PUE, ein oder kein geeignetes Kriterium für strenge Effizienzvorgaben? Ralph Hintemann: PUE und sonst nichts?
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Die Power Usage Effectivness (PUE) ist ein in der Rechenzentrumbranche vielfach genutzter Indikator für die Effizienz von Rechenzentren. Im neuen Energie-Effizienzgesetz sollen jetzt für Rechenzentren in Deutschland Mindestanforderungen an die PUE vorgeschrieben werden. Braucht man überhaupt solche Vorgaben für die Energie-Effizienz von Rechenzentren? Und wenn ja, welche Besonderheiten sind zu beachten?

Das Thema Energie-Effizienz von Rechenzentren ist ein Dauerbrenner. Schon seit mehr als 15 Jahren werden hierzu zahlreiche Beiträge in Fachmedien publiziert und verschiedenste Whitepaper und anderen Hilfestellungen zu Verfügung gestellt. So hat der Digitalverband Bitkom bereits im Jahr 2008 einen Leitfaden zum Thema Energie-Effizienz von Rechenzentren veröffentlicht.
Aus dem gleichen Jahr stammt die erste Best Practices Sammlung mit Energieeffizienzmaßnahmen im Rahmen des 'EU Code of Conduct for Energy Efficiency in Data Centres'. Hersteller von IT-Geräten und technischer Gebäudeausrüstung bieten vielfältige Lösungen an, die die Energieeffizienz von Rechenzentren verbessern helfen.
Viele Rechenzentren auch heute noch nicht Energie-effizient
Man könnte meinen, neue Rechenzentren sollten mittlerweile sehr Energie-effizient gebaut und betrieben werden - insbesondere im Hinblick auf die hohen Energiepreise sollte Anreiz genug bestehen. Leider scheint dies nicht der Fall zu sein.
Immer wieder wird von Rechenzentren berichtet, bei denen noch hohe Potenziale für mehr Energie-Effizienz vorhanden sind. Auch die Branche selbst argumentiert regelmäßig, wie wenig Energie-effizient viele (On Premise-) Rechenzentren sind und dass große Hyperscale- oder Co-Location-Rechenzentren erheblich effizienter sind. Die Gründe für mangelnde Energie-Effizienz in Rechenzentren sind vielschichtig und reichen von einer „Never-Change-a-Running-System“-Mentalität über fehlende Transparenz und die Komplexität der Zusammenarbeit zwischen IT und Facility Management bis hin zu falschen Anreizen, zum Beispiel bei der Netzentgeltbefreiung.
Vorgaben für Energie-effiziente Rechenzentren sind wichtig
Es ist daher folgerichtig, dass auch der Gesetzgeber aktiv wird und im Rahmen der EU-Energierichtlinie und des deutschen Energie-Effizienzgesetzes Mindeststandards für die Energie-Effizienz festlegen will. Betrachtet man die Anzahl und vor allem auch die Größe der aktuell geplanten Rechenzentrumsprojekte wäre es wenig nachhaltig, wenn diese nicht nach anspruchsvollen Energie-Effizienzstandards gebaut würden.
Die Frage ist aber, wie können solche Energie-Effizienzstandards umgesetzt werden? Es ist naheliegend und richtig, hier auf etablierte und bekannte Effizienzindikatoren zu setzen. Ein solcher Indikation ist die Power Usage Effectivness – oder kurz die PUE. Sie gibt – bezogen auf ein Jahr - das Verhältnis des Gesamtstromverbrauchs des Rechenzentrums zum Stromverbrauch der IT-Komponenten an. Aus der PUE kann also abgelesen werden, wie viel Strom die Rechenzentrumsinfrastruktur im Vergleich zum Stromverbrauch der IT-Geräte gebraucht wird.
Mindestanforderungen an die PUE werden etwa bei Zertifikaten wie dem 'Blauen Engel für Rechenzentren', in der Selbstverpflichtung des 'Climate Neutral Data Center Pact' oder jetzt im Entwurf für das deutsche Energie-Effizienzgesetz festgelegt. PUE-Grenzwerte werden also sowohl von Zertifizierungsorganisationen, von der Politik als auch von der Branche selbst festgelegt und genutzt.
