Resilient Sustainability Hyper-nachhaltig
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Zu den größten aktuellen Herausforderungen der RZ-Branche zählt die Zielsetzung der resilienten Nachhaltigkeit. Einige Hyperscaler gehen mit gutem Beispiel voran.

Ob „resiliente Nachhaltigkeit“ (engl. "resilient sustainability") oder nachhaltige Resilienz ("sustainable resiliency"): Die Notwendigkeit, den Ressourcenverbrauch von Rechenzentren im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten ist genauso unumstritten wie das Gebot, die Widerstandsfähigkeit des Betriebs zu gewährleisten. In den turbulenten Zeiten der Energiekrise suchen Rechenzentren einen Mittelweg.
Licht im Tunnel (aber nicht im Serverraum)
Der weltweite Energieverbrauch von Rechenzentren ist im letzten halben Jahrzehnt beinahe unverändert geblieben. (Er lag im Jahr 2021 schätzungsweise bei 220-320 TWh. Das entspricht etwa 0,9-1,3% des weltweiten Endstrombedarfs. Der Energieverbrauch für das Mining von Kryptowährungen, der sich im Jahr 2021 auf 100-140 TWh belief, kommt noch obendrauf.) Branchenbeobachter führen dieses Phänomen unter anderem auf das Aufkommen von Hyperscale und die Migration von Arbeitslasten auf diese hocheffizienten Informationsfabriken zurück.
Mit ihrer rekordverdächtigen Stromverbrauchseffizienz (PUE) setzen Hyperscale-Rechenzentren neue Standards.
Während traditionelle unternehmenseigene Rechenzentren eine durchschnittliche PUE zwischen 1,67 und 1,8 angeben (1,93 im Jahre 2020), melden Hyperscaler Werte im Bereich von 1,25 bis 1,18 mit Ausreißern wie Google bei 1,10 im Jahresdurchschnitt (Q2 2020). Es gibt also doch Licht im Tunnel, wenn man es im Serverraum abschaltet.
Laut einem Bericht des Lawrence Berkeley National Laboratory aus dem Jahr 2016 ließe sich der Energieverbrauch der RZ-Branche um 25% auf Knopfdruck senken, würden die Workloads von 80% aller Server in kleinen Rechenzentren in den USA auf Hyperscale-Anlagen umstellen.
Doch auch ohne diese großflächige Migration gehen einige Hyperscaler, mehr oder weniger aus freien Stücken, mit gutem Beispiel voran.
Erneuerbare Energien im Hyper-Maßstab
Betreiber von Hyperscale-Rechenzentren sind führend in der Beschaffung erneuerbarer Energien, vor allem durch Privat-abgesicherte PPAs (Power Purchase Agreements, also Langfristverträge) für Wind- und Solarenergie.
Die vier größten Käufer von industriellen Stromabnahmeverträgen für erneuerbare Energien sind die Hyperscaler Amazon, Microsoft, Meta und Google. Diese Betreiber haben mindestens 38 GW (davon 15 GW im Jahr 2021 allein) an grünem Strom vertraglich vereinbart.
Apple (2,8 TWh), Google (18,3 TWh) und Meta (9,4 TWh) hätten mit ihren Verträgen den eigenen Stromverbrauch im Jahr 2021 (den hauptsächlich ihre Rechenzentren verschlingen) zu 100% mit „grünem“ Strom decken können. Amazon hätte im Jahr 2021 auch bereits 85% des eigenen Energiebedarfs im gesamten Konzern (alles in einem 30,9 TWh) mit Strom aus erneuerbaren Energien bestreiten können; bis zum Jahre 2025 möchte man es auf 100% bringen.
Die Deckung von 100% des jährlichen Bedarfs durch den Kauf von erneuerbaren Energien oder Zertifikaten bedeutet jedoch nicht, dass die Rechenzentren tatsächlich mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Variabilität der Wind- und Sonnenenergiequellen entspricht möglicherweise nicht dem Bedarfsprofil eines Rechenzentrums, und die erneuerbare Energie kann aus Projekten in einem anderen Netz oder einer anderen Region als dem Ort bezogen werden, an dem der Bedarf tatsächlich entsteht.
