Aus alt mach nachhaltiger Der Weg zum grünen Rechenzentrum

Ein Gastbeitrag von Severin Braun |

Anbieter zum Thema

Für Severin Braun, CPO von Plusserver, ist klar: Die klimaschonende Modernisierung von Bestandsstrukturen muss endlich angegangen werden. Zum 'Wie' geht es in diesem Beitrag.

Die Rechenzentren müssen modernisieren; denn die Zeichen stehen auf Energie- und Klimakrise und schwindendem Handlungsspielraum durch ein Kostenschlinge, die sich zuzieht.
Die Rechenzentren müssen modernisieren; denn die Zeichen stehen auf Energie- und Klimakrise und schwindendem Handlungsspielraum durch ein Kostenschlinge, die sich zuzieht.
(Bild: Shuo - stock.adobe.com)

Der Bedarf an Cloud-Anwendungen und Speicherkapazitäten ist grenzenlos – genauso verhält es sich mit Daten: Das weltweite Volumen an verarbeiteten Daten soll bis 2025 auf über 180 Zettabyte ansteigen. Die Energiekosten für Digitalisierung und Daten dürfen gleichzeitig nicht ins Unermessliche steigen, wie die aktuellen Diskussionen um Versorgungsengpässe im Herbst zeigen.

Fünf Fragen, die sich Datacenter-Betreiber stellen sollten
  • 1. Welchen PUE-Wert hat meine Infrastruktur? Der PUE-Wert gibt eine fundierte erste Einschätzung über die Energie-Effizienz Ihres Rechenzentrums. Er sollte möglichst unter 1,5 liegen. Best Werte sind zwischen 1,2 und 1,3. Eine Messung zu Beginn und am Ende der Modernisierung zeigt an, ob sich die Optimierungen lohnen.
  • 2. Wo liegt mein größtes Optimierungspotenzial? Meist können Kerninvestitionen in die bestehende Infrastruktur bereits zu großen Optimierungen führen. Zunächst sollte geprüft werden, ob eine ausreichende Kalt- und Warmgangeinhausung sowie stabile Luftströme im Rechenzentrum vorliegen.
  • 3. Welche Maßnahme passt zu meinem Rechenzentrum? Nicht alle klimaschonenden Maßnahmen lohnen sich für jedes Rechenzentrum. Es gilt stets kritisch zu prüfen, was für den eigenen Standort am besten passt.
    Die Abwärme-Nutzung wird häufig diskutiert, ist jedoch in Realität kaum effizient umsetzbar. Fehlende Abnehmer aufgrund des unzureichenden Netzausbaus sowie Unterschiede zur Netztemperatur erschweren die Nutzung von Abwärme. Eine kritische Prüfung des Datacenter-Standortes, der Umgebung und der möglichen Nutzungsszenarien spart unpassende Szenarien aus und bringt die Kreativität ins Sprudeln: Vom vertical Farming bis zur Heizung von Büroräumen ist vieles möglich.
  • 4. Woher beziehe ich meine Energie? Eine Kernfrage, die sich jeder Anbieter stellen sollte, denn Klimaneutralität beinhaltet nicht nur Energie-Effizienz, sondern auch der Ursprung des Stroms kann grüner gestaltet werden. Ob Sonne, Wind oder Wasserkraft – erneuerbare Energien sind gekommen, um zu bleiben.
    Alleine bis 2030 rechnet die Bundesregierung damit, dass der gesamte deutsche Bruttostromverbrauch aus mindestens 80 Prozent erneuerbarer Energiequellen stammen wird. Bis 2035 soll Deutschland komplett auf fossilen Energieimporten verzichten.
  • 5. Wie gut kenne ich mein eigenes Rechenzentrum? Durch die Nutzung moderner Monitoring-Systeme erhält man ein umfassendes Bild vom Energieverbrauch einzelner IT-Komponenten bis zu zur Verschleißvorhersage von Maschinen und Leistungsstoßzeiten (Predictive Maintenance). Mit diesen gewonnenen Kerninformation lassen sich Ressourcen besser planen und umweltfreundlich Maßnahmen strategisch passend umsetzen.

