Bericht vom OpenStack Summit Barcelona 2016 Schnellstarter mit kleinen Schönheitsfehlern

Autor / Redakteur: Ludger Schmitz / Ulrike Ostler |

Zum OpenStack Summit in Barcelona 2016 konnte das riesige Open-Source-Projekt anhaltenden Erfolg verbuchen. Gleichwohl bestehende Defizite haben die Verantwortlichen erkannt.

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(Bild: Ludger Schmitz / BY 3.0)

„The world runs on OpenStack.“ Dieser Satz über der Bühne des OpenStack Summits 2016 in Barcelona, zeigt das Selbstbewusstsein, mit dem das Open-Source-Projekt inzwischen in der IT-Welt auftritt. Microsoft, Google oder Amazon etc. mögen die Aussage bestreiten; aber eingestehen müssen sie, dass im Cloud Computing nichts mehr an OpenStack vorbei geht, letztlich auch für sie nicht.

Das Interesse ist größer denn je

OpenStack scheint ungebremst auf der Erfolgsspur zu sein. Zur Konferenz in Barcelona registrierten sich nach Veranstalterangaben 5200 Personen. Zur letzten der im Zwei-Jahres-Turnus stattfindenden Europakonferenzen von OpenStack, 2014 in Paris, waren es 4600 gewesen, so die Foundation. In Barcelona war das riesige Auditorium im Kongresszentrum CCIB zu den Keynotes so komplett überfüllt, dass auch der große Raum, in den live übertragen wurde, voll besetzt war.

Die Ausstellung und Herstellerpräsentation im „Marketplace“ waren rege besucht. Gleiches gilt für die meisten der zahlreichen Sessions und Vorträge zu Detailthemen. Dieser Teil des Programms war dermaßen umfangreich, dass sich die Veranstalter Gedanken machen müssen, welche Organisationsform den Interessenten einen besseren Überblick über das gewaltige Angebot verschaffen könnte.

Neue Version Newton bringt zahlreiche Verbesserungen

In Barcelona konnte die Foundation von einem anhaltenden Wachstum des Projekts berichten. Kurz vor der europäischen OpenStack-Konferenz 2016 in Barcelona hatte sie die jüngste Version „Newton“ freigegeben. Sie verbessert das Nebeneinander von physischer und virtueller Infrastruktur, die Interoperabilität heterogener Umgebungen, die Nutzung von Containern, die Auslastung und die Skalierbarkeit von Clouds auf OpenStack-Basis. Mehr zu Newton hier in einem separaten Beitrag.

Die Verbesserungen sind auch im Umfeld des Open-Stack-Herzstücks DefCore unübersehbar. Hier sind die von der Foundation offiziell anerkannten Projekte unter dem „Big Tent“ zusammengefasst. Und unter diesem Dach finden sich nun bereits rund 60 Projekte, vor eineinhalb Jahren waren es ein Dutzend.

Label "OpenStack Powered" soll Interoperabilität verbessern

Das noch junge Label „OpenStack Powered“ scheint attraktiv zu sein. Die dafür erforderlichen Interoperabilitätstests haben derzeit 46 Produkte und Dienstleistungen erfolgreich bestanden. Unter ihren 16 Anbietern sind elf Anbietern von öffentlichen Clouds, die weltweit insgesamt 34 Rechenzentren betreiben. Inzwischen hat sich die Anzahl der zu absolvierenden Interoperabilitätstests um vier auf 128 erhöht.

Das Label könnte durchaus dazu beitragen, dass OpenStack-APIs zu Quasistandards im Cloud Computing werden. Entwicklungen in dieser Richtung sieht eine aktuelle Studie von Forrester Research („The State of Cloud Platform Standards“, Q4 2016). Derzufolge bietet bereits nahezu jeder Anbieter von Public, Private oder Hosted Private Clouds ein gewisses Maß an Unterstützung für OpenStack-APIs oder arbeitet daran.