Langfristige Stromverträge erhöhen beim Stromabnehmer die Finanzierungskosten. Dies hängt zum Teil damit zusammen, dass Ratingagenturen diese Vereinbarungen als Verbindlichkeiten bewerten, was im Endeffekt die Bonität beeinträchtigt. Das ist vermutlich nicht im Sinne des Erfinders.
Die tatsächlichen Auswirkungen dieser Verträge auf die Energiemärkte sind im Übrigen umstritten.
Hyper-gekühlt: ohne doppelten Boden
Serverräume in althergebrachten Rechenzentren verfügen über Doppelböden, um die Zufuhr von kühler Luft zu den Servern zu erleichtern. Dieser Ansatz erhöht nicht nur die Komplexität, sondern auch die Kosten der Installation und Wartung. Denn der Staub, der sich im Doppelboden ansammelt, kann teure Elektronik beschädigen. Er verlangsamt die Inbetriebnahme neuer Kapazitäten.
Hyperscale-Einrichtungen und andere Datencenter mit einer hohen Systemdichte haben längst auf den Doppelboden verzichtet. Sie bauen auf einem harten Boden auf und maximieren so die Packungsdichte.
Rechenzentren ohne Doppelböden erfordern jedoch besondere Aufmerksamkeit, was die Luftverteilung angeht.
Erstens müssen Planer und Betreiber sicherstellen, dass die Luft mit hoher Geschwindigkeit nicht bloß auf die ersten Serverreihen prallt. Dadurch entstünde vor den Trennwänden ein Unterdruck. Zweitens muss ein ausreichender Luftstrom auch zu den weiter entfernt stehenden Servern gelangen. Diese beiden Voraussetzungen müssen zwingend erfüllt sein, um das Risiko einer Überhitzung der Server und damit eines Betriebsausfalls zu minimieren.
Hierzu ist die Überwachung des Luftdrucks und der Temperaturverteilung unter Verwendung von ausgefuchster Sensorik zwingend erforderlich. Anbieter wie AKCP können mit ihren fortschrittlichen Lösungen Abhilfe schaffen.
Hyperscaler ersetzen herkömmliche Kühlsysteme konventioneller Rechenzentren durch maßgeschneiderte Air-Handler von Anbietern wie Silent-Aire. Bei diesen Anlagen handelt es sich im Wesentlichen um große Metallboxen mit Luftgetriebe, Temperatur- und Luftdrucksensorik und intelligenter Steuerungssoftware.
Hyper-Resilient mit Diesel-Alternative Erdgas
Der Großteil der Notstromversorgung von Rechenzentren wird heute mit Dieselgeneratoren betrieben. Viele Hyperscale-Betreiber suchen aktiv nach einer zuverlässigen Notstromlösung, die ohne den fossilen Brennstoff auskommt.
Batterien der einen oder anderen Art schaffen stellenweise bereits Abhilfe, aber sie sind noch nicht ausreichend ausgereift, um den großflächigen Verzicht auf Diesel zu ermöglichen.
Ein kürzlich von Microsoft modernisiertes Rechenzentrum im kalifornischen San Jose nutzt ein Microgrid, um sogenanntes erneuerbares Erdgas (Engl. Renewable Natural Gas, kurz RNG) anstelle von Dieselkraftstoff für die Notstromgeneratoren von Enchanted Rock zu nutzen. Es ist das größte Microgrid im Bundesstaat, welches vollständig mit Erdgas aus Abfällen der Landwirtschaft und Lebensmittelversorgungskette statt mit fossilen Brennstoffen betrieben werden soll.
Als Bezugsquellen für erneuerbaren Erdgas sollen Mülldeponien, Viehzuchtbetriebe, Abwasseraufbereitung und organische Industrieabfälle herhalten. Das Biogas wird erfasst und aufbereitet, wodurch ein Gas in Rohrleitungsqualität entsteht. Das Gas ist mit herkömmlichem Erdgas austauschbar.