Wie können Datacenter-Provider diesem Dilemma trotzen?

Mit über 480 Rechenzentren verfügt Deutschland über die größte Speicherinfrastruktur in Europa und ist damit einer der wichtigsten Akteure bei der Digitalisierung des Kontinents. Nach Angaben des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesrepublik Deutschland verbrauchten deutsche Rechenzentren jedoch im Jahr 2020 mehr als 16 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom, was 3,2 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland entspricht.

REF, Renewable Energy Factor (REF), IT Equipment Utilization (ITEU), Energy Reuse Factor (ERF) … es gibt viele Werte, mit denen die Nachhaltigkeit und Energie-Effizienz von unterschiedlichen Datencenter verglichen werden. Als Kernindikator wurde der PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) ins Leben gerufen, der die Energie-Effizienz von Rechenzentren definiert. Damit ermittelt man die Relation zwischen der eingespeisten Strommenge und der für den Betrieb der IT-Geräte im Rechenzentrum verbrauchten Energie. Je niedriger der PUE-Wert eines Rechenzentrums ist, desto klimaschonender und Energie-effizienter ist es.

Werte von 1,5 und darunter sind ein guter Richtwert: Wenn ein Rechenzentrum einen PUE-Wert von 1,2 oder 1,3 hat, kann es als grün bezeichnet werden, weil nur 20 bis 30 Prozent der Energie ineffizient genutzt werden – das heißt, dass diese 20 oder 30 Prozent nicht in die Rechenleistung, sondern in Prozesse wie Kühlung oder Klimatisierung fließen. Der PUE-Wert ist damit einer von vielen hilfreichen Indikatoren, um die Auswirkungen des eigenen Rechenzentrums auf die Umwelt zu messen.

Nachhaltigkeit bei Rechenzentren

Nachhaltigkeit bei Rechenzentren
eBook: Nachhaltgkeit

Klimaneutrale Rechenzentren stehen im Koalitionsvertrag der aktuellen deutschen Regierung. Bis 2027 sollen neu zu errichtende Rechenzentren zumindest rein rechnerisch keine Treibhausgase mehr abgeben. Ein realisierbares Ziel? Und was bedeutet 'klimaneutral'?
Die Maßnahmen auf dem Weg zum klimaneutralen Rechenzentrum sind vielfältig. Es handelt sich um ein technisches und organisatorisches Puzzle, bei dem viele Teile für das große Ganze zusammenkommen.

Aus dem Inhaltsverzeichnis des eBook:

  • Nachhaltigkeit gibt es nicht zum Nulltarif
  • Von intelligenten Steckdosenleisten bis zu Suprastrom-Sammelschienen
  • Klimabewusstes Codieren
  • Verbesserung der Klimabilanz beim Betrieb eines Rechenzentrums
  • „Der PUE hat keinen Wert für die Klimaneutralität.“


    >>> eBook „Nachhaltigkeit bei Rechenzentren“ zum Download
  • Fünf Schritte zur Verbesserung von Energieeffizienz und CO₂-Bilanz im Rechenzentrum

    Beim Neubau eines Rechenzentrums werden moderne Standards, Materialien und Techniken genutzt, auch werde dabei bereits vor Baubeginn die mögliche Abwärmenutzung und damit der Standort mitgedacht. Damit sind Datacenter-Neubauten von Beginn an effizienter, als Brownfield-Strukturen. Letztere herrschen jedoch in Deutschland vor.

    Der Abriss dieser älteren Strukturen wäre teuer und energieintensiv. Wir empfehlen daher, zunächst das Optimierungspotenzial des Rechenzentrums zu analysieren, bevor Bestandssysteme aufgegeben werden. Die Modernisierung einer Bestandsanlage kann sich lohnen: Bei Plusserver konnten wir durch die Modernisierung eines Rechenzentrums den PUE-Wert von über 2,0 auf 1,35 senken.

