Datenschutz und -souveränität der EU bei Oracle Irgendwo zwischen public und private: die Sovereign Cloud
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Die Sovereign-Cloud ist kein definierter Begriff, hat keinen festgelegten Anwenderkreis, ist auch keine EU-Erfindung; fix ist aber, dass in einer solchen Datenschutz und -souveräninät, etwa bezogen auf die Europäische Union, eine wichtige Rolle spielen, wichtiger als in der public Cloud, der Handlungsspielraum aber größer ist als in einer privaten Wolke. Oracle bietet nun eine „EU Sovereign Cloud“ und Tobias Deml von Oracle erläutert die Alleinstellungsmerkmale.

Zu Beginn seiner Ausführungen zitiert Deml den Versuch von Gartner-Analysten Sovereign Cloud zu definieren: Demnach ist digitale Souveränität keine binäre Eigenschaft einer IT-Umgebung, sondern bezieht sich auf mehrere Ebenen und Fähigkeiten, um die technische Selbstbestimmung von Organisationen zu gewährleisten (siehe: Abbildung).
Das Oracle-Angebot EU Sovereign Cloud beansprucht, alle Kriterien auf den unterschiedlichen Ebenen zu erfüllen:
- 1. Die Daten-Souveränität: Das bezieht sich darauf, wo die Daten liegen, wie sie in der Cloud abgeschirmt werden und wer zuständig ist.
- 2. Interoperabilität bedeutet: Kein Vendor Lock-in, also Herstellerabhängigkeit
- 3. Zugangsverwaltung für Kunden und Lieferanten und lokale Verschlüsselung
- 4. Geschäftskontinuität und Notfallwiederherstellung, Redundanz
Die Daten-Souveränität
Oracle ist ein amerikanisches Unternehmen und unterliegt damit der US-Gesetzgebung, was unter Umständen den dortigen Behörden und Ämtern das Recht gibt, auf alle Daten, die in der Public Cloud von Oracle liegen, zuzugreifen, Stichwort: Privacy Shield. Doch die EU Sovereign Cloud soll das ausschließen. Die neue Sovereign Cloud-Region aber unterliegt einer umfassenden Reihe von Sicherheits- und Governance-Richtlinien, die die Fähigkeiten des Oracle-Angebots hinsichtlich Datenresidenz, Sicherheit, Datenschutz und Compliance beeinflussen.
So baut die Oracle EU Sovereign Cloud zwar auf den bestehenden Compliance-Programmen des Public-Cloud-Angebots von Oracle auf, die es Kunden ermöglichen, die Einhaltung regionaler und branchenspezifischer Vorschriften nachzuweisen. Sie entspricht aber auch den EU-Überwachungsvorschriften und Leitlinien, die den Datentransfer aus der EU einschränken – wie zum Beispiel das Schrems-II-Urteil des Europäischen Gerichtshofs und das European Data Protection Board.
Die Richtlinien beinhalten zudem einen Rahmen für die Daten- und Betriebssouveränität einschließlich Speicherung und Administration des Zugriffs auf Kundendaten in der Oracle-Cloud. Zunächst lagern die Daten in zwei europäischen Rechenzentren; das eine befindet sich in Madrid und das andere in Frankfurt am Main. Digital Realty ist der Hosting-Partner für den Standort der EU Sovereign Cloud Region in Madrid und Equinix ist der Hosting-Partner für den Standort der Region Frankfurt.
Regionen und Partner
Weitere Standorte sollen bei steigender Nachfrage folgen – mit der Einschränkung, dass man die Vorschriften bezüglich räumlicher Entfernungen für das Bilden von Zonen einhalten werde.
Schon jetzt stellt die Oracle-Cloud-Infrastruktur (OCI) ein Netzwerk von mehr als 85 globalen und regionalen „OCI Fast Connect“-Partnern Unternehmen eine dedizierte Konnektivität zu Oracle Cloud Regions und OCI-Services zur Verfügung. Zu den zum Start verfügbaren Fast-Connect-Partnern gehören Arelion, DE-CIX, Digital Realty, Equinix und Intercloud. Deml betont, dass es sich bei dem Sovereign-Angebot um kein „Treuhand“-Modell handle, wie es etwa T-Systems und Google anböten.
