Academic Mainframe Consortium“ und der European Mainframe Academy AG Erstes Mainframe-Summercamp in Deutschland
Der „Dino“ Mainframe lebt und ist interessanter denn je. Zwar will kaum ein Unternehmen, das ihn im Keller stehen hat, über seinen Einsatz sprechen, aber mit Großrechnern werden täglich Milliarden von Transaktionen und Flugbuchungen vorgenommen. Zwar schon etwa her, aber auf einem „Summercamp“ im Forschungslabor der IBM tauschten vorwiegend studentische Interessenten Ansichten und Informationen mit Experten aus.
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Was würde Greta Thunberg vom neuen IBM-Mainframe „z15“ halten? Bevor diese Gret(a)chen-Frage geklärt werden kann, ist vom ersten deutschen Summercamp zu berichten, das ausschließlich zum Thema Mainframe abgehalten wurde. Knapp 90 Besucher kamen Mitte September ins schwäbische Böblingen bei Stuttgart, um im Forschungs- und Entwicklungslabor der IBM mehr über Großrechner zu erfahren. Sie folgten einem Ruf des Vereins „Academic Mainframe Consortium“ (AMC) und der European Mainframe Academy AG (EMA), ein kommerzielles Bildungsinstituts.
Etwas hat überlebt
Die meist studentischen Teilnehmer kamen von renommierten IT-Unis wie Leipzig (mit einem eigenen Vortrag in der Tasche), Karlsruhe (KIT), Frankfurt, Tübingen oder München (LMU). Auch die Schweiz war mit der Hochschule Luzern vertreten. Aber auch zwei COBOL-Programmiererinnen ließen sich antreffen, die in Stuttgart für eine private Krankenversicherung arbeiten. Das legt die Vermutung nahe, dass im Keller dieser Versicherung oder im Rechenzentrum ihres Service Providers ein Mainframe genutzt wird.
Dieses Erscheinungsbild der Großrechner ist typisch: Obwohl sie in den größten und bekanntesten Unternehmen der Welt verwendet werden, will kaum eines über sie sprechen, schon gar nicht ohne Kontrolle der maßgeblichen Pressestelle.
Die löbliche Ausnahme bildet die Deutsche Bundesbank, deren Mainframe-Nutzung offenbar stetig ausgebaut und modernisiert wird. Davon berichtete Norbert Stuckmann, der zuständige Abteilungsleiter Mainframes bei der Bundesbank. „Wir setzen den Mainframe vorwiegend im unbaren Zahlungsverkehr ein. Das bedeutet den nationalen Einsatz im Massenzahlungsverkehr sowie als Fiscal Agent für die anderen öffentlichen Bereiche. Zudem sind wir in Kooperation mit anderen Notenbanken.“
Großrechner bei der Bundesbank
Er sagte auch, welche Technologie seine Abteilung einsetzen kann: „Technisch sind wir auf dem Stand der z13 mit z/OS und mit Websphere Application Server (WAS). Ansonsten nutzen wir Cobol, „MQ“ und „DB2“ sehr stark. Die große DB2-Datenbank wird mehr im statistischen Bereich benötigt, doch bei den genannten Transaktionen geht es mehr um hohen Datendurchsatz (I/O), so dass viele Posten schnell verrechnet werden."
Was ihn zum Summercamp geführt hat, fasst er in prägnante Worte: „Ich wollte hier mal sehen, wo junge Leute im Mainframe-Feld aktiv sind. Ich fand es überraschend, dass sich so viele um das Thema Mainframe kümmern. Ich finde das AMC Summercamp eine sehr gute Initiative. Die Vorträge hier sind schon zielführend. Man sieht, was hinter dem Thema Mainframe steckt. Das ist keine Rocket Science.“
Glückliches Germanien
Nachdem mit Roland Trauner, seit 40 Jahren bei IBM Deutschland, ein IBM-Vertreter die Gäste begrüßt hatte, machte Wolfram Greis von der EMA (s.o.) die Besucher mit der Geschichte und der Verbreitung des IBM-Mainframes System Z bekannt: „What is a Mainframe?“ lautete der Titel des Vortrags, den der Buchautor hielt.
