Das Internet der Dinge ist im Überholvorgang begriffen KFZ-Versicherungen sorgen für exzellente Autofahrer

Autor / Redakteur: Walter Schadhauser / Rainer Graefen |

Autofahren will gelernt sein. Doch selbst wenn einige es perfekt beherrschen, sorgt das Solidaritätsprinzip der Versicherungen dafür, dass die Policen immer teurer werden. Die individuelle Fahrkunst wurde bislang nicht bewertet. Das soll jetzt anders werden.

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Big Data im Straßenverkehr: Zahlt sich in Zukunft ein sicherer Fahrstil für den Versicherten aus?
Big Data im Straßenverkehr: Zahlt sich in Zukunft ein sicherer Fahrstil für den Versicherten aus?
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Wem Verkehrserziehung und gestaffelte Schilderwälder schon immer sinnvoll erschienen sind und wer an die Verkehrsüberwachung keine Verwarnungsgelder abführt, der hat im Sinne der Verkehrspolitik sicherlich seinen fahrerischen Zenit erreicht.

Versicherungskostentechnisch wirkt sich dieses langjährige Training in Selbstbeherrschung jedoch wenig aus. Eigentlich im Gegenteil. Gab es früher einige wenige Schadenfreiheitsrabatte und Regionalklassen, so muss man heute gefühlt mit 16 Jahren das Fahren erlernen, um dann bei Eintritt der Rente endlich die höchste Rabattstufe in der KFZ-Versicherung erreicht zu haben.

Verkehrserziehung aus der Ferne

Für Versicherer spiegeln diese verkleinerten Risikogruppen mehr Gerechtigkeit wider. Doch der Trend geht woanders hin. Die angloamerikanische Versicherungsbranche sorgte im deutschen Blätterwald im Januar 2014 für gesteigerte Erregung über ein neues KFZ-Versicherungsmodell. Das ist eine „Revolution der KFZ-Versicherung“ verkündete in großen Lettern die Sonntagszeitung FAS.

Georg Wiora, Executive IT Architect im Industry Business Development Team Insurance bei IBM Global Services, weiß den Grund: „Pay how you drive!“ Dabei bauen Partnerunternehmen der Versicherungen ein kleines „schwarzes“ Kästchen (Blackbox) ins Auto ein, das relevante Parameter der jeweiligen Fahrkunst aufzeichnet, versendet diese anonymisiert über einen Telefon-Provider und der Autobesitzer spart.

Weitere Testballons wie „Zahle nur, wenn du fährst“ oder „Bonusmeilen“, wenn man eine gewisse Strecke unfallfrei unterwegs war, beruhen alle auf der oben erwähnten Zusatzausstattung im Motorraum. Aus und vorbei sei damit die lang gepflegten Attitüde „freie Fahrt für freie Bürger“, monierten Kritiker, und dass sich die Autofahrer den damit verbundenen rüpelhaften Fahrstil für billig Geld würden abkaufen lassen.

Belohnung und Strafe

„Die Blackbox untergräbt den Versicherungsgedanken der Gegenseitigkeit nicht“, sagt Wiora, „sie ermöglicht die individuelle Einflussnahme auf die bisherige Versicherungspraxis der Risikobeurteilung des Fahrzeughalters“. Laut Wiora liegen die Gefahren woanders: „Erstens bei den Versicherungen selbst und zweitens bei der mangelhaften Führung des Versicherungsnehmers.“

  • Versicherungen gehen geschäftsgemäß mit personenbezogenen Daten um. Die Gemeinschaft der Versicherer (GdV) fordert deshalb mit großem Nachdruck, dass solche Daten weder den europäischen Rechtsraum verlassen dürfen, noch dass diese in einem Cloud-Speicher abgelegt werden dürfen.
  • Für den Versicherten gibt es beim aktuellen Blackbox-Modell keine Rückmeldung. Zwar wird sein Fahrverhalten akribisch aufgezeichnet, er weiß damit aber noch lange nicht, ob sein Fahrstil dem Versicherungstarif „Fahr wie ein Mädchen“ entspricht, damit er den Rabatt nicht verwirkt.

Für die KFZ-Versicherungen beginnt mit der Rabattierungsdroge Blackbox und dem Einstieg in das Internet der Dinge erst das richtige Datensammeln. Sie versichern schließlich Risiken und wie diese mathematisch korrekt tarifiert werden. Mit der Blackbox bekommt man exakte Hinweise über Fahrmuster, eventuell nach Lebensalter und Geschlecht getrennt, über regionales Draufgängertum, weil man die GPS-Daten hat, und über andere Parameter mehr, die sich nun viel exakter herunterbrechen lassen.

Und eines darf der versicherte „Datenproduzent“ auch nicht aus den Augen verlieren. Die süßen Verlockungen niedriger Tarife können bei Regelverstößen schnell ins Gegenteil umschlagen. Die ersten Versuche, Alkohol am Steuer zu unterbinden, gab es ja schon mit dem Blasröhrchen. Es wäre kein großer Schritt, der Blackbox über die Sim-Card die Fahrerlaubnis zu entziehen.

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