Weiter wird das Angebot der EU-Sovereign Cloud von Oracle ausschließlich von EU-Mitarbeitern zur Verfügung gestellt. Diese agieren separat vom Mutterkonzern auf der Basis „separater Betriebsentitäten“, wie es Deml ausdrückt, im offiziellen Oracle-Wortlaut ist von „EU-Rechtssubjekten“ die Rede.
Doch Glauben ist, gut Kontrolle ist besser – das gilt insbesondere für die Versicherungen des Anbieters Oracle bezüglich der selbstauferlegten Regeln für das Sovereign-Cloud-Angebot. Deml macht darauf aufmerksam, dass die EU-Entitäten dem in den einzelnen Ländern geltenden Auditierungsvorschriften unterlägen.
In kritischen Fällen
Im Frühjahr hatten Oracle und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik eine Kooperation beziehungsweise einen Rahmenvertrag bezüglich der Oracle Cloud Infrastructure geschlossen. Der Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland soll den Stellen der Bundesverwaltung Abruf und Einsatz von bestimmten Oracle Produkten und Services ermöglichen.
Dazu zählen OCI und einzelne weitere Services. Wie es heißt, geht es im Detail um eine bedarfsorientierte Prüfung von Sicherheitsaussagen zu Oracle Produkten und Services und den Austausch sicherheitsrelevanter Informationen im Betrieb.
Dazu werden Expertinnen und Experten beider Seiten an einem neu eingerichteten technischen Evaluations- und Advisory-Board teilnehmen, um sich regelmäßig zu regulativen Vorgaben, technischen Richtlinien, Mindeststandards, Sicherheitsempfehlungen und Best-Practices zum Einsatz der Oracle Produkte und Services in der Bundesverwaltung auszutauschen. Die technischen Diskussionen legen Schwerpunkte auf aktuelle kryptografische Fragen, neue technische Herausforderungen und Zukunftstechnologien, zum Beispiel der aktuelle Einsatz von Brainpool- und NIST-Kurven in der Kryptografie, die Sicherheit moderner Netzarchitekturen und die rechtzeitige Berücksichtigung von potenziellen Angriffen über Quantencomputer durch eine Migration zu quantensicherer Kryptografie.
Die neue Souveränität
Deml macht jedoch darauf aufmerksam, dass die Kooperation nicht identisch ist mit dem nun neu geschaffenen Angebot der Sovereign Cloud. Diese soll den Oracle-Kunden Services und Funktionen zu den gleichen Preisen, mit dem gleichen Support und den gleichen Service Level Agreements (SLAs) für alle Workloads bieten, die Oracle mit seinem Public-Cloud-Angebot unterstützt. Die Sovereign-Services sind ein Teil der Distributed-Cloud-Strategie von Oracle (siehe: Kasten).
Sie adressieren Unternehmen, die in stark regulierten Branchen tätig sind. Kunden, die mit sensiblen, regulierten oder strategisch wichtigen Daten und Anwendungen sowie Workloads arbeiten, die unter die EU-Anforderungen an die Datensouveränität und den Datenschutz fallen, wie die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Diese sollen nun vorbehaltlos ‚in die Cloud‘ wechseln können. Explizit ist von Branchen wie dem Gesundheitswesen, den Finanzdienstleistungen, der Telekommunikation und dem öffentlichen Sektor die Rede.
Wie Deml betont, handelt es sich nicht um ein lokal begrenztes Angebot. „Die Oracle EU Sovereign Cloud ist für Kunden in allen 27 EU-Mitgliedstaaten und weltweit verfügbar. Sie umfasst alle über 100 Cloud-Services der Oracle Public Cloud ohne zusätzliche Gebühren und mit denselben SLAs für Leistung, Management und Verfügbarkeit.“
Identisches Service-Angebot
Auch hätten Kunden die Option, Zugang zu Kundenprogrammen wie „Oracle Support Rewards“ zu erhalten. Darüber hinaus sei geplant, die „Oracle Fusion Cloud Applications Suite“, die derzeit im Rahmen des EU Restricted Access (EURA)-Angebots von Oracle verfügbar ist, in Kürze auch in der Oracle EU Sovereign Cloud verfügbar zu machen.