    Die folgenden Methoden zur Modernisierung bereits vorhandener Technologie haben sich als besonders effektiv erwiesen:

    1. Die Kaltgangeinhausung

    Die Gangeinhausung ist eine Maßnahme, die den Kalt- und Warmluftstrom in einem Rechenzentrum strikt trennt. Mit einer gut gemanagten Kaltgangeinhausung werden etwa 10 Prozent weniger Energie benötigt.

    Ein großer Vorteil dieser Methode ist, dass die Kaltgangeinhausung einfach zu implementieren ist, ohne dass zusätzliche Konstruktionen für die Ablufteinhausung und -rückführung erforderlich sind, wie etwa eine Zwischendecke oder ein Luftplenum. Darüber hinaus können die Serverschränke aufgrund der verbesserten Kühlbedingungen enger platziert werden, was zu einer besseren Raumnutzung im Rechenzentrum führt.

    2. Die Optimierung des Luftstroms

    In direktem Zusammenhang mit der Kaltgangeinhausung steht die Verbesserung des Luftstroms im Rechenzentrum: Indem Sie alle ungenutzten Negativräume abdecken und versiegeln, können Sie sicherstellen, dass keine kalte Luft verloren geht und ein konstanter Luftdruck aufrechterhalten wird. Ohne Optimierung kann kühle Luft nicht zu überhitzten Komponenten gelangen, oder es können sich so genannte Hotspots bilden, also warme Luft, die in einem Bereich eingeschlossen wird.

    Im Rechenzentrum, das rund um die Uhr läuft, ist Kühlung alles: Ohne ordnungsgemäße Luftzirkulation arbeiten die Klima-Anlagen stärker als nötig, um ideale Bedingungen zu schaffen. Ein durchdachtes Luftstrom-Management für Rechenzentren reguliert die Raumtemperaturen, senkt die Lüftergeschwindigkeiten und sorgt für optimale Luftzirkulationskanäle.

    Jetzt Newsletter abonnieren

    Täglich die wichtigsten Infos zu RZ- und Server-Technik

    Mit Klick auf „Newsletter abonnieren“ erkläre ich mich mit der Verarbeitung und Nutzung meiner Daten gemäß Einwilligungserklärung (bitte aufklappen für Details) einverstanden und akzeptiere die Nutzungsbedingungen. Weitere Informationen finde ich in unserer Datenschutzerklärung.

    Aufklappen für Details zu Ihrer Einwilligung

    Auch hier spielt wieder die Raumnnutzung eine große Rolle: Indem mehrere Server-Schränke in langen Reihen aufgestellt werden, maximiert sich die räumliche Effizienz und die Luftströme können besser geleitet werden.

    3. Das Temperatur-Management

    Durch die Einrichtung einer Kaltgangeinhausung und eines optimierten Luftstrom-Managements stellen Rechenzentrumsbetreiber sicher, dass die Serverschränke ausreichend gekühlt werden. Damit wird weniger Energie für die Klimatisierung des gesamten Rechenzentrums aufgewendet, wodurch die Raumtemperatur generell erhöht werden kann.

    Dieser Punkt ist wichtig, weil die Lagerung der Geräte bei der richtigen Temperatur ihre Lebensdauer verlängert, die Zuverlässigkeit erhöht und die Wartungskosten senkt. Die American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers (ASHRAE) empfiehlt, die Temperatur in Rechenzentren zwischen 20 Grad und 24 Grad zu halten, um die Effizienz und Langlebigkeit der Server zu maximieren.