Neue Führungsmitglieder weisen auf Trends hin

Auf seiner Tagung in Barcelona hat das Board of Directors der OpenStack Foundation vier neue Firmen in den auf 24 Mitgliedern begrenzten Kreis der „Gold Members“ aufgenommen, die wiederum das achtköpfige Direktorium wählen. Neu dabei sind City Network und Deutsche Telekom aus Europa sowie China Mobile und 99Cloud aus China. Die Berufungen reflektieren zum einen die wachsenden Zuspruch von Telekommunikations-Unternehmen zu OpenStack und ihr Engagement in der Entwicklungsarbeit. Zum anderen weisen sie auf den besonders ausgeprägten Erfolg von OpenStack in China hin. Bei der Entwicklung der aktuellen Version Newton war erstmals der Anteil der Contributors aus China größer als aus den USA.

Es mangelt an OpenStack-Fachleuten

Eine Erfolgsmeldung vom Barcelona-Summit weist zugleich auf ein Defizit von OpenStack hin: Das Framework ist technisch komplex, und es mangelt eklatant an Fachkräften. So nimmt es nicht wunder, dass die Foundation zur im Mai eingeführten Prüfung zum „Certified OpenStack Administrator“ bereits mehr als 500 absolvierte Prüfungen von Fachleuten aus 50 Ländern meldet. Gutscheine für weitere mehr als 500 Prüfungen sind bereits verkauft. Besonders hoch sei die Nachfrage von Partner wie Rackspace, Linux Foundation und SUSE gewesen.

Die hinterher hinkende Verbreitung von technischem Wissen sei „ein typisches Problem aller schnell wachsenden, jungen Projekte“, meint Jonathan Bryce, Executive Director der OpenStack Foundation, ohne das Problem dadurch beschönigen zu wollen. „Wir arbeiten mit OpenStack-Distributoren daran, mehr Schulungsangebote zu bekommen.“ Er kündigte ein umfangreicheres Programm an.

OpenStack-Projekte sind keine Mammut-Aufgaben

Gleichwohl ist offenbar die verbreitete Ansicht völlig falsch, nur große IT-Organisationen könnten überhaupt OpenStack-Projekte stemmen. Die mit Keynote-Sprechern in Barcelona vertretenen Anwender kamen durchweg mit vier oder fünf IT-Fachleuten bei ihren Projekten aus. Die Zeit von der ersten Planung bis zur Inbetriebnahme einer OpenStack-Cloud betrug sechs bis neun Monate. Die Zahl der in OpenStack-Umgebungen laufenden Anwendungen und Services ist höchst unterschiedlich von wenigen dutzend bis zu weit mehr als 1000. Wichtig ist der Hinweis, dass mit der Zahl der Microservices die Belastung der internen Netzwerke steigt und besonderer Aufmerksamkeit bedarf.

Stark beschäftigt die OpenStack Foundation das Problem der Interoperabilität. In Richtung anderer Clouds oder On-Premise-Umgebungen stimmt die zunehmende Akzeptanz der OpenStack-Standards (siehe das Label OpenStack Powered) optimistisch. Aber in der OpenStack-Historie ist das durchaus problematisch. Denn etliche weit verbreitete Anwendungen sind nur zu überalterten OpenStack-Versionen kompatibel. Das schafft dann bei Upgrades auf die wesentlich besseren jüngeren Versionen Probleme.

Selbstkritische Stimmen aus OpenStack-Kreisen

Anni Lai, Topmanagerin von Huawei, spricht es unumwunden aus: „Interoperabilität ist in der Praxis komplizierter als im Konzept. Wir stehen da noch am Anfang und haben einiges vor uns.“ Die Managerin wird bei dem Thema sehr ernst: „Schlussendlich sind alle OpenStack-Anbieter ein Team. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Firmen zusammenarbeiten, oder die Anwender entscheiden sich für proprietäre Lösungen. Also: Zusammenarbeiten oder sterben. Es gibt eine Menge andere Wege sich als OpenStack-Anbieter zu differenzieren.“

Jörn Kellermann, Senior Vice President Global IT Operations bei T-Systems, kritisierte in Barcelona die Upgrade-Politik vieler Softwareanbieter: „Ein großer Teil des OpenStack-Ökosystems bringt nicht schnell genug Upgrades. Dadurch veraltete APIs sind eine Gefahr für die weitere Entwicklung von OpenStack.“ OpenStack-COO Collier gesteht ein: „Wir haben es nicht einfach gemacht.“ Die Foundation wolle mit Guidelines und Best Pratices die Praxis erleichtern.

