Das Einreiseverbot nimmt der Hightech-Branche Zugang zu den fähigsten Köpfen Donald auf dem Trumpelpfad

Ludger Schmitz Ludger Schmitz |

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Das von der Trump-Administration verhängte Einreiseverbot für Menschen aus sieben Staaten trifft den Teil der US-Wirtschaft, der die besten Köpfe anzieht - und benötigt. Die IT-Industrie protestiert, teils verhalten, teils entschieden.

Mit der Einreisesperre für Bürger aus Irak, Iran, Libyen, Somalia, Sudan, Syrien und Yemen hat US-Präsident Donald Trump die US-IT-Branche gegen sich aufgebracht. Auf Klage der American Civil Liberties Union (ACLU) erließ ein Gericht die einstweilige Verfügung, dass Personen mit Arbeitserlaubnis (Green Card) einreisen dürfen. Aber viele Punkte sind weiterhin unklar, so die Fälle doppelter Staatsbürgerschaft, und der Schaden ist angerichtet, auch für die US-IT-Industrie.

"America first" - damaged

Dabei wollte Trump ja - „America first“ - die US-Industrie stärken, und zunächst sah es für die Trump im Wahlkampf kaum wohlgesinnte IT-Branche gar nicht so schlecht aus, wie man hätte erwarten können. Am 14. Dezember 2016 empfing Donald Trump 14 Chefs US-amerikanischer IT-Unternehmen, fast die gesamte Creme der Szene. Sie erklärten dem künftigen US-Präsidenten höflich ihnen wichtige Positionen. Es ist wenig darüber bekannt, anscheinend tauschte man heiße Luft und Floskeln aus.

Die Manager konnten glauben, sie hätten einen Fuß in der Tür. Erst recht schien das so, als der Tesla-CEO Elon Musk in gleich zwei Beratergremien Trumps berufen wurde, dem Manufacturing Council und dem Strategic and Policy Forum. Dabei war Musk im Wahlkampf noch Trump-kritisch aufgetreten. Ebenfalls Mitglieder im Manufacturing Council sind Intel-Chef Brian Krzanich und der Dell-CEO Michael Dell. Oracles Safra Catz war Mitglied in Trumps Übergangsteam. Doch die dürfen sich nun fragen, was ihre Ratschläge bringen sollen, wenn Politik an ihnen vorbei gemacht wird.

Aufschrei aus dem Silicon Valley

Gleich eins der ersten Dekrete der Trump-Administration war offenbar auf die Schnelle und im engsten Kreis, selbst ohne Absprachen mit Ministerien, zusammengeschustert wurden: die pauschale Einreisesperre für Bürger aus sieben Ländern. Das Echo war ein Aufschrei aus dem Silicon Valley. Nur wenige bemühten sich noch um gesetzte, diplomatische Formulierungen. Eine ausführliche Aufstellung bietet „Techcrunch“.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg zeigte sich „beunruhigt“ (concerned), aber hoffnungsvoll, dass Trump „etwas für Träumer ausarbeiten“ wolle. Ebenfalls „concerned“ war Microsoft-Chef Satya Nadella, der darauf hinwies, dass auch er ein Immigrant ist. Nach Microsoft-Angaben sind von der Trump-Anordnung 76 Mitarbeiter direkt betroffen. Das Unternehmen bot ihnen rechtliche Unterstützung an.

Erste Mitarbeiter dürfen nicht einreisen

Bei Google hat der Einreisestopp nach bisherigen Zahlen 187 Mitarbeiter betroffen. Man forderte alle Angestellten zur sofortigen Rückkehr in die USA auf. Bei Uber sind es „ein dutzend oder so“. Uber entschuldigte sich, einen Streik von Flughafen-Taxifahrern gegen den Einreisestopp gebrochen zu haben. Das Unternehmen will den an der Wiedereinreise gehinderten Fahrern ihre finanziellen Verluste ersetzen. Airbnb bot Gestrandeten kostenlosen Wohnraum an. Fraglich, wie das gehen soll, wenn sie auf Flughäfen festsitzen.

Einige IT-CEOs zeigten sich besonders betroffen, weil sie selbst Immigranten sind. Darauf wies wie Nadella auch Adobe-Chef Shantanu Narayen hin und zeigte sich „concerned“. Google-Boss Sundar Pichai ist ein Immigrant aus Indien, und der war „aufgebracht“ (upset). Google-Mitgründer Sergey Brin nahm in San Francisco an einer Demonstration gegen den Einreisestopp teil: „Ich bin hier, weil ich ein Flüchtling bin.“ Diverse CEOs, zum Beispiel Jeff Weiner von LinkedIn erinnerten daran, dass viele erfolgreiche Firmen von Immigranten oder ihren Kindern gegründet wurden.