Die Tücken des PUE-Wertes
Dennoch muss klar festgehalten werden, dass die PUE alleine noch keine Aussage über die Gesamteffizienz eines Rechenzentrums erlaubt. Hierzu müssten Indikatoren verwendet werden, die sich auf den Output des Rechenzentrums beziehen, wie die Rechen- und Speicherleistung.
An solchen Indikatoren wurde und wird geforscht. So hat das deutsche Umweltbundesamt im Rahmen des Forschungsprojekts KPI4DCE im Zeitraum von 2015 bis 2017 ein entsprechendes Kennzahlenset entwickelt. Ausgangspunkt für dieses Forschungsprojekt war die Erkenntnis, dass eine Orientierung an der PUE allein zu suboptimalen Entscheidungen führen kann.
PUE kann sich verschlechtern, wenn das Rechenzentrum energie-effizienter wird.
Beispielsweise kann eine Verringerung des Energiebedarfs der Informationstechnik zu einer Verschlechterung der PUE führen. Dies scheint auf den ersten Blick irritierend.
Grund dafür ist, dass die PUE letztlich nur ein Maß für „Nebenaggregate“ eines Rechenzentrums ist und kein Maß für die Effizienz der Informationstechnik selbst. Würde man etwas Ähnliches wie die PUE beispielsweise für ein Elektroauto definieren, so wäre dies das Verhältnis des Gesamtstromverbrauchs (inkl. Heizung, Licht, Bordelektronik) zum Stromverbrauch, der für den Antrieb benötigt wird.
Die Zielsetzung, einen besonders niedrigen PUE-Wert einzuhalten, kann zu unerwünschten und unsinnigen Handeln führen. Eine Reduktion des Stromverbrauchs der IT wird meist den PUE-Wert etwas verschlechtern, da die Aggregate für Kühlung und Stromversorgung nun etwas zu groß ausgelegt wären.
Ein Rechenbeispiel
Hierzu ein kleines Rechenbeispiel. Hat die IT eines Rechenzentrums einen Jahresstromverbrauch von 3.000 Megawattstunden (MWh) und das Rechenzentrum eine PUE von 1,20, so werden für die technische Gebäude-Ausrüstung 600 MWh pro Jahr an Strom benötigt. Nehmen wir an, dass es dem Rechenzentrumsbetreiber gelingt, durch Energie-effiziente IT-Hardware seinen IT-Stromverbrauch um ein Drittel auf 2.000 MWh zu reduzieren – bei gleicher Rechen- und Speicherleistung. Damit reduziert sich auch der Stromverbrauch der existierenden technischen Gebäudeausrüstung – allerdings nicht ganz um ein Drittel, weil ja die nun etwas zu großen Anlagen nicht mehr im optimalen Betriebspunkt und damit etwas ineffizienter betrieben würden.
Nehmen wir an, die technische Gebäude-Ausrüstung würde nach der Verbesserung noch 450 MWh pro Jahr benötigen. Damit würde der Stromverbrauch insgesamt um 1.150 MWh sinken – bei gleicher Rechen- und Speicherleistung. Eine enorme Effizienzverbesserung. Dennoch wäre die PUE etwas schlechter geworden. Sie läge nur noch bei 2450/2000, also bei 1,225.
Hätte der Rechenzentrumsbetreibende jetzt die Vorgabe, seine PUE auf keinen Fall schlechter werden zu lassen, so dürfte er diese Effizienzmaßnahme nicht durchführen – was offensichtlicher Unsinn wäre.
Zu niedrige PUE-Vorgaben können kontraproduktiv sein
Da die IT-Technik im Gegensatz zur technischen Gebäude-Ausrüstung wesentlich häufiger getauscht wird, sind solche Problemstellungen nicht selten. Ähnliche Zusammenhänge gelten auch, wenn zum Beispiel die Software effizienter wird oder wenn IT-Systeme bei Nichtbenutzung abgeschaltet oder in einen Standby-Modus versetzt werden.
Zu enge PUE-Vorgaben können also kontraproduktiv sein. Mehr noch, es ist sogar wahrscheinlich, dass bei bestehenden Rechenzentren solche Zielkonflikte zwischen der Absenkung des IT-Stromverbrauchs und eine sehr niedrigen PUE auftreten.
