzatos, CTO für „z/OS“ und zuständig für die IBM zSystems KI-Strategie, „300 Milliarden Inferenzschritte pro Tag mit nur einer Millisekunde Latenz“. Googles verbreitetes Deep-Learning-Framework „Tensorflow“ sei für Telum ebenso optimiert worden wie viele weitere Frameworks und Middleware-Anwendungen, wie beispielsweise die IBM-Datenbank „Db2“ hinsichtlich der SQL-Verarbeitung, sagt Tzortzatos.

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Mithilfe dieser Leistung sollen Nutzer der z16 künftig in der Lage sein, die Analyse von Echtzeit-Transaktionen in großem Umfang zu bewältigen, so etwa für geschäftskritische Workloads wie Kreditkarten-, Gesundheits- und Finanztransaktionen. Weil Kreditkartenbetrug gemäß den Befunden einer neuen Studie von IBM und Morning Consult „IBM Global Financial Fraud Impact Report 2022“ die häufigste Art von Betrug unter den befragten Verbrauchern in den sieben untersuchten Ländern ist, sollten die Banken und Zahlungsnetze nach Ansicht der Befragten am meisten für die Betrugsbekämpfung unternehmen.

„Viele größere und kleinere Innovationen, vom Processor Core über die Plattform bis zur Software, sind ‚Made in Germany‘ und stammen aus unserem IBM Forschungs- und Entwicklungszentrum in Böblingen", weist Andreas Bieswanger hin.

Betrugserkennung in Echtzeit

Das Problem bestand bislang darin, dass Deep-Learning-Modelle wegen Latenzproblemen nicht in großem Umfang in Echtzeit eingesetzt werden können. „Dies bedeutet, dass Betrugserkennungsmodelle oft nur bei weniger als 10 Prozent der hochvolumigen Transaktionen ausgeführt werden“, so Mauri, „ein erheblicher Teil des Betrugs bleibt unentdeckt.“

Damit soll nun Schluss sein. z16 ist laut Tzortzatos in der Lage, solche Betrugsversuche in „Echtzeit“ (binnen 1 ms) zu erkennen und abzuwenden, denn ihr KI-Beschleuniger führt die nötigen Inferenzschritte ausreichend schnell aus. „Sowohl für die Händler als auch für die Kartenaussteller könnte dies weniger Umsatzeinbußen bedeuten, da Verbraucher Frustration über falsche Zahlungsablehnungen vermeiden und für künftige Transaktionen nicht auf andere Karten ausweichen“, so die IBM-Expertin.

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Aber die Schattenwirtschaft arbeitet nicht mehr nur mit Kreditkarten. Andere Bedrohungen wie Steuerbetrug und organisierter Diebstahl im Einzelhandel stellen Regierungen und Unternehmen vor immer größere Herausforderungen. Echtzeitzahlungen und alternative Zahlungsmethoden wie Kryptowährungen lassen herkömmliche Betrugserkennungsverfahren an ihre Grenzen stoßen. „Die Anwendung der neuen Fähigkeiten von IBM z16 auf weitere Branchen kann dazu beitragen, eine völlig neue Klasse von Anwendungsfällen zu schaffen“, so Tzortzatos.

Nicht nur dieser Use Case dürfte nach Mauris Ansicht den neuen Rechenboliden entsprechend attraktiv für Finanzdienstleister und E-Commerce-Betreiber machen, sondern auch der Aspekt, Entscheidungen so schnell finden zu können, dass auch Up- und Cross-Selling-Angebote an Online-Kunden praktisch in „Echtzeit“ geschickt werden können. „Die z16 ist prädestiniert für die digitale Wirtschaft.“

Quantensicherheit

Der zweite große Vorteil liegt nach Ansicht von Ross Mauri in dem erhöhten Sicherheitsniveau des z16-Mainframe. Das neue Modell sei das erste „quantensichere System“ in der IT. Die zSystems-Plattform setzt bereits seit Jahren Pervasive Encryption und Confidential Computing um (DCI berichtete: „Vertrauen bauen durch Sicherheitsenklaven; Was ist Confidential Computing?“). Mit der z16-Maschine will IBM die „Cyber-Resilienz“ den nächsten Schritt voranbringen. Es soll Daten auch vor künftigen Bedrohungen, die sich mit den Fortschritten des Quantencomputing entwickeln könnten, schützen.

Den Schutz vor Angriffen, die die hohe Leistung von Quantenrechnern ausnutzen, soll diese „Quantensicherheit“ gewährleisten. Die zuständige IBM-Expertin Anne Dames, ein „IBM Distinguished Engineer“, ist bei Big Blue für das Cryptographic Technology Development verantwortlich und sagte: „ z16 ist mit dem quantensicheren Kryptografie-Hardwaresicherheitsmodul Crypto Express 8S (CEX8S) ausgestattet und bietet Kunden sowohl klassische als auch quantensichere kryptografische Technologien, um Anwendungsfälle zu unterstützen, die Vertraulichkeit, Integrität und fälschungssichere Herkunftsnachweise erfordern.“

Als erstes quantensicheres System der Branche basiere die IBM z16 auf gitterbasierter Kryptografie, einem Ansatz für die Konstruktion von Sicherheitsprimitiven zum Schutz von Daten und Systemen vor aktuellen und zukünftigen Bedrohungen. „Das HSM-Modul beschleunigt klassische wie auch quantensichere Algorithmen deutlich gegenüber rein Software-basierten Verfahren“, weist Bieswanger hin.

