Azure in Deutschland Microsofts neue Expedition in die Cloud-Region Germany

Autor Dr. Stefan Riedl

Wie passt zusammen, dass Microsoft feierlich die „Cloud Region Deutschland“ mit zwei neuen Rechenzentren eröffnet, jedoch bei genauerem Hinsehen hierzulande bereits der vierte Cloud-Standort online geht? Die Hintergründe sind vor allem rechtlicher Natur.

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Microsoft steuert erneut die Cloud-Region Deutschland an.
Microsoft steuert erneut die Cloud-Region Deutschland an.
(Bild: storm - stock.adobe.com)

Microsoft verkündete vor kurzem, dass „ab sofort ein neues, umfassendes Angebot seiner weltweiten Cloud-Lösungen aus lokalen Cloud-Rechenzentrumsregionen in Deutschland angeboten wird.“ Unternehmen, die auf die Microsoft-Cloud setzen, sollen so „lokale Anforderungen an Datenhaltung, Sicherheit und Compliance“ erfüllen können.

„Microsoft Azure“ sei der erste Dienst, der jetzt aus den neuen Cloud-Regionen verfügbar ist.“ Das hört sich zunächst danach an, dass es sich um eine – wenn man so will – „Erstbesiedelung“ der Cloud-Region Deutschland mit Microsoft-Rechenzentren handelt. Allerdings zeigt eine Übersichtskarte der 54 weltweiten Regionen der globalen Azure-Infrastruktur für Deutschland folgende Standorte:

  • Germany West Central
  • Germany North
  • Germany Northeast
  • Germany Central

„Microsoft Cloud Deutschland“

Der Software-Konzern eröffnet also zwei neue Rechenzentren in Deutschland und dann sind es vier? Der Widerspruch erklärt sich folgendermaßen: Die beiden Datacenter-Standorte „Germany North“ und „Germany West Central“ sind neu und Teil der internationalen Microsoft Cloud. Germany Northeast und Central gibt es schon länger und stehen im Zusammenhang mit der „Microsoft Cloud Deutschland“, die für Bestandskunden zur Verfügung steht. Denn es handelt sich nicht um die erste Expedition Microsofts in die „Cloud-Region Germany“ mit all ihren Eigenheiten.

So versuchte es Microsoft hierzulande mit einem weltweit einzigartigen Datentreuhändermodell, bei dem T-Systems den Zugriff auf die Kundendaten kontrollierte, nicht Microsoft. Hintergrund hierfür waren rechtliche Bedenken in Hinblick auf US-Gesetzgebung, die US-Behörden unter Umständen auch Zugriff auf Kundendaten US-amerikanischer Cloud-Dienstleister gewährt, wenn diese im Ausland (beispielsweise Deutschland) gespeichert wurden.

T-Systems sollte als Unternehmen mit Sitz in Deutschland nicht dazu gezwungen werden können. Allerdings ging dieser Dienst aufgrund des höheren Aufwandes mit höheren Kosten einher. Der Aufpreis bewegte sich im zweistelligen Prozentbereich. Im November 2015 hat Microsoft hierfür angekündigt, zwei Rechenzentren in Deutschland für diese geschützte „Microsoft Cloud Deutschland“ zu installieren.

„Verträge sind einzuhalten“

Dann folgte der Rückzug: Microsoft kündigt an, seine Cloud-Dienste ab 2019 aus neuen Rechenzentren in Deutschland bereitzustellen – die nun eröffneten Standorte „West Central“ und „North“. Man reagiere damit auf „veränderte Kundenanforderungen“, hieß es aus dem Hause Microsoft.

Konkret: „Unsere Kunden wünschen sich umfassendere Funktionalitäten und die Konnektivität mit unserer globalen Cloud-Infrastruktur, die die souveräne Microsoft Cloud Deutschland mit ihrer besonderen Isolierung nicht ermöglicht.“ Salopp formuliert könnte man sagen: „Keine Extra-Würste mehr für Deutschland.“

Für Verträge gilt jedoch bereits seit dem römischen Recht „Pacta sunt servanda“ („Verträge sind einzuhalten“), so dass sich Microsoft zwar weigern kann, neue Kunden für das T-Systems-Treuhänder-Modell anzunehmen, die Verpflichtungen aus bestehenden Verträgen müssen jedoch erfüllt werden. Das geschieht aus den Rechenzentren „Northeast“ und „Central“ heraus.

Doch die rechtlichen Gründe, die zum Datentreuhändermodell führten, sind nach wie vor gegeben. Was sich verändert hat, sind laut Microsoft die Kundenanforderungen. Auf Nachfrage teilte das Software-Unternehmen mit: „Obgleich die Datenhaltung in Deutschland für 72 Prozent der deutschen Unternehmen nach wie vor wichtig ist, haben sich die Anforderungen an Cloud-Services weiterentwickelt. Unternehmen suchen heute auch nach globaler Konnektivität, integrierbaren Lösungen und Zugang zu den neuesten, intelligenten Diensten, um ihre globale Geschäftstätigkeit zu unterstützen und ihre Innovationsfähigkeit zu stärken.“

Geschwindigkeitsvorteile

Mit anderen Worten: Nicht genügend Kunden waren bereit, den Aufschlag für die T-Systems-Treuhänderschaft zu zahlen und das Modell „Microsoft Cloud Deutschland“ passt nicht zur globalen Natur der Microsoft-Infrastruktur. Durch die regionale Nähe zu den beiden neuen Rechenzentren würden sich zudem für einige Kunden Geschwindigkeitsvorteile ergeben.

Die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass sich für das Treuhändermodell nicht genügend Kunden gefunden haben, weswegen die Notbremse gezogen wurde. Auch der Diskurs rund um Datensicherheit in der Cloud hat sich geändert. Viele Kunden nehmen etwaige Unsicherheiten in Kauf, denn die Gesamtabwägung ist komplex und führt zu keinen einfachen Antworten (siehe Kommentar). Allerdings scheint sich auch das Lager derer, die aus Prinzip keine „Server fremder Leute“ und damit keine Public Cloud nutzen wollen, zu verfestigen.

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