    4. Nachhaltige Kühlsysteme

    In Initiativen wie dem europäischen Pakt für klimaneutrale Rechenzentren verpflichten sich Datacenter-Anbieter, die Infrastrukturen bis 2030 klimaneutral zu gestalten (siehe: „ Nachhaltiges Bewirtschaften der Rechenzentren; Klimapakt der europäischen Datacenter-Betreiber“). Um solche Ziele zu erfüllen, ist es unerlässlich, auf moderne Kühllösungen mit natürlicher Kühlung umzusteigen, zum Beispiel Wasser, Ammoniak, Propan oder CO₂.

    Diese Lösungen sind weder ozonschädigend noch tragen sie zu Treibhausgasemissionen bei. Ebenso weisen moderne Klimatisierungsanlagen durch Maßnahmen wie variable Lüftersteuerungen eine höhere Energie-Effizienz auf.

    5. Neue USV-Systeme mit geringer Verlustleistung

    Unterbrechungsfreie Stromversorgungssysteme (USV) gewährleisten die Energieversorgung von Servern im Falle einer Störung. Darüber hinaus schützt die USV-Anlage empfindliche elektronische Geräte vor Schäden oder Ausfällen aufgrund von Schwankungen in der Stromversorgung oder Spannungsspitzen. Zur Energi-Ooptimierung ist es ratsam, in moderne USV-Systeme zu investieren. Diese verfügen über einen hohen Gesamtwirkungsgrad von über 95 Prozent und können damit die Höhe der Verlustleistung deutlich reduzieren.

    Bestandsrechenzentren modernisieren statt demolieren

    Die fünf oben genannten Schritte sind ein guter Ausgangspunkt für Datacenter-Betreiber, um ihre Anlage Energie-effizienter zu gestalten. Nach diesen ersten Schritten, fällt der nächste Blick auf die Hardware: Mit intelligentem Power-Management erreichen Rechenzentrumsbetreiber einen niedrigeren PUE-Wert und nutzen die Technologie im Rechenzentrum effektiv.

    Der Ausgleich der IT-Last und der Ersatz von Hardware, die 10 Jahre oder älter ist, gehen dabei Hand in Hand. Denn ältere Lösungen sind in der Regel nicht so energieeffizient wie neue Lösungen.

    Severin Braun ist Chief Product Officer bei Plusserver.
    Severin Braun ist Chief Product Officer bei Plusserver.
    (Bild: Plusserver)

    Um das Klimaziel der EU zu erreichen, bis 2050 klimaneutral zu sein, müssen nicht alle deutschen Bestandsrechenzentren abgerissen werden. Sie können weiterhin genutzt werden, indem Sie die Systeme modernisieren und optimieren. Besonders in Anbetracht der aktuellen Energiekrise ist ein nachhaltiger Datacenter-Betrieb kein Luxus mehr, sondern ein Muss, um die Betriebskontinuität zu garantieren.

    Operieren am offenen Herzen: Modernisierung im Datacenter

    Operieren am offenen Herzen: Modernisierung im Datacenter
    Kompendium 2022

    Die Ausgangslage für Datacenter ist klar: Sie müssen schneller, effizienter und natürlich nachhaltiger werden.
    Doch die Modernisierung von Rechenzentren im laufenden Betrieb ist eine heikle Angelegenheit. Tatsächlich versichern alle Datacenter-Beteiligten, von Betreibern über Ausstattern sowie Kunden, wie viel ungleich schwieriger es ist, Rechenzentren zu modernisieren als neu zu bauen; denn der Betrieb lässt sich nicht einfach einstellen. Es sei wie eine Operation am offenen Herzen der Digitalisierung.

    Im Kompendium finden Leser und Leserinnen

  • …wie Umweltziele trotz steigendem Energie- und Platzbedarf von IT erreicht werden.
  • …dass Energie-Effizienz mehr als eine Seite kennt.
  • …wie Software-Entwicklung noch mehr Nachhaltigkeitsbezug bekommt.


    >>> Kompendium 2022 „Operieren am offenen Herzen: Modernisierung im Datacenter“ zum Download <<<
  • Artikelfiles und Artikellinks

    (ID:48801467)