Datacenter 2030 .... Ralph Hintemann: Explodiert der Energiebedarf von Rechenzentren?

Von Ralph Hintemann* Lesedauer: 4 min |

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Datacenter und ihre Nachhaltigkeit sind in den letzten Jahren mehr und mehr in den Fokus von Öffentlichkeit und Politik gerückt. Das ist nicht zuletzt durch den hohen Energiebedarf von neuen großen Rechenzentren mit Leistungsaufnahmen bis in den dreistelligen Megawatt-Bereich begründet. Setzt sich dieser Trend fort?

Bis 2030 könnte sich der weltweite Energiebedarf der Rechenzentren verdoppeln. Und in Deutschland?
Bis 2030 könnte sich der weltweite Energiebedarf der Rechenzentren verdoppeln. Und in Deutschland?
(Bild: frei lizenziert: cliff1126 (KI-generiert) / Pixabay)

Kommt jetzt der Edge-Boom? Und wie wird sich der Energiebedarf von Rechenzentren in Zukunft entwickeln?

Diese Fragen sind nicht leicht zu beantworten. Der Markt entwickelt sich dynamisch und die Prognosen von Marktexperten, Analysten und Wissenschaftlern kommen oft zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. So wird seit Jahren ein enormer Boom im Edge-Markt vorhergesagt. 2017 stellte Gartner die Prognose auf, dass der Anteil der Unternehmensdaten, die außerhalb von zentralen Rechenzentren generiert und verarbeitet werden, von 10 Prozent auf 50 Prozent bis zum Jahr 2022 ansteigen wird.

Dass diese Prognose eingetreten ist, kann zumindest angezweifelt werden. Der Markt für Edge Rechenzentren wächst zwar deutlich, ist aber bislang im Verhältnis zum Marktvolumen der großen Hyperscale-Rechenzentren noch sehr klein. Auch zur Frage, wie viele Unternehmen aktuell bezahlte Cloud-Dienste nutzen, kommen die Untersuchungen von Analysten und statistischen Ämtern zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen.

Analysten sind sich einig: Kapazitäten der Rechenzentren werden weiter wachsen

In einem Punkt sind sich aber die meisten Studien und Prognosen einig: Die weltweiten Kapazitäten von Rechenzentren wachsen seit Jahren sehr deutlich und werden auch in Zukunft wachsen.

Die Digitalisierung erfordert mehr und mehr Rechenleistung, sei es nun zentral oder dezentral. So wird ein deutliches Wachstum im Servermarkt vorhergesagt, auch die Leistung der Server wird durch den technischen Fortschritt weiter deutlich ansteigen.

Aber was bedeutet das für den künftigen Energiebedarf der Rechenzentren? Hier gehen die Meinungen sehr deutlich auseinander. Einige Experten - nennen wir sie „Öko-Pessimisten“ - gehen von enormen Steigerungen des Energiebedarfs aus. Für das Jahr 2030 findet man Prognosen, die einen Anstieg um den Faktor fünf bis zehn im Vergleich zu 2010 prognostizieren.

Andere Experten erwarten, dass sich durch Effizienzsteigerungen und Verlagerungen in die Cloud der Anstieg des Energiebedarfs der Rechenzentren in Grenzen halten wird – im besten Fall wird sogar ein Rückgang des Energiebedarfs angenommen. Diese Experten können durchaus als „Effizienz-Optimisten“ bezeichnet werden.

Verdopplung des weltweiten Energiebedarfs der Rechenzentren bis 2030 möglich

Ein „Markt-Realist“ würde die tatsächliche Entwicklung irgendwo zwischen den Extremprognosen sehen. Bis 2030 könnte sich der Energiebedarf der weltweiten Rechenzentren gegenüber dem aktuellen Stand noch einmal verdoppeln. Denn die steigende Effizienz der Systeme ist mit einer deutlichen Zunahme ihrer Leistungsfähigkeit verbunden. Das führt zu immer mehr möglichen Anwendungen, die wiederum den Bedarf an Rechenleistung erhöhen und Investitionen in Rechenzentren lohnend machen.

Es spricht daher einiges dafür, dass auch in Zukunft Rechenzentren immer mehr Strom brauchen werden. Ein kurzfristiger extremer Anstieg ihres Strombedarfs ist allerdings voraussichtlich allein aus praktischen Gründen nicht wahrscheinlich. Schließlich müssten die zusätzlichen IT-Geräte und Rechenzentrumsgebäude auch erst gebaut werden.

Da braucht Zeit und Geld. Und den zusätzlich benötigten Strom wird es auch nicht zum Null-Tarif geben.

Wohin geht die Entwicklung in Deutschland?

In Deutschland ist der Energiebedarf von Rechenzentren in der Vergangenheit kontinuierlich angestiegen. Allein im Stadtgebiet Frankfurt ist der von den Energieversorgern gemessene Stromverbrauch der großen Rechenzentren zwischen 2017 und 2022 um fast 130 Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Kilowattstunden pro Jahr angestiegen.

Auch der Immobiliendienstleister CBRE bestätigt mit seinen Analysen, dass sich die Kapazitäten der Rechenzentren in den europäischen Top-Standorten Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin im genannten Zeitraum mehr als verdoppelt haben. Für Deutschland errechnet das Borderstep-Institut ein Wachstum des Energiebedarfs der Rechenzentren um 35 Prozent auf fast 18 Milliarden Kilowattstunden zwischen 2017 und 2022.

Aber wie wird es in Zukunft weitergehen? Die Frage ist insbesondere, wie sich das weltweite Wachstum der Kapazitäten künftig verteilen wird? Werden, wie in der Vergangenheit, vor allem in den USA und China die meisten neuen Rechenzentren gebaut? Wir stark wachsen Märkte wie Südamerika und Afrika? Und welche Rollen spielt Deutschland künftig im Rechenzentrumsmarkt?

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In einer aktuellen Untersuchung für den Digitalverband Bitkom hat Borderstep die Spannweite der möglichen Entwicklungen des Energiebedarfs bis 2030 abgeschätzt. Im Trend ist mit einem weiteren Anstieg auf über 26 Milliarden Kilowattstunden zu rechnen.

Wächst der Markt noch stärker als in den letzten Jahren, so könnte sich der Energiebedarf sogar auf über 33 Milliarden Kilowattstunden erhöhen. Nur im Fall einer Abwanderung von Rechenzentren ins Ausland wäre es denkbar, dass sich der Energiebedarf der Rechenzentren in Deutschland gegenüber heute nicht mehr merklich erhöht.

Unrealistisch ist keines der Szenarien.

Welche dieser Entwicklungen wird nun eintreten? Unrealistisch ist keines der Szenarien. Wenn wir in Deutschland eine wirkliche Zukunftsvision zum Thema Digitalisierung und Rechenzentren hätten, wäre es einfacher, hier eine Prognose zu treffen. Aber diese Vision fehlt leider noch, wie bereits im Rahmen dieses Blogs diskutiert. Wir sollten schnellstens damit beginnen, eine zu entwickeln!

*Der Autor
Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere den Nachhaltigkeitspotenzialen der Digitalisierung. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit stehen Innovationsstrategien, neue Geschäftsmodelle für Nachhaltigkeitsinnovationen und die Erfolgsfaktoren für die Diffusion neuer Produkte und Technologien.
Sein Fazit lautet: „So oder so: Es bleibt spannend, für die Branche, für die Investoren, für die Politik und auch für Analysten und Wissenschaftler. “

Bildquelle: Borderstep Institut

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