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„Zukünftige Quantenrechner“, so Dames weiter, „bedrohen sowohl gegenwärtig verwendete Public-Key-Kryptografie wie RSA als auch manche symmetrische Kryptographie-Verfahren. Jedoch wird beispielsweise bei symmetrischer AES-Kryptographie aktuell davon ausgegangen, dass die Verwendung einer Schlüssellänge von 256 Bit langfristig einen hinreichenden Schutz gegen Quantencomputer-Angriffe bietet“.

Das Motto der Angreifer laute heute: „harvest now, decrypt later“ (heute ernten, später entschlüsseln). Weil diese Gefahr für entsprechende RSA-Schlüssel gelte, seien auch alle verschlüsselten Informationen wie etwa Zertifikate durch künftige Quantenrechner gefährdet, durch „Angriffe, die zu Erpressung, Verlust von geistigem Eigentum und Offenlegung anderer sensibler Daten führen können.“

Eine weitere Technologie der Cyber-Resilienz sei Secure Boot. Durch Secure Boot können „böswillige Akteure keine Malware in den Boot-Prozess einschleusen, um das System während des Starts zu übernehmen“. Die interne Architektur des zSystems ist schon seit geraumer Zeit mit einem internen Schutz ausgestattet, der die Ausführung von Malware im Kern unterbindet.

Hybrid Cloud und Modernisierung

Die IBM zSystems und sein Vetter „Linux One“ sind Plattformen für quelloffene Anwendungen, die in einer Hybrid Cloud bereitgestellt und ausgeführt werden können. Das ist die Voraussetzung für die Modernisierung aller Legacy-Anwendungen. Im Umfeld der z16 bietet IBM seine „Cloud Paks“ an, um den Kunden durch vorkonfigurierte Hybrid-Cloud-Lösungspakete einen schnellen Start zu ermöglichen, sei es in Analytik, Security oder auf anderen Feldern. „Red Hat Openshift“ spielt dabei als Hybrid Cloud-Basis eine zentrale Rolle.

Durch Container Extensions unterstützt der Mainframe auch entsprechende Microservices. „Unsere Kunden können Cloud-native und Container-Workloads auf der Architektur ihrer Wahl ausführen, aufbauen, verwalten und modernisieren“, sagte Mauri. Im Zuge des z16-Launch bringt seine Abteilung eine ganze Reihe von Initiativen auf den Weg:

  • Der „Cloud Modernization Stack“ hilft Kunden, die Agilität zu steigern und ihre Transformation zu beschleunigen. Mit „IBM Wazi“ as a Service (()) steht erstmalig auch die Möglichkeit für moderne z/OS-Entwicklung und -Test in der IBM Virtual Private Cloud (VPC) des jeweiligen Kunden in der IBM Cloud bereit.
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  • Das „Cloud Modernization Center“ ist ein „digitaler Zugang zu einer Reihe von Tools, Schulungen, Ressourcen, Ökosystempartnern und branchenspezifischem Fachwissen von IBM Consulting, um IBM zSystems-Kunden dabei zu unterstützen, die Modernisierung ihrer Anwendungen, Daten und Prozesse in einer offenen Hybrid-Cloud-Architektur zu beschleunigen“, so Bieswanger.
  • „Tailored Fit Pricing“ ist ein ganzheitlicher Ansatz, der es IBM-Kunden erlauben soll, mit einem Cloud-ähnlichen Preismodell schnell auf Veränderungen bei dynamischen Workloads und weiteren Anforderungen des Unternehmens zu reagieren.
  • „Anaconda“ ist ein verbreitetes Data-Science-Paket auf Python-Basis, das die Linux-One-Variante von z16 unterstützt. Anaconda auf „Linux on Z“ stellt laut Mauri „ein Beispiel für die Bereitstellung gängiger Data-Science-Frameworks und -Bibliotheken auf Unternehmensplattformen und die Bereitstellung eines konsistenten Data-Science-Benutzererlebnisses in der Hybrid-Cloud dar.“

Die Bereitstellung

„Optimierte Unterstützung“ soll durch die IBM Technology Support Services gewährt werden: IBM bietet laut Mauri seinen z16- und LinuxOne-Kunden schlüsselfertigen Support, um ungeplante Unterbrechungen vorherzusagen und zu verhindern, sowie technische Services, die es Unternehmen ermöglichen, die Vorteile von hybriden Technologieumgebungen schneller zu nutzen“, also Cloud Paks, AIOps und mehr.

Da z16 als Systemlösung zahlreiche Optionen der Nutzung bietet, kann der Kunde das Optimum herausholen, wenn er sie an einem Ort seiner Wahl und auf seine individuelle Weise nutzt. Die Wahl der Konfiguration kann auch über die laufenden Betriebskosten (TCO) entscheiden. Mauri: „Der Kunde hat die Wahl, wie er seine z16 konfigurieren will: in der Hybrid Cloud mit der IBM Cloud, on-premises oder bei einem Co-Location Center mit der IBM Cloud.“

Die Co-Location-Option werde besonders in den letzten Jahren immer beliebter, ergänzt Bieswanger. „Für Service Provider stellt die Systemarchitektur nicht mehr jenes Problem dar, das das System vielleicht früher mal war. Denn jetzt kommt das System in einem handelsüblichen 19-Zoll-Server-Rack mit der ortsüblichen Stromversorgung und Kühlung, so dass es sich nahtlos in existierende Rechenzentrumsinfrastruktur einbinden lässt.“

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