Rechenzentren in Deutschland im Jahr 2030? Ein Kommentar Ralph Hintemann, Borderstep Institut: „Wir brauchen eine Vision!“
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Wie entwickelt sich die Rechenzentrumsbranche in Deutschland in den kommenden Jahren? Welche Investitionen in Rechenzentrumsinfrastrukturen sind von Unternehmen, einheimischen IT-Dienstleistern und von internationalen Hyperscalern zu erwarten? Wie entwickelt sich der Energie- und Ressourcenbedarf der Branche? Und wie viel Abwärme kann zukünftig aus Rechenzentren genutzt werden?

Über die Antworten auf diese Fragen wird oft spekuliert. Aber so richtig scheint niemand zu wissen, wohin die Reise der Branche liegt. Es fehlt offensichtlich an einer gesellschaftlichen und politischen Zielsetzung, wie sich der hiesige Rechenzentrumsstandort weiter entwickeln soll.
Daher kann auch niemand genau sagen, wie sich die wirtschaftlichen und regulativen Rahmenbedingungen im deutschen Rechenzentrumsmarkt entwickeln werden.
- Ist es für internationale Konzerne attraktiv hier in neue Rechenzentren zu investieren?
- Können nationale, mittelständisch orientierte Anbieter konkurrenzfähige Rechenzentrumsdienste anbieten?
- Oder nimmt die Bedeutung von Deutschland als Standort für Rechenzentren künftig ab?
Rechenzentren müssen nachhaltiger werden.
Auch die Diskussionen um das Energie-Effizienzgesetz zeigen, dass wir für Deutschland keine richtige Vision und erst recht keine Strategie haben, wie sich der Rechenzentrumsmarkt weiterentwickeln soll. Der allgemeinen Forderung, dass die Rechenzentren der Zukunft möglichst nachhaltig betrieben werden sollten, werden die meisten zustimmen können. Wie aber soll sich der deutsche Rechenzentrumsmarkt insgesamt entwickeln?
Soll die Ansiedlung von Rechenzentren gefördert werden? Brauchen wir strenge Vorgaben an die Energie-Effizienz? Können wir riskieren, dass Rechenzentren an Standorte mit niedrigeren Energiepreisen und Umweltauflagen ausweichen? Soll und kann man den Mittelstand der Rechenzentrumsbranche fördern? Auf diese Fragen gibt es kaum Antworten.
Bei den Mobilfunk- und Festnetzen ist die deutsche Strategie deutlich transparenter. Hier ist ein möglichst schneller weiterer Ausbau der digitalen Infrastrukturen gewünscht und wird dementsprechend politisch unterstützt. Ebenso wird die Ansiedlung der energieintensiven Chipproduktion in Deutschland massiv gefördert.
Braucht der Standort Deutschland mehr Rechenzentren?
Man kann sicherlich unterschiedlicher Meinung darüber sein, ob und wie eine Förderung der Rechenzentrumsbranche notwendig ist. Unbestreitbar ist jedoch, dass in Zukunft ein großer Teil der Wertschöpfung auf den Servern in den Rechenzentren entstehen wird.
„ChatGPT“, „Google Bard“ und Co. lassen erahnen, welche Möglichkeiten die Künstliche Intelligenz in Zukunft bieten wird. Und KI braucht Rechenleistung. Wir sollten uns daher möglichst bald darüber klarwerden, wie wir den Rechenzentrumsstandort Deutschland entwickeln möchten.
- Welche Vision kann es für die Branche, die Politik und die ganze Gesellschaft geben?
- Was wollen wir und was wollen wir vielleicht auch nicht? Und wie sieht die passende Strategie dazu aus?
Es braucht es einen Prozess, diese Vision zu entwickeln. Und alle relevanten gesellschaftlichen Stakeholder sollten beteiligt werden. Am Ende des Prozesses sollte eine klare Strategie stehen – am besten eingebettet in eine nationale Digitalisierungsstrategie mit einer übergeordneten Vision.
Wer diesen Prozess anstößt, ist letztlich egal – Hauptsache es geschieht bald.
*Der Autor
Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere den Nachhaltigkeitspotenzialen der Digitalisierung. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit stehen Innovationsstrategien, neue Geschäftsmodelle für Nachhaltigkeitsinnovationen und die Erfolgsfaktoren für die Diffusion neuer Produkte und Technologien.
Ralph Hintemann studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und war dort von 1991 bis 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Innovations- und Umweltforschung beschäftigt. Im Jahr 2000 promovierte er am Institut für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen. Anschließend arbeitete er auf verschiedenen technologischen Gebieten beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. – Bitkom in Berlin, zuletzt als Bereichsleiter IT-Infrastruktur & Digital Office und als Leiter Business Excellence.
Bildquelle: Borderstep Institut
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