Virtualisierung und Cloud erfordern neues Monitoring

Ein weiteres Gebiet hoher Dringlichkeit ist das Benchmarking in OpenStack-Clouds. Das Monitoring-Tool Ceilometer ist dafür nicht ausreichend, auch wenn es gerade einen schnellen Ausbau der Funktionalitäten erlebt. Fokussiert auf die Betriebsüberwachung, schafft es allenfalls Grundlagen für Leistungsmessungen. Das Problem betrifft nicht nur OpenStack. Denn die Virtualisierung hat das klassische Monitoring und Benchmarking komplett verändert. Die entscheidenden Fortschritte erhofft sich die Foundation aus dem Projekt Rally, das zum Big Tent gehört.

Gedrängel im großen Zelt

Die besonders rasante Entwicklung der Projekte im Big Tent ist ebenfalls ein Punkt, der bei OpenStack-Interessierten leicht zu Verwirrung führt. Dafür sorgt allein die schnell zunehmende Zahl der Projekte unter diesem Dach. Dass es jetzt 60 sind, braucht freilich weniger zu irritieren. Denn nach Angaben der Foundation sind nur gut 30 vielleicht für Anwender unmittelbar interessant. Der Rest sind Libraries und andere Erweiterungen.

Die jüngste Anwenderbewertung (hier mehr) hat allerdings hohes Interesse an bestimmten Produkten aus dem Big Tent offenbart. Das könnte Konsequenzen haben. Zum einen will die Foundation ihre Informationen darüber, was sich im Big Tent abspielt und auf was sich die Anwender konzentrieren sollten, verbessern. Zum anderen ist die Trennung zum DefCore wohl keine Mauer auf Dauer. Was künftig zum engeren Kern gehöre, mache man davon abhängig, was die Anwender nutzen, heißt es aus der Foundation.

Wie offen ist OpenStack?

Der kritischste Aspekt an OpenStack ist die Frage: Wie Open ist OpenStack? Schließlich kommt die Praxis einiger Anbieter, OpenStack nur im Verbund mit bestimmter Software oder gar Hardware zu unterstützen, einem Vendor Lock-in sehr nahe. Doch das weist der OpenStack-Frontmann Bryce zurück: „Das erschreckt die Anwender nicht. Viele haben die Distribution schon gewechselt. Und es gibt eine große Vielfalt.“

Die OpenStack Foundation versteht ihr Framework nicht als die allein selig machende Zukunftstechnologie, weil das an der Realität des Nebeneinanders von Public, Private und Hosted Private Clouds sowie On-Premise Computing vorbei ginge. OpenStack-COO Collier empfiehlt Anwendern, „mit Überlegung Arbeiten auf Public oder Private Clouds zu verteilen“. OpenStack habe inzwischen einen Kostenvorteil gegenüber Public-Cloud-Angeboten. Aber die seien vielleicht noch günstiger für Software-Entwicklung und das Testing. Wichtig sei vor allem eins, so Bryce: „Behalten Sie die sensibelsten Daten im Hause!“

Selbstbewusster Blick in die Zukunft

Derzeit schaut es so aus, als komme die Message an, als stehe OpenStack trotz allen Erfolgs erst am Anfang einer noch viel versprechenden Entwicklung. Überall erfahrbar waren in Barcelona das Selbstbewusstsein und der Optimismus der OpenStack-Community. Man darf also gespannt sein auf den nächsten OpenStack Summit im Frühjahr 2017 in Boston. Im Herbst nächsten Jahres folgt ein Summit in Sydney; denn die Herbst-Events wechseln jährlich zwischen Europa und Asien/Australien. Der Ort für die nächste Großveranstaltung 2018 in Europa steht noch nicht fest.

* Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.

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