Er berichtete, dass sich die deutsche IT seit 2013 in einer begünstigten Lage befinde: Sie verfüge in Leipzig und Tübingen über zwei von der Fiducia & GAD ausgemusterte Mainframes, die kostenfrei zu Lehr- und Entwicklungszwecken herangezogen werden könnten. „Von der Datev bekamen wir zwei Plattensubsysteme. Wir konnten also eine moderne Mainframe-Umgebung aufbauen, um die Ausbildung weiterzuführen.“
Demnächst sehe man sich zudem in der glücklichen Lage, dass eine nagelneue IBM z15 beim Fraunhofer-Institut für Physik installiert werde, um Studenten und Entwicklern zur Verfügung zu stehen. „Die Idee dahinter“, so Greis weiter, „ist, dass das Thema Mainframe an Hochschulen und Unis platziert wird. So erfahren die jungen Leute, dass es relativ wenige Mainframe-Spezialisten gibt und dass diese sehr gesucht sind.“
Aber die IBM selbst nimmt diese Ausbildung nicht mehr selbst vor. Daher sei die EMA in die Lücke gesprungen: „Diese ist eine große Lücke entstanden, weil man die letzten 15 bis 20 Jahre diese Ausbildung vernachlässigt hat. Alle Unternehmen suchen im Mainframe-Umfeld Nachwuchs.“
Bei der EMA würden Mainframer professionell ausgebildet. „Der Lehrgang für künftige Systemadministratoren dauert rund zwei Jahre“, so Greis. „Das liefert den Auszubildenden das nötige Rüstzeug, um in Unternehmen als Mainframe-Admin tätig zu sein. In diesem Lehrgang haben wir inzwischen 200 Leute ausgebildet. Zu 95 Prozent sind sie in den Unternehmen bereits angestellt. Und diese Unternehmen bezahlen auch jeweils diese Ausbildung.“
Die z-Community
Diese Community wird von Big Blue tatkräftig unterstützt, organisiert und zu Aktivitäten animiert. Yvette LaMar, die Leiterin der z-Community, berichtete lebhaft, wie viele Möglichkeiten es gebe, sich in der z-Community einzubringen, in Usergroups sein Mitspracherecht auszuüben, mit Talentsuchern in Kontakt zu gelangen und sich über Events zu informieren. Der bekannteste Event dürfte der jährliche Programmierwettstreit „Master the Mainframe!“ sein, der auch in Deutschland Teilnehmer gefunden hat. Der Wettbewerb findet jährlich von September bis August statt und ist offen für alle. Dazu bot das Summercamp ein Hands-on-Training an.
Urgestein
Weil eine Referentin ausgefallen war, folgte ein sehr anspruchsvoller Vortrag über Workload Management auf dem Mainframe, inklusive etlicher Einzelheiten über das Betriebssystem „z/OS“. Obwohl Workload Management ein Alleinstellungsmerkmal des System Z ist, hatten sich die Teilnehmer nach der erschöpfenden Behandlung dieses komplexen Themas eine Pause redlich verdient.
Bei dieser willkommenen Gelegenheit erzählte Karl Heinz Strassemeyer davon, wie er seinerzeit die Entwicklung der CMOS-Prozessoren bei IBM wesentlich beeinflusst hatte und vor allem gegen damals zahlreiche Widerstände das offene Betriebssystem Linux im Labor in Böblingen auf den Mainframe portiert hat. Linux ist heute auf über 50 Prozent aller z-Installationen vertreten, denn die quelloffene Plattform erlaubt den Einsatz weiterer offener Technologien wie Java, Virtualisierung und Container. Lebhaft schilderte der 84-jährige Strassemeyer, wie er bereits 1958 an der Uni Göttingen einen IBM-Mainframe programmierte – mit Lochkarten. Offenbar konnte man damals noch jedes Bit einzeln zählen…
Es folgten weitere Vorträge, so etwa über Anwendungsmodernisierung, die nicht nur für Cobol-Nutzer ein wichtiges Thema ist. Zukunftsthemen wie Quantenrechnen wurden ebenfalls angeschnitten. Es gab eine Podiumsdiskussion zum Thema Mainframe-Skills, zu Education und Community – man spricht Neudeutsch. Auch Demos und Vorführungen standen auf der Agenda – nur eben nicht mit der brandneuen z15, denn, so die bedauerliche Auskunft, die befände sich gerade auf Tournee bei den Kunden.
Nun aber zur Gretchenfrage: „Was würde Greta Thunberg von der neuen z15 halten?“ Wolfgang Maier, Leiter der Hardware-Entwicklung im Forschungslabor Böblingen, gab schon mal ein paar Tipps, wohin die Reise gehen könnte. So braucht der Mainframe seit „z14“ kein spezielles Rack mehr, sondern nutzt den 19-Zoll-Stellplatz, der als Standard in Rechenzentren gilt. Zweitens liefert die z15 25 Prozent mehr Rechenleistung bei gleichem Energieverbrauch. Ein Teilnehmer steuerte bei, dass ein einziges IBM-z-System bis zu 20.000 hundsgewöhnliche x86-PCs ersetze. Positiver könne die Bilanz eigentlich gar nicht mehr ausfallen. Einhelliges Fazit: „Greta würde die z15 lieben.“
Nach der Klärung dieser zentralen Frage – zumindest im Zeitalter der Klimakrise - durften sich die Teilnehmer auf einen Besuch im Computermuseum „History @ IBM“, auf einen Besuch in einer schwäbischen Brauerei und auf einem Big Blue Grillabend freuen.
* Michael Matzer ist freier Autor aus Stuttgart.
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