OpenStack-Direktor Jonathan Bryce über die Zukunft des Private-Cloud-Projekts OpenStack beginnt eine neue Entwicklungsphase

Autor Ludger Schmitz |

Vor vier Monaten hat es sich angekündigt, in der neuen Version „Queens“ zeigen sich erste Ergebnisse: „Manageability“ erhält bei OpenStack erheblich mehr Gewicht. Was das heißt, erklärt Projektleiter Jonathan Bryce im Gespräch mit DataCenter-Insider.

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Jonathan Bryce, Executive Director der OpenStack Foundation
Jonathan Bryce, Executive Director der OpenStack Foundation
(Bild: Ludger Schmitz / CC BY 3.0 / BY 3.0)

Seit der Gründung des Open-Source-Projekts OpenStack für offene Private Clouds gibt es die Kritik, die Plattform sei „schwer“, verlange von den Anwendern viel Knowhow. Mit der rasanten Entwicklung seiner Teilprojekte zu einer sehr umfassenden Plattform haben nicht nur die Beschwerden in dieser Richtung zugenommen. Vielmehr kam hinzu, dass es für Entscheider zunehmend schwieriger wurde, welche Teilelemente für ihre Vorhaben notwendig und reif genug für die praktische Anwendung sind.

Integration und Betrieb sind vordringliche Probleme

Diese Situation wurde auf dem OpenStack Summit in November 2017 in Sydney so deutlich angesprochen, dass die Leitung der OpenStack Foundation (OSF) vor der Presse reagierte. Deren Executive Director, Jonathan Bryce, erklärte damals: „Das größte Problem mit Open Source ist heutzutage nicht Innovation; es ist Integration und Betrieb.“

Das hat Konsequenzen gehabt. In den Neuerungen der 17. OpenStack-Version Queens ist deutlich das Bemühen zu erkennen, die Manageability zu verbessern, Details hier. Eins ist dabei nicht zu übersehen: Die Neuerungen in „Cinder“, die Unterstützung von vGPUs in „Nova“ und vor allem die Einführung von „Cyborg“ zum Management von Hard- und Softwarebeschleunigern kommen vor allem High-end-OpenStack-Umgebungen zugute. Auch mit dem neuen „Ironic Rescue Mode“ und dem Kuryr CNI Daemon werden sich OpenStack-Einsteiger kaum befassen.

Die Spuren der engagierten Großanwender

Das hat seine Ursache darin, dass einige Großanwender von OpenStack auch in dessen Entwicklung sehr aktiv sind. Im Gespräch mit DataCenter-Insider (DCI) lobt OSF-Geschäftsführer Bryce an erster Stelle „die Linux-Distributionen, vor allem Red Hat und Suse“, und zählt gleich danach Telecoms auf: „AT&T, China Mobile, NTT, Deutsche Telekom“.

Allerdings sei das nicht alles, so Bryce: „Wir stellen fest, das sich immer mehr Organisationen aus ganz unterschiedlichen Branchen engagieren.“ Er nennt als Beispiel China Rail, die nationale Eisenbahngesellschaft. „Außerdem muss ich den Finanzsektor erwähnen, wo es neue Anwendungen, beispielsweise in Richtung Kreditkarten-Services, gibt.“ Im Herbst letzten Jahres hat sich eine Working Group Financial Services gebildet. „Die reden jetzt darüber, welches Features sie benötigen und welche Muster es für den Betrieb von OpenStack in ihrem Bereich gibt.“

Erste Vorteile für Normalanwender

Immerhin gibt es unter den Neuerungen in der Version Queens auch Dinge, die für Einsteiger und Anwender nicht so großer OpenStack-Umgebungen hilfreich sein dürften. Das ist zum Beispiel der neue Containerdienst „Zun“, mit dem Nutzer schnell Container starten und betreiben können, ohne dabei auch noch Server oder Cluster verwalten zu müssen. Zun integriert wesentliche OpenStack-Elemente selbständig.