Gilt das auch in Zukunft? Laut Deml sind dieselben Kosten, dieselben SLAs, dasselbe Service-Angebot lediglich eine Frage der Skalierung und werde bei Oracle auf der Plattformebene gelöst. Also werde er sehr wahrscheinlich auch noch wenn Zeit vergangen ist, sagen können: Alles dasselbe.
Das aber gebe den Kunden zugleich die Möglichkeit des Mix and Match. Die Kunden, die sich Gedanken machen müssen, welchen Sicherheitslevel sie für ihre Daten wünschten, welches Automatisierungs-Niveau für ihre IT-Infrastruktur und zu welchen Kosten sie ihre Anwendungen betreiben wollen, könnten die eine Cloud für dieses, das eigene Rechenzentrum für anderes und die Sovereign Cloud für jene Workloads verwenden. Er rechnet übrigens mit einem Verhältnis von 40 zu 60 Prozent, was die Nutzung des Sovereign-Cloud-Angebots zu Public Cloud angeht.
Cloud für die bisher Ausgeschlossenen
Damit aber haben Unternehmen, die bisher nur sehr eingeschränkt ein Cloud-Angebot nutzen konnten, auch neue KI-Technologien, zum Beispiel generative KI, zu implementieren. Anforderungen an die Datenresidenz und weitere regulatorische Anforderungen hätten bisher in vielen Fällen einen Riegel vor die Entwicklung von generativen Modellen geschoben, da einfach die Cloud-Nutzung untersagt gewesen sei.
Doch die Sovereign Cloud von Oracle sei auf Datenresidenz und -sicherheit ausgelegt. Sie verfüge über eine Architektur, die keine gemeinsame Infrastruktur mit den kommerziellen Regionen von Oracle in der EU aufweist und keine Backbone-Netzwerkverbindung zu den anderen Cloud-Regionen von Oracle hat. Der Kundenzugang zur Oracle EU Sovereign Cloud werde getrennt vom Zugang zu den kommerziellen Regionen von Oracle Cloud verwaltet.
Dennoch könnten die zwei eingerichteten Zonen eine hohe Verfügbarkeit garantieren, etwa um Disaster Recovery-Architekturen innerhalb der EU-Grenzen zu unterstützen. Darüber hinaus hält jede Region drei Fault Domains vor, die zusätzliche Hardware-Ausfallsicherheit bieten.
Durch dieses Design lässt sich die Gruppierung von Workloads auf derselben physischen Hardware vermeiden. So bleibt ein Hardware-Ausfall oder eine Wartung von Computer-Hardware in einer Fault Domain für Instanzen in anderen Fault Domains folgenlos.
Zu den ersten Kunden gehört die Otto Gruppe. „Sichtbarkeit und Kontrolle von Daten sind für Otto und die Kunden, die wir bedienen, wichtig. Der neue EU Sovereign Cloud-Service von Oracle ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Cloud in Europa. Denn Cloud-Anbieter, die sich so sehr darauf konzentrieren, sichere und transparente Wege zum Hosten und Verarbeiten von Daten zu bieten, sind diejenigen, die es Unternehmen wie uns ermöglichen, Vertrauen bei unseren Kunden aufzubauen und zu erhalten“, so ein Sprecher des deutschen Handels- und Dienstleistungsunternehmens Otto. Kandidaten wären aber auch die Oracle-Cloud-Kunden VW Financial Services, die Deutsche Bank und die Allianz.
Auch beim Marktforschungs- und Beratungshaus IDC schätzt Rahiel Nasir, Associate Research Director, European Cloud Practice das Sovereignity-Angebot von Oracle positiv ein: „IDC sieht weiterhin ein deutliches Wachstum bei der Nutzung von Public Clouds für geschäftskritische Workloads in allen wichtigen Branchen. Gleichzeitig entwickeln sich die Datenschutzgesetze und andere Vorschriften, die die Einhaltung von Richtlinien vorschreiben, weiter. All dies macht es erforderlich, dass Unternehmen eine größere Transparenz und Kontrolle über strategische Datenbestände in ihrem gesamten Betrieb haben.
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