PUE bezieht sich nur auf den Energiebedarf, nicht auf andere Ressourcen
Eine weitere „Tücke“ einer Fokussierung auf PUE-Werte ist die Tatsache, dass damit andere Ressourcenbedarfe in den Hintergrund treten. So kann eine Verdunstungskühlung zwar den PUE-Wert deutlich absenken helfen, aber leider auf Kosten eines hohen Wasserverbrauchs.
Unerwünschte Ausweichmaßnahmen
Es gibt auch technische Möglichkeiten, den PUE-Wert abzusenken, die insgesamt die Effizienz des Rechenzentrums nicht verbessern. So können beispielsweise die in den Servern verbauten Lüfter genutzt werden, um die Luftzirkulation im Rechenzentrum zu realisieren. Diese sind zwar ineffizienter als große externe Lüfter, aber ihr Stromverbrauch zählt zum IT-Strom.
Diese ineffiziente Maßnahme würde also den PUE-Wert sinken lassen. Ähnliche Effekte hätte zum Beispiel der Einbau von elektrischen Kühlelementen (Peltierelemente) in die Server.
Fazit: Die PUE ist eine wichtige Kennzahl für Rechenzentren, sie muss aber mit Augenmaß bewertet werden.
Als einzig wirklich etablierte Kennzahl für die Effizienz von Rechenzentren ist die PUE ein sehr wichtiges Maß. Moderne Rechenzentren sollten unbedingt Mindestanforderungen an die PUE erfüllen. Wie genau diese Mindestanforderungen allerdings gesetzt werden, muss mit Augenmaß geschehen. Wie die Ausführungen gezeigt haben, können zu niedrige Vorgaben kontraproduktiv wirken.
Von besonderer Bedeutung hierbei ist auch, dass eine sinnvolle Begrenzung der PUE auch von den Rahmenbedingungen abhängig ist. Betreiber großer Cloud-Hyperscale-Rechenzentren können verhältnismäßig gut niedrige PUE-Werte realisieren. Schwieriger wird es schon bei Co-Location-Anbietern, die nur bedingt Einfluss auf ihre Auslastung haben.
Rechenzentren mit sehr hohen Verfügbarkeitsanforderungen und damit redundanter Gebäudeausrüstung können ganz niedrige PUE-Werte möglicherweise kaum erreichen. Hinzu kommt die Abhängigkeit der PUE von den Außentemperaturen – ein Rechenzentrum in München muss mehr Aufwand betreiben als ein Rechenzentrum in Hamburg.
Zum Schluss
Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass die PUE oft schlechter wird, wenn Abwärme aus dem Rechenzentrum genutzt wird, da der Strom für eine Wärmepumpe den Gesamtstrombedarf erhöht. Gut, dass der deutsche Gesetzgeber dies im Entwurf für das Energieeffizienzgesetz berücksichtigt hat.
Der Stromeinsatz von Anlagen, die ausschließlich zu Aufwertung der Abwärme dienen, bleibt hier explizit unberücksichtigt. Wird die PUE so definiert, ist mit etwas Intelligenz bei der Rechenzentrumsplanung beides möglich: Die Nutzung der Abwärme und ein niedriger PUE – da ein Teil der Energie für die Kühlung bzw. den Wärme-Abtransport in diesem Fall bei der PUE-Berechnung nicht mehr berücksichtigt wird.
*Der Autor
Dr. rer. pol. Ralph Hintemann ist Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit. Sein wissenschaftliches Interesse gilt insbesondere den Nachhaltigkeitspotenzialen der Digitalisierung. Im Mittelpunkt seiner Forschungstätigkeit stehen Innovationsstrategien, neue Geschäftsmodelle für Nachhaltigkeitsinnovationen und die Erfolgsfaktoren für die Diffusion neuer Produkte und Technologien.
Ralph Hintemann studierte Maschinenbau und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen und war dort von 1991 bis 2000 als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit den Schwerpunkten Innovations- und Umweltforschung beschäftigt. Im Jahr 2000 promovierte er am Institut für Wirtschaftswissenschaften der RWTH Aachen. Anschließend arbeitete er auf verschiedenen technologischen Gebieten beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien e.V. – Bitkom in Berlin, zuletzt als Bereichsleiter IT-Infrastruktur & Digital Office und als Leiter Business Excellence.
Bildquelle: Borderstep Institut
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