Bits & Bäume Widersprüche, neue Ziele und der Energieschock: Neuorientierung nötig!
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„D4S“ (Digitalization for Sustainability), ein zweijähriges, von der TU Berlin initiiertes und hochkarätig besetztes Projekt präsentierte auf dem Kongress „Bits & Bäume“ seinen Abschlussbericht „Digital Reset“. Fazit: Soll Digitalisierung der globalen Nachhaltigkeit dienen, muss sie grundlegend anders gestaltet werden.

„Digitalization for Sustainability“ (D4S) ist ein hochkarätig mit 15 Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus vielen wichtigen europäischen Forschungseinrichtungen besetztes Diskursprojekt der TU Berlin, Lehrstuhl für sozialökologische Transformation. Es präsentierte nach einer zweijährigen Arbeitsphase auf dem zweiten Bits & Bäume-Kongress Anfang Oktober in Berlin seine Ergebnisse. Die erste "Bits&Bäume"-Veranstaltung hatte 2018 stattgefunden. Auch die Robert Bosch Stiftung unterstützte das Projekt und die EU-Kommission entsandte einen Beobachter.
Der Abschlussbericht „Digital Reset“ fordert ein grundlegendes Umsteuern bei der Digitalisierung. Welche konkreten Veränderungen nötig sind, wurde an den Themenbereichen Mobilität, Bauen, Kreislaufwirtschaft, Konsum, Energie und Landwirtschaft beschrieben.
Vernetzung der öffentlichen Verkehrsträger statt privater E-Cars, IT-gestütztes Baustoffrecycling, ein digitaler Produktpass, digitale Unterstützung bei der Vermeidung unnötigen Konsums und so weiter heißen die Vorschläge. Zudem fasste das Gremium seine Erkenntnisse in zehn übergreifenden Punkten zusammen:
- Der „EU Green New Deal“ und „Fit for The Digital Age“, der Digitalisierungsplan der EU, widersprechen sich grundlegend. Während der Green New Deal die europäische Wirtschaft nachhaltig machen will, strebt Fit for the Digital Age vor allem Wachstum und Konkurrenzfähigkeit an, was die sozialökologische Nachhaltigkeitstransformation in Frage stellt.
- Die ökologisch-soziale Transformation von Gesellschaft und Wirtschaft ist ein übergeordnetes Ziel, dem sich Digitalisierung unterordnen muss. Die notwendige ökologische Transformationspolitik muss also auch der Digitalisierung die Richtung vorgeben.
- Krisen wie der Klimawandel rechtfertigen starke politische Eingriffe. Politische Instanzen müssen sich überlegen, was der Einsatz digitaler Technologien erreichen soll und entsprechende Maßnahmen einleiten oder Regulierungen formulieren. IT-Technologien und -Projekte, die ökologischer Nachhaltigkeit, sozialer und globaler Gerechtigkeit dienen, sollten gefördert werden, während gegenläufige Trends einzugrenzen sind.
- Die Digitalsphäre ist partiell noch immer ein rechtsfreier Raum. Regulierung hinkt den Entwicklungen meist um Jahre hinterher. Die Politik muss „vor die Welle“ kommen und die Rahmenbedingungen der Digitalisierung förderlich für die sozialökologische Transformation gestalten. Die EU sollte deshalb sektorspezifische Beratungsgremien für Wissenschaft, Technologie und Innovation einrichten, die die Politik frühzeitig beraten, zum Beispiel über sich andeutende Fehlentwicklungen oder Regulierungsbedarfe.
- Die Entwicklung digitaler Technologien muss demokratisiert werden, damit auch soziale Ziele und digitale Nachhaltigkeit in ihre Gestaltung einfließen, zum Beispiel durch die Beteiligung zivilgesellschaftlicher Akteure und unterschiedlichsten Menschen. Die einseitige Orientierung an Nutzungskomfort, Zeitersparnis oder Produktivitätssteigerung ist obsolet.
- IT-Systeme brauchen mehr Effizienz, lange Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Rezyklierbarkeit und Quelloffenheit. Das reicht jedoch nicht. Auch Suffizienzüberlegungen sind nötig, um eine unsinnige „Überdigitalisierung“ zulasten der Umwelt zu vermeiden. An die Stelle des Mottos „Alles digitalisieren“ muss die sinnvolle wechselseitige Ergänzung analoger Vorgehensweisen und digitaler Technologien treten.
- Die dominierenden digitalen Player haben zu viel Einfluss auf die Technologiegestaltung. Ihre Geschäftsmodelle müssen auf das Gemeinwohl ausgerichtet werden. Der DSA (Digital Services Act) ist hier ein Anfang.
Oligopolistischer Märkte sollten zum Beispiel durch verpflichtende Standards für den Datenzugang und Interoperabilität geöffnet werden. Nicht gewinnorientierte Organisationsformen sollten befähigt werden, vollwertig am Wettbewerb teilzunehmen, gewinnorientierte Firmen anspruchsvolle soziale und ökologische Standards einhalten.
- Die gemeinsame Datennutzung muss strikt und klug reguliert werden. Erste Schritte sind der EU Data Act und der EU Data Governance Act; denn Daten sind die Basis digitaler Nachhaltigkeitsinnovationen. Soziale und ökologische Risiken durch den Dateneinsatz sind zu vermeiden. Daten- Monopole müssen zugunsten eines Datenzugangs für alle eingeschränkt werden. Neue Institiutionen sollten die gemeinsame und gemeinwohlorientierte Nutzung von Daten und datenbasierenden Produkten fördern.
- Eine sozial und ökologisch förderliche Gestaltung der IT-Revolution kann helfen, die Fehler und Irrtümer der industriellen Revolution, vor allem ihren immensen Umweltverbrauch, korrigieren.
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