War Green IT nur eine „Blase“? Wie wichtig ist heute Effizienz von Servern und Rechenzentren?
Der Energiebedarf von Servern und Rechenzentren lag nach Berechnungen vom renommierten Borderstep Institut im Jahr 2013 in Deutschland mit rund 10 TWh auf dem gleichen Niveau wie im Jahr 2008. Diese Tatsache ist durchaus als Erfolg von Effizienzmaßnahmen zu begreifen. War also Green IT nur ein Hype und: Ist alles vorbei?
Anbieter zum Thema

Bedingt durch den immensen Ausbau an Rechenkapazitäten war vor 2008 ein jährlicher Anstieg des Stromverbrauchs um rund 12 Prozent zu verzeichnen. Seit 2008 wurde eine Trendwende erreicht. Trotz weiterem Ausbau der Rechenzentren in Deutschland ist in Energieverbrauch in Summe nicht mehr angestiegen. Die vielerorts ergriffenen Effizienzmaßnahmen tragen ihre Früchte.
Ist also bei Rechenzentren alles im „grünen“ Bereich? Geht die Effizienz-Revolution in Rechenzentren weiter?
In den Jahren 2007 bis 2009 war „Green IT“ eines der am meisten genutzten Schlagworte der IT-Branche. Allerdings warnten schon damals die Experten der Experton Group, das Thema nicht durch substanzlose Marketing Aussagen in die Bedeutungslosigkeit zu hypen.
Eine Frage der Begrifflichkeit?
Die Warnungen der Experton Group scheinen nicht geholfen zu haben. Wenn man sich mit IT-Verantwortlichen und Rechenzentrumsbetreibern unterhält, bekommt man oft den Eindruck, sie können den Begriff „Green IT“ nicht mehr hören. Das „Green IT“ schon spätestens seit 2010 als Begriff „out“ ist, zeigt auch eine Analyse der Suchanfragen bei Google (Abbildung). Ein Vergleich mit den USA zeigt aber auch, dass das Thema in Deutschland anscheinend deutlich mehr wahrgenommen wurde und wird.
Ist also Green IT heute kein Thema mehr? Oder ist nur der Begriff Green IT „verbrannt“?
Das Borderstep Institut hat sich mit diesen Fragen intensiv beschäftigt und in mehreren wissenschaftlichen Studien untersucht. Als Ergebnis gibt es aus deutscher Sicht eine gute, aber auch eine schlechte Nachricht.
Zunächst die Gute: Energie-Effizienz von Rechenzentren ist mittlerweile in den Köpfen der Verantwortlichen in Deutschland fest verankert. Hatte die Experton Group im Jahr 2007 noch festgestellt, dass nur 7 Prozent der IT-Entscheider den Energieverbrauch ihres Rechenzentrums kennen, so ist dieser Prozentsatz in einer im Jahr 2014 von Borderstep durchgeführten Untersuchung auf 85 Prozent angestiegen.
Die grünen Früchte
Nur 3 Prozent der Befragten hatten in den vergangenen Jahren keine Maßnahmen zur Verbesserung der Energie-Effizienz ihres Rechenzentrums ergriffen. Deutlicher Schwerpunkt der Effizienz-Maßnahmen war eine Verbesserung der Kühlung und Klimatisierung – 87 Prozent der Befragten haben hier Maßnahmen ergriffen.
Außerdem wurde umfangreich virtualisiert. Bei 85 Prozent der Befragten verbesserte sich durch Servervirtualisierung die Effizienz . Mehr als zwei Drittel (71 Prozent) konnten sogar angeben, wie hoch die Power Usage Effectivness (PUE) ihres Rechenzentrums ist. (Die Power Usage Effectivness ist eine Kennzahl zur Beurteilung der Effizienz der Rechenzentrums-Infrastruktur.)
Vorbildlich bei der Umsetzung des Green IT Gedankens ist auch die Bundesverwaltung. Sie hat sich im Jahr 2008 das Ziel gesetzt, den Energieverbrauch ihrer IT bis 2013 um 40 Prozent zu reduzieren und dieses Ziel auch erreicht.
