Notbremse oder Schikane? Keine neuen Datacenter mehr! Region Amsterdam verfügt Baustopp
Das kommt unerwartet: Mit sofortiger Wirkung stoppt die Metropolregion Amsterdam (AMA), zu der Amsterdam und Haarlemmermeer gehören, das Errichten neuer Rechenzentren in dieser Region – zumindest vorläufig. Eine Belebung sähe neue Auflagen für den Umweltschutz vor.
Anbieter zum Thema

Einer offiziellen Regierungserklärung zufolge nehmen Rechenzentren im Raum Amsterdam viel Platz ein und belasten somit das Stromnetz stark. Das ist der Stadträtin für Amsterdam Nachhaltigkeit und Raumentwicklung, Marieke van Doorninck, ein Dorn im Auge. Sie ist zwar von einem vorübergehender Stopp die Rede, doch hat die dortige Regierung bereits einige Auflagen gefordert – etwa eine kostenlose Bereitstellung von Datacenter-Abwärme, mit der dann andere Häuser beheizt würden.
In einem Bericht der auf der Site „Hosting Journalist“ wird van Doorninck folgendermaßen zitiert: „Wir werden im Bereich der kostenlosen Bereitstellung von Restwärme für das Heizen von Wohnungen und die Nutzung von Ökostrom fordern. “ Sie macht zudem darauf aufmerksam, warum der Bedarf an Rechenzentren derzeit so enorm steigt. Es sei „in gewisser Weise eine Folge unseres eigenen Konsums“, so die Ratsfrau. Denn heute wolle jeder den ganzen Tag über auf unseren Handys und Laptops online sein.
Der Platz ist knapp
„Bis zu einem gewissen Grad werden wir die damit verbundene Infrastruktur akzeptieren müssen, aber der Raum in Amsterdam ist knapp. Als Kommunen wollen wir daher mehr Kontrolle über die Errichtung neuer Rechenzentren haben.“ Sie wolle die Betreiber bitten, zu den nachhaltigen Aufgaben der Stadt beizutragen.
Wie schon vielfach berichtet, ist die Anzahl und Größe der Rechenzentren in der Metropolregion Amsterdam (AMA) ist in den letzten Jahren stark gestiegen – wie in London, Paris und Amsterdam. Heute gehört die Region definitiv zu denen mit der größten Rechenzentrumsdichte weltweit.
Die Ankündigung trifft die die niederländische Rechenzentrumsbranche anscheinend relativ unvorbereitet. In einer offiziellen Reaktion verbreitet der niederländische Rechenzentrumsverband, zu dem Unternehmen wie Equinix, Iron Mountain, Maincubes, Interxion, E-Shelter, ITB2 Datacenters, The Datacenter Group, BIT und Switch Datacenters gehören: „Wir sind überrascht, dass gegenwärtig eine solch rigorose und plötzliche Entscheidung wie diese fällt“, heißt es. Es handele sich schließlich um eine Branche, die sich stark für Nachhaltigkeit einsetze und im Vergleich zu anderen Branchen nur sehr wenig Platz einnehme.
Doch auch in den Niederlanden, besteht wie hierzulande ein großer Bedarf an zusätzlichem Wohnraum. So sagt die Haarlemmermeer-Ratsherrin Mariëtte Sedee, zuständig für Raumentwicklung, Umwelt und Landwirtschaft: Der Druck, die Flächen für die Wohnbebauung zu nutzen sei enorm. Zudem solle der Raum für Freizeit und Grünflächen erhalten bleiben. So sei es notwendig, dass sich die Behörden besser um die Standortentwicklung kümmerten und Richtlinien entwickelten, um die Datacenter-Ausbreitung zu regulieren.
Die Regeln passen nicht
Bisher sei das schlichtweg unmöglich; denn die Rechenzentren passten fast immer in jeden Bebauungsplan. Und die Stromanbieter Tennet und Liander seien nun einmal zur Stromversorgung verpflichtet.
Doch auch die Regierung vor Ort negiert die Bedeutung der Rechenzentren nicht. Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung sowie der enormen Investitionen und der Wachstumsziele der Region sei aber eine neue Politik erforderlich. Ziel wäre es, dass Rechenzentren möglichst wenig Platz einnähmen und sich (architektonisch) gut in ihre Umgebung einfügten.
Zudem lieferten die Rechenzentren mit der Möglichkeit die Ab- beziehungsweise Restwärme Haushalten vor Ort zur Verfügung stellen zu können, ihre eigene Begründung, warum die Lokalpolitik den Aufbau von Rechenzentren nicht vollständig stoppen will: Sie könnten zur Nachhaltigkeit der Amsterdamer Wärmeversorgung beitragen. So werden auch Projekte, die schon begonnen sind und die mit den aktuellen Richtlinien übereinstimmen, vorerst genehmigt. Doch Ende dieses Jahres sollen die neuen Vorschriften fertig sein.
Reaktion des Branchenverbands
Der niederländische Rechenzentrumsverband befürchtet indes „schwerwiegende nationale Folgen“. In der Stellungnahme heißt es: „Dieser plötzliche Schritt ignoriert die Maßnahmen, die die Branche selbst ergriffen hat, und den Dialog, den sie bereits seit Jahren führt.“ So liefen mehr als 80 Prozent der Rechenzentren heute mit grünem Strom. Außerdem löse die Herausforderungen, um die es eigentlich gehe, nicht: ein infrastrukturelles Problem der Energieknappheit aufgrund unzureichender Energienetzleistung und Wärmenetze."
Außerdem habe die Branche 2017 bot der Rechenzentrumssektor der niederländischen Regierung „sein einziges Abfallprodukt“, die Restwärme aus dem Rechenzentrum, kostenlos angeboten, um die Ziele der Energiewende zu unterstützen. Zugleich suche die Branche den Dialog mit Regierungen und der Gesellschaft, und organisiere eine jährliche Konferenz zum Thema, um die Abwärmenutzung zu beschleunigen, so die Dutch Data Center Association
Dies alles habe immerhin dazu geführt, dass die Abwärme aus Rechenzentren 2018 als „erneuerbare Energie“ eingestuft wurde, so dass eine wichtige Rolle in der BENG-Richtlinie spielen könne (Dabei gilt für alle Neubauten beziehungsweise für die Genehmigungsanträge, die ab dem 1. Juli 2020, dass sie den Anforderungen an nahezu energieneutrale Gebäude (BENG) erfüllen müssen, und ist ein Ergebnis des Energieabkommens für nachhaltiges Wachstum und der europäischen EPBD-Richtlinie).
Zudem sei in diesem Jahr in Absprache mit dem Innenministerium und dem Team um das Implementierungsprogramm der Raumentwicklungsstrategie (REOS) eine nationale Rechenzentrumsstrategie veröffentlicht worden, um sicherzustellen, dass Planung, Leistung und Energiewende so effektiv wie möglich koordiniert werden könnten. Eine solche restriktive Politik sei daher unnötig.
(ID:46029304)