Die beste Alternative einer Migration zu SAP S/4 HANA SNP-Manager Stöckler: „Ohne Prozessoptimierung fehlt der Business Case“
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Rein technisch auf „S/4 HANA“ migrieren oder dabei gleich Abläufe optimieren? Diese Frage stellen sich gerade viele Unternehmen. Mit der „Bluefield“-Variante ist beides möglich, wie der SAP-Dienstleister SNP erläutert. Der Nutzen des blanken Plattformwechsels ist aber begrenzt.

Wegen der bald auslaufenden Herstellerwartung für „SAP ECC“ steht die Migration auf SAP S/4 HANA in vielen Unternehmen auf der Agenda. Der Heidelberger SAP-Partner Schneider-Neureither & Partner (SNP) nutzt dafür den so genannten Bluefield-Ansatz. Dieser bildet mit dem Prinzip der selektiven Datenmigration eine weitere Option zu den Varianten Brownfield (also eine Übernahme der bisherigen Geschäftsprozesse) und Greenfield (alle Abläufe werden neu aufgesetzt).
Mit dem Bluefield-Verfahren will SNP in der Migration einen Dreiklang orchestrieren, wie Gregor Stöckler, Chief Operating Officer bei SNP, betont: „Eliminate, Renovate und Innovate nennen sich die drei Elemente. Wir eliminieren zunächst die Teile im System, die veraltet und unnötig sind. Im nächsten Schritt renovieren wir sinnvolle Funktionen, und im dritten Teil geht es um Innovationen, die Wertschöpfung bringen. Das ist in der Digitalisierung der wichtigste Teil.“
Eine Daten-Management-Plattform steuert die Migration
Die technische Basis der Bluefield-Migration ist die SNP-Lösung CrystalBridge, eine Plattform für Datenmanagement und Datenmigration: „Crystal Bridge unterstützt alle Arten von Datenmanagement, darunter die Datenmigration, die Kontrolle der Datenqualität, die Archivierung, das Stilllegen von Systemteilen sowie das Testen und Durchführen von Innovationen“, berichtet Stöckler.
Die technische Schrittfolge einer Bluefield-Migration sieht wie folgt aus: Der Umstieg startet mit einer Empty Shell, das ist eine Systemkopie völlig ohne Daten. „Crystal Bridge“ mappt dann die Stammdaten und die Bewegungsdaten aus dem Altsystem anhand von Transformationsregeln in die neue Struktur.
Unternehmen, die ihr SAP-System bereits jahrelang nutzen, haben es meist durch Eigenentwicklungen funktional erweitert. Solche Systeme müssen vor der Migration in den Standard zurückgeführt werden. Crystal Bridge zeigt den Systemarchitekten, an welcher Stelle im System Code geändert wurde, und, wie oft diese Modifikationen im täglichen Betrieb genutzt werden. „Die Anzahl der Aufrufe von proprietärem Code entscheidet darüber, wie wichtig diese Modifikation in der Praxis ist“, erklärt Stöckler. „Nach unserer Erfahrung werden ungefähr 70 Prozent der Eigenentwicklungen längst nicht mehr genutzt. Diese Teile entfernen wir aus dem System.“
Technologiewechsel alleine bringt keinen Benefit
Laut Berichten der SAP-Anwendervereinigung DSAG starten viele Unternehmen mit einer rein technischen Migration in die Welt von SAP S/4 HANA. Dabei bilden sie das alte System eins zu eins in der neuen IT-Landschaft an. Hierbei klappt der Umstieg zwar sehr gut, aber es lässt sich kein Business Case rechnen, weil der zusätzliche Nutzen für die Fachabteilung fehlt.