Die Deutschen ohne Führung
Auch beim Angebot an neuen und Energie-effizienten Rechenzentrumslösungen scheinen die deutschen Unternehmen auf einem sehr guten Weg. Der seit 2011 durchgeführte Kongress Future Thinking mit der Vergabe des Deutschen Rechenzentrumspreises zeigt jährlich auf, was technisch und wirtschaftlich in Rechenzentren realisierbar ist.
Es gibt aber auch die schlechte Nachricht: Deutschland ist anscheinend auf dem Weg, seine internationale Führungsposition hinsichtlich Energie-effizienten Rechenzentren zu verlieren.
Noch im Jahr 2007 konnte eine wissenschaftliche Untersuchung des Borderstep Instituts feststellen, dass deutsche Unternehmen insbesondere im Bereich der technischen Gebäude-Ausrüstung für Rechenzentren weltweit führend sind. Heute scheint diese Position verloren zu sein, wie ein Blick auf die Patente zum Stichwort „Effiziente Rechenzentren“ zeigt (siehe: Abbildung). Insbesondere China hat die hier die Führung übernommen, aber auch Unternehmen aus Japan und den USA meldeten in den letzten Jahren deutlich mehr Patente zu diesem Stichwort an als deutsche Unternehmen.
Abwanderung der Rechenzentren und der grünen Themen
Auch in der öffentlichen Wahrnehmung findet das Thema „Grüne Rechenzentren“ momentan vornehmlich außerhalb von Deutschland statt. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass die besonders effizienten und umweltfreundlichen Rechenzentren, die weltweite Aufmerksamkeit erhalten, nicht in Deutschland, sondern etwa in den USA, Skandinavien oder Irland gebaut werden.
Beispiele sind die Rechenzentren von Google in Finnland, Facebook in Schweden, Microsoft in Irland oder auch das HPC-Rechenzentrum von BMW in Island. Einige Länder betreiben sogar aktiv Standortpolitik für Rechenzentren: Island lockt mit langfristig garantiert niedrigen Strompreisen und Finnland fördert die Neuansiedlung von Rechenzentren mit einer Reduktion der Stromsteuer.
Auch im Hinblick auf das eigentlich deutsche Thema Energiewende gibt es interessante Entwicklungen. Obwohl es in Deutschland schon seit Jahren eine größere Anzahl von Rechenzentren gibt, die sich zu 100 Prozent mit regenerativ erzeugten Strom versorgen, werden zurzeit US-Unternehmen als Öko-Vorreiter gefeiert. Eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace lobt die amerikanischen Internetgiganten Google, Facebook und Apple, weil sie sich verpflichtet haben, ihre Rechenzentren künftig zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu betreiben.
Mehr Initiative, bitte!
Es wäre sicher gut, wenn das Thema Energie-Effizienz in Rechenzentren in Deutschland (noch) mehr Aufmerksamkeit bekäme – sowohl für das Erschließen weiterer Effizienzpotenziale als auch für den Rechenzentrums-Standort Deutschland. Eine gemeinsame Effizienz-Initiative von Politik und Unternehmen könnte hier einiges beitragen. Auch leicht eingängige Begriffe können sehr helfen, Effizienzthemen in die Breite zu kommunizieren.
Leider scheint „Green IT“ sich hierzu nicht mehr zu eignen. Aber vielleicht wird ja die „Green Cloud“ das Schlagwort der nächsten Jahre.
Der Autor:
Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit stehen Innovationsstrategien, Fragen der Entwicklung nachhaltiger Zukunftsmärkte und die Diffusion neuer Produkte und Technologien, mit dem Schwerpunkt Umweltinnovationen und Informations- und Kommunikationstechnologien.
Er studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und war dort von 1991 bis 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Innovations- und Umweltforschung beschäftigt. Im Jahr 2000 promovierte er am Institut für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen. Von 2001 bis 2009 arbeitete er auf verschiedenen technologischen Gebieten beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. – Bitkom in Berlin, zuletzt als Bereichsleiter IT-Infrastruktur & Digital Office und als Leiter Business Excellence.
Aktuell ist er an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg auch Mitglied des Oldenburg Center for Sustainability Economics and Management (CENTOS). In Oldenburg ist er außerdem als Dozent im Fachgebiet Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit sowie im berufsbegleitenden Masterstudiengang Innovationsmanagement tätig.
Artikelfiles und Artikellinks
(ID:42766156)