Microgrids bieten Zugang zu mehreren Energiequellen: dem Versorgungsnetz, Energiespeichern, Generatoren, Solar- oder Windenergie. Sie sollen dem Rechenzentrum erlauben, bei Ausfällen der primären Netzversorgung und in sonstigen Krisenzeiten den reibungslosen Betrieb aufrechtzuerhalten.
Microgrids unterstützen das Hinzuschalten neuer Erzeugungsquellen für Primär- oder Notfallstrom und könnten die verschiedenen Energiequellen hardwaregetrieben (via Microcontroller) und/oder softwaregestützt verwalten. Die Lösung von Enchanted Rock stützt sich auf die proprietäre Software GraniteEcosystem des Anbieters.
Hyper-integriert dank Diesel-Alternative Wasserstoff
Microsoft forciert in seinen Datencentern neben Erdgas auch Wasserstoff als eine weitere Diesel-Alternative.
Der Hyperscaler hat mit Organisationen wie dem National Renewable Energy Laboratory und Power Innovations, einem Anbieter von Energiemanagementlösungen, zusammengearbeitet und auch bereits diverse Pilotprojekte erfolgreich abgeschlossen.
Kürzlich konnte Microsoft die Notstromversorgung von Servern in einem Rechenzentrum in Salt Lake City im U.S.-Bundesstaat Utah testweise mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellensystem sicherstellen. Das Unternehmen will die Vorrichtung in einem Forschungsrechenzentrum installieren, um die Eigenschaften der Technologie weiter zu untersuchen und Wasserstoff-Sicherheitsprotokolle zu entwickeln.
Das Drei-Megawatt-System soll die dieselbetriebenen Notstromgeneratoren des Hyperscalers ersetzen.
„Wir haben einen Generator, der keine Emissionen erzeugt“, freute sich Sean James, Leiter der Rechenzentrumsforschung bei Microsoft, in einer feierlichen Ankündigung, und bezeichnete den Durchbruch als „atemberaubend“.
Doch so einfach ist es nicht. Der Energieaustausch über Wasserstoff ist nur dann wirklich „grün“, wenn der gesamte Energiekreislauf tatsächlich emissionsfrei abläuft.
Die Erzeugung von Wasserstoff erfolgt durch die Elektrolyse von Wasser unter Zufuhr von Energie oder mit chemischer Energie aus anderen wasserstoffhaltigen Verbindungen wie Kohle oder Biomasse mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf die Umwelt. Wie sauber Wasserstoff tatsächlich ist, steht und fällt mit der Energiequelle, aus der er erzeugt wird. Ein Farbcode-System soll die Orientierung erleichtern.
„Grüner“ Wasserstoff entsteht mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Diese reichen jedoch nicht aus, um den Bedarf zu decken. Daher fördert das Bundesforschungsministerium (seit 2021) drei Wasserstoff-Leitprojekte für grünen Wasserstoff im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie mit bis zu 740 Millionen Euro.
„Grauer“ Wasserstoff wird mittels der sogenannten Dampfreformierung typischerweise aus fossilem Erdgas (oder Biogas, Biomasse, usw.) in einem zweistufigen Verfahren hergestellt. Wird dabei Kohlendioxid im Erdboden eingefangen, ist vom „blauen“ Wasserstoff die Rede.
„Türkiser“ Wasserstoff entsteht durch die thermische Spaltung von Methan, die sogenannte Methanpyrolyse (offenbar gibt es doch noch Hoffnung auf Methansequestrierung aus der Agrarwirtschaft). Bei diesem Verfahren entsteht anstelle von CO2 fester Kohlenstoff.
Dann gibt es unter anderem noch die Möglichkeit, strombasierten Wasserstoff mit Atomkraft zu erzeugen. Dieses Verfahren erhielt den Farbcode „violett“. Die Begeisterung der Industrie für dieses Verfahren hält sich allerdings in argen Grenzen. Angesichts der unausweichlichen Umweltbelastung mit radioaktiven Abfallprodukten und deren irreversiblen Charakter ist die Zurückhaltung durchaus nachvollziehbar.