Andere Beispiele sind „LOCI“ und „Helm“. Ersteres erstellt Images von OpenStack-Services. Die lassen sich dann per Helm, einem Tool-Set zum Lifecycle-Management, komfortabel ablegen, starten und stoppen. Sie machen Upgrades von OpenStack zumindest etwas einfacher, eine wichtiger Forderung aus Anwenderkreisen. Dies zeigt an, dass es der OpenStack-Initiative Ernst damit ist, die Hürden zum Einstieg und beim täglichen Betrieb in normalen Umgebungen abzubauen.

Neues Thema: Edge Computing

In der OpenStack-Organisation tut sich ein ganz neues Arbeitsthema auf. „Momentan sehen wir besonders Zulauf beim Thema Edge Computing“, erklärt Bryce. „Da kommen derzeit im OpenStack-Projekt viele User aus unterschiedlichen Branchen zusammen, die in Sachen Edge, Cloud und OpenStack zusammenarbeiten wollen.“ In der OSF hat sich eine spezielle Arbeitsgruppe „Edge Computing Initiative“ gebildet, die vor kurzem ein Whitepaper „Cloud Edge Computing – Beyond the Data Center“ vorgelegt hat.

Doch damit wird das Funktionsspektrum von OpenStack noch breiter; es wird unübersichtlicher, was OpenStack alles zu bieten hat. Für Bryce ist das ein generelles Problem von Open Source: „Die Entwicklungen im Open-Source-Bereich ist derart rasant. Die IT-Verantwortlichen haben nicht die Zeit, alle Entwicklungen im Überblick zu haben.“ Die ersten Gegenmaßnahmen sind eingeleitet, so der OSF-CEO: „Wir haben angefangen, das Material, was wir veröffentlichen, neu zu gestalten: die Website, die Übersicht unserer Projekte etc.“

"Use Cases" exemplarischer Anwendungen

Auch damit ist es nicht getan. Schon in Sydney wurde kritisiert, dass die Reife der OpenStack-Entwicklungen nicht zu erkennen sei. Darauf antwortet die OSF mit „Use Cases“, ein Begriff für Beispielanwendungen, der auf der Website und in Publikationen jetzt auffällig oft platziert ist.

Bryce beschreibt die Herangehensweise so: „Wir versuchen, die Anwendungsmuster zu identifizieren, nach denen Anwender OpenStack Private Clouds verwenden. Wir wollen vorstellen, welche unserer Projekte für welche Anwendungsszenarien wirklich ausgereift sind. Wir machen das nicht nur für Edge Computing, Container Workloads, Machine Learning, sondern auch für grundlegende, klassische OpenStack-Anwendungen.“

Was wird aus dem "Big Tent"-Umfeld?

Die Ausrichtung auf beispielhafte Anwendungsfälle wirkt darüber hinaus, nämlich in die Organisation von OpenStack. Bis jetzt gibt es eine Trennung zwischen „Def Core“, dem „heiligen“ Kern von OpenStack, und dem „Big Tend“, dem offiziell anerkannten Drumherum. Letzteres besteht aus rund 60 Projekten, von denen etwa zwei Dutzend für Anwender wichtig sein könnten.

Allerdings sind die Grenzen dieser „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ wohl etwas fließend. Im Gespräch zählen OpenStack-Leiter mit hübscher Regelmäßigkeit Elemente aus beiden Kategorien zu den „Kernprodukten“. Auch deshalb steht diese Organisationsform zur Debatte – eine neue Form ist aber noch nicht gefunden. Zunächst einmal geht es daher um die Inhalte der Arbeiten.

Folgen des schnellen Wachstums

„Wir sind von einer Hand voll Projekten zu dutzenden davon gewachsen“, begründet Bryce zunächst eine Problematik des schnellen OpenStack-Wachstums. „Aber wir haben keine Informationen geliefert, für was man sich interessieren sollte, um bestimmte Aufgaben zu erledigen. Wir haben auf Big Tent verwiesen. Was wir jetzt wollen, ist eine andere Art von Big Tent, die anhand von Use Cases besser aufzeigt, wie man erfolgreich OpenStack verwendet.“

Es bleibt abzuwarten, ob das reicht. Die Debatte um Big Tent – Bryce: „Manche mögen die Definition, andere hassen den Begriff“ – wird wohl anhalten. Es fällt allerdings auf, dass die Führungsmannschaft von OpenStack den Begriff nur noch selten, offenbar ungern, verwendet, und wenn, dann vorzugsweise in der Vergangenheitsform.