"Eine Nation von Immigranten"

Salesforce-Boss Marc Benioff twitterte: „Amerika sollte nicht vergessen, wer wir wirklich sind – eine Nation von Immigranten und ein Licht für andere Nationen.“ Twitter-Chef Jack Dorsey schlug ähnlich in die Kerbe: „Twitter ist von Immigranten aller Religionen aufgebaut worden.“ Dort erklärte Intel-Chef Krzanich, dass Intel von Immigranten mitgegründet wurde und „eine gesetzeskonforme Immigration unterstützt“.

Apple-CEO Tim Cook beteuerte, er habe bei seinen Gesprächen in Washington auf die Bedeutung der Immigration hingewiesen. „Apple würde ohne Immigration nicht existieren, geschweige denn gedeihen und innovieren wie jetzt.“ Apple-Gründer Steve Jobs war ein Sohn von Immigranten.

Verschiedene IT-Unternehmen nutzen in ähnlicher Weise die Gelegenheit, sich als ausländerfreundlich und tolerant darzustellen. Ein Beispiel lieferte Amazons Personalchefin Beth Galetti: „Von Anfang an hat sich Amazon für Gleichberechtigung, Toleranz und Diversität eingesetzt, und dabei werden wir bleiben.“ Red Hat erklärte: „Red Hat ist stark wegen der tausenden unterschiedlichen Stimmen, aus denen sich unser Unternehmen zusammensetzt.“

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Wichtige Werte missachtet

Außer dem Eigeninteresse als Unternehmen sehen einige Firmenchefs eine politische Dimension gefährdet. Tesla- und SpaceX-Gründer und -CEO Elon Musk bemühte sich zunächst um diplomatische Worte und nannte den Trump-Erlass „nicht der beste Weg, um die Herausforderungen für das Land zu adressieren“. Dann wurde er politischer: „Viele Menschen, welche diese Politik negativ betrifft, sind starke Unterstützer der Vereinigten Staaten. Sie haben sich richtig verhalten, nicht falsch. Und sie verdienen es nicht zurückgewiesen zu werden.“

Manche beklagten den Verlust traditioneller US-amerikanischer Werte und des Ansehens des Landes in der Welt. Twilio-Chef Jeff Lawson: „Gestern wurde der Leuchtturm der Hoffnung und Freiheit ausgelöscht, ausgerechnet als die Menschheit ihn am meisten brauchte.“ Lawson und der Dropbox-CEO- Drew Houston nannten Trumps Anordnung deutlich „un-amerikanisch“.

Spendenflut für Hilfsorganisationen

Eine bemerkenswerte Folge hatte die Ankündigung von Hightech-Investor Chris Sacca. Er versprach, private Spenden eines Tages zugunsten der ACLU für ihre Gerichtsverfahren gegen den Trump-Erlass auf insgesamt 25.000 Dollar zu erhöhen. Offenbar wurde reichlich gespendet. Denn Sacca erhöhte noch am gleichen Tag seine Zusage zunächst auf 75.000, dann auf 150.000 Dollar.

Die Firma Lyft versprach eine Million Dollar über vier Jahre zugunsten der ACLU. Die größte Spendenzusage kam von Google. Das Unternehmen sagte der American Cvil Liberties Union (ACLU), dem Immigrant Legal Resource Center (ILRC), dem International Rescue Committee (IRC) und dem UN High Commissioner for Refugees /UN Refugee Agency (UNHR) zwei Millionen Dollar aus der Firmenkasse zu. Weitere zwei Millionen sollen die Organisationen aus Spenden von Google-Mitarbeitern erhalten.

OpenStack verzichtet auf US-Summits

Es gibt den ersten Hinweis darauf, dass der Einreisestopp auch noch andere Konsequenzen haben könnte. Die OpenStack.org bedauerte, dass es nicht mehr möglich sei, ein für Ende Februar in Atlanta geplantes „Project Teams Gathering“ und den „OpenStack Summit“ im Mai in Boston zu verlegen. Allerdings hat die Organisation beschlossen, die darauf folgenden drei Veranstaltungen nicht in den USA stattfinden zu lassen. Der Herbst-Summit 2017 ist ohnehin für Sydney geplant, darauf wäre ein Summit 2018 in den USA gefolgt, der jetzt an einen noch nicht genannten Ort verlegt wird. Der Herbst-Summit 2018 wird regulär wieder in Europa stattfinden. Zumindest ein wichtiger OpenStack-Mitentwickler wäre vom Trump-Erlass betroffen, und der Organisation geht es ums Prinzip.

US-amerikanischen IT-Unternehmen geht es nicht in erster Linie um humanitäre Aspekte oder Flüchtlinge. Für sie ist es im Prinzip wichtiger, dass ohne Einschränkungen die besten Fachleute an den Firmensitzen in den USA arbeiten können. Um für diese Leute attraktiv zu sein, ist es ferner wichtig, dass sie mit ihren Familienmitgliedern leben können, was die bisher schon rigiden Vorschriften ermöglichten. Noch wichtiger ist den Unternehmen vermutlich, dass eine harte US-Politik viele hoffnungsvolle Talente und Hochkaräter grundsätzlich abschrecken dürfte.

* Ludger Schmitz ist freiberuflicher Journalist in Kelheim.

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