Es geht um die Kohle (jetzt im doppelten Sinne)
Suresh Pichai, Direktor für Innovation & Development bei Equinix, hält nur grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und blauen Wasserstoff aus Erdgas mit Kohlenstoffabscheidung für „saubere Alternativen zu Diesel“. Wasserstoff-Brennstoffzellen seien aus seiner Sicht „gute Kandidaten für Standby-Energie“ in Hyperscale-RZen, da sie in der Lage seien, schnell zu starten und zu stoppen, was in Standby-Anwendungen erforderlich sei.
Don Ayers, Vizepräsident für Technologie bei Capstone Green Energy, schlägt in dieselbe Kerbe. Die lokale Wasserstofferzeugung vor Ort könne aus seiner Sicht „die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der Energieversorgung eines Rechenzentrums“ erheblich verbessern. Denn sie könne in Zeiten eines langanhaltenden Notstrombetriebs die Notwendigkeit für den Transport von Kraftstoff eliminieren.
Die Integration von Wasserstoffbrennstoffzellen in ein Microgrid würde einem Rechenzentrum nebenbei auch helfen, die Energiekosten in den Griff zu bekommen, glaubt Ayers. Die Microgrid-Technologie unter Einbezug von Wasserstoff würde nämlich die Einrichtung „kombinierter Kühl-, Wärme- und Stromsysteme“ ermöglichen. So ließe sich die betriebskritische Kühlleistung kostengünstig bereitstellen.
Microsofts Pionierleistung wollen andere nachahmen. Auch Amazon, IBM und Facebook setzen mittlerweile auf Wasserstoff. Equinix arbeitet seinerseits mit dem Centre for Energy Research and Technology (CERT) der National University of Singapore (NUS) zusammen. In den Niederlanden hat NorthC eine 500-Kilowatt-Wasserstoffzelle installiert, um das Notstromaggregat seines Rechenzentrums in Groningen zu betreiben.
BMWs Konzernchef Oliver Zipse sieht Wasserstoff als einen umweltfreundlichen Brennstoff. „Nach dem Elektroauto(...) wird der nächste Trend Wasserstoff sein“, prognostizierte Zipse in einem Interview mit Bloomberg. Branchenübergreifende Synergien könnten dem Energiespeicher zu einer breiten Akzeptanz verhelfen.
An Interesse mangelt es nicht. Daimler hat bereits mehrere Jahre Erfahrung mit dem Einsatz von wasserstoffbasierten Mercedes-Brennstoffzellen in Rechenzentren. Seit der Konzernspaltung in Mercedes-Benz und Daimler Truck gehen die beiden Unternehmen auch in der Energiewende separate Wege. Mercedes hat seine Brennstoffzellen eingestellt. Für den LKW-Bauer bleibt gasförmiger grüner Wasserstoff der bevorzugte Energieträger.
Doch Wasserstoff ist nicht ohne. Das Element lässt sich nur schwer komprimieren, transportieren und lagern. Wasserstoffatome sind so klein, dass sie durch die meisten Metalle durchsickern. Die hohen Kosten von Wasserstoff-Brennstoffzellen sind für viele Anwendungen derzeit noch ein ernsthaftes Hindernis, das noch viel Kapital verschlingen dürfte. Sektorübergreifende Zusammenarbeit könnte die Antwort sein.
Der Geschäftsbereich Power Systems von Rolls-Royce entwickelt derzeit auf Basis der Wasserstoff-Brennstoffzellen von Cellcentric, einem Gemeinschaftsunternehmen der Daimler Truck AG und der Volvo Group AB, skalierbare Brennstoffzellen-Komplettsysteme für die saubere Notstromversorgung von Rechenzentren. Die ersten Pilotanlagen bei Kunden werden im Jahr 2023 installiert. Die kommerzielle Markteinführung der Seriensysteme ist für das Jahr 2025 vorgesehen.
Fazit
Hyperscaler zeigen sich bemüht, mit „grünen“ Lösungen bei den betroffenen Interessensgruppen zu punkten und innovieren ziemlich vorausschauend.
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