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„Der reine Technologiewechsel bringt erst mal keinen Benefit“, warnt Stöckler. „Insofern ist der Brownfield-Ansatz zu großen Teilen Augenwischerei, denn die Elemente Renovate und Innovate werden dabei oft in eine unbestimmte Zukunft verschoben. Manch ein Unternehmen geht dabei einen faulen Kompromiss ein.“
Lorenz Beckmann, Principal Solution Expert and Advisor S/4 HANA and Sustainability beim SAP-Partner NTT DATA Business Solutions hat im Interview von DataCenter Insider die technischen Migrationen damit gerechtfertigt, dass die Unternehmen so die Migration vereinfachen wollen: „Um die Komplexität aus dem Projekt herauszunehmen, ändern viele unserer Kunden bei der Migration auf S/4 HANA erst einmal keine Geschäftsabläufe. Sie setzen vielmehr ihr System nach der Selective Data Transition produktiv und optimieren die Prozesse erst, nachdem sich der Betrieb einen Monat oder zwei Monate lang eingespielt hat.“
Den Mehrwert bringen Prozessoptimierungen
Gregor Stöckler hat eine weitere Erklärung für dieses Verhalten, nämlich das mangelnde Alignment von IT und Fachabteilung: „Dort, wo IT und Fachabteilung im Gleichtakt laufen, sind solche Ansätze verpönt, weil sie wenig zielführend sind. Auch ökonomisch sind wir längst aus den Zeiten raus, wo die IT riesige Budgets bekommt, ohne dafür einen messbaren Mehrwert zu liefern. Ich glaube, hier ist ein striktes Umdenken nötig.“
Autor Jürgen Frisch stellt das Interview mit Gregor Stöckler auch als Podcast #17 in DataCenter Diaries: „Migration zu SAP S/4 HANA: Ohne Prozessoptimierung fehlt der Business Case“ zur Verfügung
Die Podcast-Folge #17 von DataCenter Diaries findet sich auf Spotify, Apple Podcasts, Deezer, Amazon Musik und Google Podcasts.
Mit Crystal Bridge ist es technisch möglich, bereits im ersten Schritt der Migration Geschäftsprozesse zu optimieren. Die Kunden von SNP machen das laut Stöckler zumindest in Teilen: „Ich schätze mal, dass rund 95 Prozent unserer Kunden mit Änderungen an den Prozessen auf S/4 HANA migrieren. Oft sind das zwar nur kleine Änderungen. Aber auch 50 kleine Änderungen können einem Unternehmen unter dem Strich einen großen Mehrwert bringen.“
SNP führt einerseits selbst Bluefield-Migrationen durch und arbeitet darüber hinaus auch mit Partnern wie beispielsweise All for One zusammen, die für ihre Migrationsmethode „Conversion/4“ Crystal Bridge nutzen. Das Grundprinzip ist bei SNP und allen Partnern gleich, wie Stöckler berichtet: „Wir arbeiten mit 16 der 20 größten Systemintegratoren zusammen. Wir haben alle auf der Crystal Bridge-Plattform trainiert. Sie nutzen alle Bluefield, haben aber teilweise das Vorgehen mit ihrem branchen- und kundenspezifischen Know-how erweitert.“
Bluefield und Allfield haben den gleichen Ursprung
SNP-Mitbewerber NTT DATA Business Solution nutzt mit seiner Tochter Natuvion das Konzept „Selective Data Transition“ und nennt die Migrationsvariante „Allfield“. Die Unterschiede zum Bluefield-Konzept sind laut Stöckler gering, denn beide Varianten haben den gleichen Ursprung: „Das Konzept Selective Data Transition geht auf eine gemeinsame Initiative von SAP, CBS, Natuvion und SNP zurück. Die daraus abgeleiteten Ansätze unterscheiden sich vom Grund her nur unwesentlich. Jeder Player bringt allerdings sein Spezial-Know-how mit. Bei uns liegt der Fokus auf der Plattform und der begleitenden Unterstützung der Datenmigration. Weitere Schwerpunkte sind Testautomatisierung, Datenqualität sowie Analytics und Data Warehouse.“
Um ‚Data Streaming for SAP in der Cloud‘ geht es in einer Partnerschaft, die SNP gerade mit dem kalifornischen Data-Cloud-Spezialisten Snowflake geschlossen hat. Der Hintergrund: Die Funktion „SNP Glue“ in der Crystal-Bridge-Plattform versetzt Anwender in die Lage, SAP-Daten auf eine Cloud-Plattform ihrer Wahl zu bringen.
Das kann eine einmalige, eine wiederkehrende Migration sein oder auch Streaming. „Je nach Kunde und Anwendungsfall arbeiten wir mit „Microsoft Azure“, „Google Cloud Plattform“, „Amazon Web Services“ oder eben auch Snowflake zusammen“, erläutert Stöckler. „Die Anwendungsfälle reichen von der Betrugserkennung bis hin zu Echtzeitinformationen auf einer Baustelle. Wir organisieren die Zutaten, um alles hübsch anzurichten. Daten sind schließlich in der Digitalisierung das A und O.“
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