Mit möglichst wenig Daten über den Äther Edge Computing steuert Pre­dictive Maintenance für Windräder

Von Jürgen Frisch Lesedauer: 6 min |

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Eine Lösung für Predictive Maintenance von Windrädern hat das VMware-Kydnryl Innovation Lab zusammen mit der US-Universität Bucknell entwickelt. Zum Einsatz kommen dabei Edge Computing, Machine Learning, die Virtualisierung von VMware und Controller, welche die Turbinen bei Bedarf abregeln.

Mithilfe von Edge Computing, Machine Learning und Virtualisierung soll Predictive Maintanance ohne große Datenbewegungen realisieren lassen - heir ein Showcase von der vergangenen Hannover Messe.
Mithilfe von Edge Computing, Machine Learning und Virtualisierung soll Predictive Maintanance ohne große Datenbewegungen realisieren lassen - heir ein Showcase von der vergangenen Hannover Messe.
(Bild: frei lizenziert: Robert Hell / Pixabay)

Windturbinen sind angesichts der Energiewende eine aufstrebende Form der Energie-Erzeugung. Laut einem Bericht der International Energy Agency haben Windräder im Jahr 2021 weltweit 273 Terawattstunden Strom erzeugt, und bis 2030 soll dieser Wert auf 7.900 Terawattstunden steigen.

Der Wind selbst ist zwar kostenlos, aber der Bau sowie Wartung und Instandhaltung der Anlagen verschlingt große Summen. Bei einem Windrad an Land fallen laut VMware-Kyndryl für Bau und Wartung pro Jahr anteilig zwischen 2 und 4 Millionen Dollar Unterhalt an, für eine Offshore-Anlage auf See sogar 10 Millionen Dollar.

Eines der größten Probleme, das in 90 Prozent aller Fälle zu einem Totalverlust der Turbine führt, ist laut VMware-Kynryl Feuer. Der Ausfall eines einzigen Windrads bedeute oft, dass die gesamte Staffel an einem Standort für Wartungszwecke vom Netz gehen muss. Die von Kyndryl und VMware entwickelte Predictive-Maintenance-Lösung entdeckt die drohende Überhitzung einer Turbine mit Thermokameras und fährt bei Bedarf die Anlage über die speicherprogrammierbare Steuerung herunter.

Eines der größten Probleme, das in 90 Prozent aller Fälle zu einem Totalverlust der Turbine führt, ist Feuer. Der Ausfall eines einzigen Windrads bedeutet oft, dass die gesamte Staffel an einem Standort für Wartungszwecke vom Netz gehen muss. Die von Kyndryl und VMware entwickelte Predictive-Maintenance-Lösung entdeckt die drohende Überhitzung einer Turbine mit Thermalkameras und fährt bei Bedarf die Anlage über die speicherprogrammierbare Steuerung herunter.

Thermokameras überwachen die Betriebstemperatur

Das Herzstück der Predictive-Maintenance-Lösung ist ein Minicomputer an der Windturbine mit dem Edge Compute Stack von VMware. Die Thermokameras schicken ständig Wärmebilder der Turbine dorthin. Machine Learning analysiert, ob die Wärmebilder Anomalien aufweisen. Die dazugehörigen Algorithmen laufen in einem „VMware Tanzu“ Kybernetes Cluster.

Zum Einsatz kommen dabei einfache „Barebone“-Rechner mit „Intel Alder Lake N100“ Prozessoren. Die Komponente VMware SDWAN verbindet den Minirechner mit dem Operations Center des Netzbetreibers und übermittelt die Ergebnisse im laufenden Betrieb dorthin. Da im Rahmen von Edge Computing die Daten vor Ort gesammelt und analysiert werden und auch eine Notabschaltung hier angestoßen wird, ist für die Verbindung zum Netzbetreiber keine Breitband-Internet-Verbindung nötig.

„Jedes einzelne Windrad hat drei Thermokameras, und diese erzeugt 1,5 Gigabyte Daten pro Stunde“, berichtet Ben Brillat, Global Director, Enterprise Wireless/5G and Industrial Edge Computing und Consult Director bei Kyndryl. „Bei einer Farm mit 50 Windrädern mit je drei Farbkameras und drei Thermokameras erreicht das Datenvolumen 1 Gigabit pro Sekunde. Für die gesamte Windfarm sind das 10,8 Terabyte Daten pro Tag.“ Die Windfarmen befinden sich üblicherweise weit im Hinterland, und dort ist keine stabile Internet-Verbindung verfügbar, über die sich solche Datenmengen im Dauerbetrieb sicher übertragen lassen.

Brillant korrigiert: Es sind 1,5 Gigabyte Daten pro Stunde (nicht pro Sekunde), pro Kamera, etwa 3,3 Mbps (Megabit pro Sekunde, wohlgemerkt Bits, nicht Bytes) beim Streaming oder in einem Windpark mit 50 Turbinen mit 3 Wärme- und 3 Farbkameras pro Turbine (insgesamt 6 Kameras)3,3 * 6 * 50 = 990 Mbps = ~ 1GbpsDies entspricht einer Upload-Übertragungsgeschwindigkeit von etwa 1 Gigabit pro Sekunde (1 Gbit/s) in die Cloud, die für den gesamten Windpark mit 50 Turbinen erforderlich ist, und zwar 24x7x365 - wenn man das gesamte Video in der Cloud verarbeiten oder speichern wollte.Was die Datenspeicherung betrifft, so sind das 10,8 Terabyte Daten pro Tag für den gesamten Windpark (1,5 GB/h * 6 Kameras * 24 Stunden * 50 Turbinen).