Sicherheit bleibt ein Thema

Eine andere Debatte steht bei OpenStack noch in den Anfängen, die über Security. Auf dem Summit in Sydney hatte Sorabi Saxema, ein OpenStack-Verantwortlicher von AT&T, gefordert: „Die nächste Generation von OpenStack muss Security by Design umfassen, unter anderem mit standardisierten Scans und rollenbasierenden Zugriffsrechten.“

Mit der Version Queens ist es noch nicht so weit. OpenStack-CEO Bryce antwortet auf diesen Punkt eher verhalten: „Wir haben schon seit längerem ein Team in OpenStack-Projekt, dass sich mit generellen Sicherheitsfragen von OpenStack insgesamt beschäftigt. Wir arbeiten jetzt stärker an Security-Fragen in Anwendungsbereichen, beispielsweise im Finanzwesen, wo Sicherheit extrem wichtig ist. Ähnlich entstehen solche Teams für Telecoms etc.“

Neue Programme sind gestartet

In Grenzen halten sich anscheinend auch die Fortschritte beim noch jungen „Public Cloud Passport Program“. In dessen Rahmen würden, so Bryce gegenüber DCI, „rund 60 Public-Cloud-Rechenzentren OpenStack anbieten“. Allerdings wurde diese Zahl auch schon vor Monaten genannt.

Bryce scheint einen Haken an solchen Angeboten zu sehen: „Ich wünsche mir eine bessere, tiefere Kommunikation und Integration zwischen unseren Services in solchen Cloud-Angeboten. Wir haben eine Grundlage geschaffen und ich bin optimistisch, dass sich solche Angebote ausweiten werden.“

Das OpenLab macht sich bezahlt

Besser steht es um die ebenfalls etwa ein halbes Jahr alte „OpenLab Initiative“, ein Testing- und Integrationsprojekt, das unter anderem Intel und die Deutsche Telekom gestartet haben. Die Initiative hat sich wie angekündigt als erstes an die Kubernetes-Integration gemacht. Bryce berichtet: „Tatsächlich haben sie entdeckt, dass es bei der Integration von OpenStack und Kubernetes im Code Schwachstellen gibt.“

Die Befunde seien an die Projekte zurückgeflossen, um bei Upgrades berücksichtigt zu werden. Bryce: „Die Initiative ist erst seit drei Monaten richtig aktiv, aber sie beeinflusst bereits verschiedene Technologien und ihre Integrierbarkeit.“

Im Herbst bietet sich deutschen Interessenten eine besonders günstige Gelegenheit, OpenStack besser kennenzulernen.
Im Herbst bietet sich deutschen Interessenten eine besonders günstige Gelegenheit, OpenStack besser kennenzulernen.
(Bild: gemeinfrei, OpenStack Foundation / CC0 )

Bryce zeigt sich insgesamt „sehr optimistisch über die weitere Entwicklung von OpenStack“. Insbesondere werde die Orientierung auf Use Cases bereits bei den nächsten Summits zu spüren sein. „Wir fokussieren jetzt auf Use Cases, um zu erklären, was wir machen.“ Das werde bereits den nächsten Summit vom 21. bis 24. Mai 2018 in Vancouver prägen. Im Vordergrund stehen nicht Technologievorführungen wie bisher auf solchen Events, sondern Use Cases.

Deutschen Anwendern und Interessenten bietet sich im Herbst eine sehr günstige Möglichkeit, sich über exemplarische OpenStack-Anwendungen zu informieren. Der übernächste OpenStack Summit findet vom 13. bis 15. November 2018 in Berlin statt.

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