Die Predictive-Maintenance-Lösung wurde daher so eingerichtet, dass nur das Ergebnis der technischen Prüfung in die Unternehmenszentrale geschickt wird. Das sind nur wenige Kilobytes pro Sekunde.

Machine Learning analysiert die Daten vor Ort

Der Machine-Learning-Algorithmus entscheidet anhand der Videobilder, ob die Anlage mit den normalen Betriebsparametern läuft und löscht im Normalfall die Daten nach der Analyse. Für den Fall, dass die Verbindung in die Unternehmenszentrale einmal abbricht, speichert ein Puffer die Ergebnisse der vergangenen Stunde.

Anders sieht die Sache aus, wenn die Analyse zeigt, dass eine Überhitzung bevorsteht. Dann wandern die Daten in einen Langfristspeicher und über das betreffende Windrad wird kontrolliert heruntergefahren.

„Die Analyse erfolgt auf Basis von Videobildern“, erläutert Brillat. „Werden keine Probleme bemerkt, löschen wir diese Bilder. Lediglich im Fall einer bevorstehenden Störung werden sie gespeichert, um im Nachgang den Grund für die Überhitzung aufzudecken.“

Edge-Computing reduziert Datenübertragung

Mit dem Edge-Computing-Prinzip unterscheidet sich das Predictive-Maintenance-Modell von VMware-Kyndryl fundamental etwa von der Predictive-Maintenance-Lösung des im Jahr 2007 erstmals ausgelieferten „Airbus A380“. Dort wurden während des Fluges Triebwerksdaten, etwa Öldrücke, Treibstoffverbrauch und Abgastemperaturen gesammelt und per Satellitenfunk zum Boden übermittelt.

Ziel war es damals, durch eine Big-Data-Analyse frühzeitig Probleme bei einzelnen Komponenten zu erkennen. Außerdem sollten durch dauerhafte Echtzeit-Analysen die Wartungsintervalle der Triebwerke verlängert werden.

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„Das Übertragen großer Datenmengen zieht hohe Kosten nach sich“, erläutert Brillat. „Da sich Sensoren im Internet der Dinge in den kommenden Jahren zu den größten Datenproduzenten entwickeln, gehen wir aktuell einen anderen Weg. Wir analysieren die Daten mit Edge Computing vor Ort und stoßen die notwendigen Aktionen an. Und wir akzeptieren dabei, dass wir nicht alle Daten speichern.“

Aktuell ist die Predictive-Maintenance-Lösung von VMware und Kyndryl ein Proof of Concept, dessen kommerzieller Einsatz noch aussteht. Erweiterungen beispielsweise um Vibrationssensoren sind möglich. Ebenfalls könnten mehrere Turbinen zusammengeschaltet werden, um ein Lernen im Schwarm zu ermöglichen.

*Der Experte
„Die Analyse des Betriebszustands erfolgt anhand der Bilder von Thermalkameras“, erläutert Ben Brillat, Global Director Enterprise Wireless/5G and Industrial Edge Computing und Consult Director bei Kyndryl. „Werden keine Probleme bemerkt, löschen wir die Bilder. Lediglich im Fall einer bevorstehenden Störung werden sie gespeichert, um den Grund für die Überhitzung aufzudecken.“

Bildquelle: Kyndryl

Auch Wärmesensoren entdecken eine Überhitzung

Unser Bericht Edge Computing steuert Predictice Maintenance für Windräder sorgt für jede Menge Gesprächsbedarf: Ein Technologiezulieferer für Windräder hat sich bei uns gemeldet und auf die in Deutschland unterschiedliche Situation hingewiesen. Feuer ist demnach hierzulande ein untergeordnetes Problem für Windräder.

So habe im Norden Deutschlands in einer Gegend mit hundert Windrädern in den vergangenen 20 Jahren lediglich ein einziges Windrad gebrannt. Die Kontrolle der Betriebstemperatur erfolge in Deutschland über Wärmesensoren. Bei einer drohenden Überhitzung würde die speicherprogrammierbare Steuerung die Anlage abregeln. Ältere Anlagen ließen sich meist ohne großen Aufwand mit Wärmesensoren nachrüsten.

Auch die Berechnung der Betriebskosten fällt hierzulande anders aus als in den USA. So kommt beispielsweise eine Studienarbeit der Technischen Hochschule Nürnberg über die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen für ein typisches Windrad auf jährliche Betriebskosten in Höhe von 4 Prozent der Baukosten. Eine andere Berechnungsvariante setzt die Betriebskosten in Relation zur erzeugten Energie.

Das Windkraft-Consulting-Haus Windguard hat in diessem Jahr im Auftrag des Bundesministerium für Wirtschaft ind Klimaschutz eine Kurzfristanalyse zur Kostensituation der Windenergie an Land erstellt. Hier werden die Betriebskosten von Projekten mit Inbetriebnahme ab 2019 auf das Jahr 2025 hochgerechnet. Im Mittel über alle Inbetriebnahmejahre ab 2019 wird ein fixer Betriebskosten-Anteil von 64 Prozent und ein ertrags- beziehungsweise erlösabhängiger Anteil von 36 Prozent für einen mittleren Standort ermittelt. Somit ergäbe sich in der ersten Betriebsdekade ein fixer Betriebskostenanteil von 33 Euro pro Kilowatt (kW) und ein variabler Anteil von 0,7 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). In der zweiten Dekade werden 43 Euro/kW und 0,9 ct/kWh erwartet.

Die Artikelbestandteile, die kursiv gedruckt sind oder in der Schriftart Courier, sind die eingefügten Korrekturen, die aufgrund eines Leserbriefs und eines Kommentar von Ben Brillat, notwendig wurden.

Artikelfiles und Artikellinks

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