Der globale Markt für Rechenzentren Der Data Center Cost Index zeichnet viel Sonne auf und sagt Böen voraus

Von Ulrike Ostler

Ein weiteres gutes Jahr für Rechenzentrumsbetreiber steht bevor. Den Analysten von Turner & Townsend zufolge erwarten 95 Prozent der Betreiber von Rechenzentren eine steigende Nachfrage nach Rechenzentrumsservices. Wojciech Stramski, CEO von Beyond.pl, ein Rechenzentrumsbetrieb in Polen, bewertet die Zahlen.

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Der „Data Center Cost Index“ von Turner & Townsend trifft Aussagen über Preisentwicklungen, Marktgegebenheiten, Trends und Risiken.
Der „Data Center Cost Index“ von Turner & Townsend trifft Aussagen über Preisentwicklungen, Marktgegebenheiten, Trends und Risiken.
(Bild: Marcin 'Dobermann' Pflanz/Beyond.pl)

Turner & Townsend ist ein Beratungsunternehmen, 1946 in Großbritannien gegründet, heute mit 112 Niederlassungen weltweit. Der Fokus liegt auf Investitionsprogrammen in den Bereichen Immobilien, Infrastruktur und natürliche Ressourcen. Das Unternehmen veröffentlicht ins seinem jüngsten „Data Center Cost Index“, das die Branche Grund zum Optimismus hat.

95 Prozent der befragten Rechenzentrumsbetreiber geben an, dass 2022 ein besseres Jahr für sie sein wird als 2021. Rund 70 Prozent glauben, dass der Markt für Rechenzentren praktisch rezessionssicher ist. Wachstumstreiber der Branche dürften unter anderem die weiter zunehmende Digitalisierung von Unternehmensprozessen sowie die wachsende Popularität des Internet of Things (IoT) sein.

Allerdings sind die Meinungen jedoch geteilt, wie Rechenzentren den grünen Wandel bewältigen werden. So könnte sich neben den steigenden Kosten für den Bau neuer Anlagen die Klimapolitik als große Herausforderung erweisen. Außerdem werden nach Ansicht von Turner & Townsend die sich entwickelnden Märkte für Rechenzentren von den steigenden Preisen in Spitzenlagen profitieren.

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Der Kostenindex aus dem vergangenen September (siehe: Abbildung 1), es ist bereits der fünfte, berücksichtigt 44 Standorte, gegenüber 40 im Jahr 2020 und 32 im Jahr 2019. Während die Kosten in einem Jahr der Angebotsunterbrechung und des Nachfragewachstums in fast allen Märkten in gewissem Maße gestiegen sind, waren die meisten Märkte im Vergleich zu den anderen Mitgliedern der Tabelle stabil - mit wenigen großen Sprüngen oder Rückgängen.

Das, was heraussticht

Zürich hat seine traditionelle Position als teuerster Markt für Rechenzentren aufgegeben, da seine Kosten von 12,0 Dollar pro Watt (USD/W) von Tokio mit 12,5 USD/W überholt wurden. Tokio lag 2020 noch auf dem zweiten Platz, aber die allgemein steigenden Baukosten, die in unserer Umfrage zum internationalen Baumarkt 2021 hervorgehoben wurden, haben die Stadt auf den ersten Platz verdrängt.

Im Silicon Valley und in New Jersey sind die Kosten nach wie vor hoch - beide Standorte teilen sich weiterhin den dritten Platz mit 10,3 USD/W, gegenüber 9,8 USD/W im Jahr 2020. Der intensive Wettbewerb auf dem nordamerikanischen Markt führt dazu, dass sich der Investitionsappetit weiter nach Europa verlagert, wo sich höhere Renditen und günstigere Erträge als in den USA erzielen lassen. Während die traditionellen Märkte Frankfurt am Main, London, Amsterdam, Paris und Dublin (FLAPD) nach wie vor beliebt sind, steigt die Nachfrage auch in sekundären und tertiären Märkten, mit neuen Hotspots wie Istanbul, Athen und Berlin.

London hat im letzten Jahr den fünften Platz in der Tabelle erreicht, aber die Kosten liegen konstant bei 9,1 USD/W, so dass der Standort in der Tabelle auf Platz 12 zurückgefallen ist. Dieser Platz wird von zwei Neueinsteigern eingenommen: Seoul und Oslo - auf den Plätzen fünf und sechs mit 9,7 USD/W beziehungsweise 9,5 USD/W.

Diese Neuzugänge bedeuten, dass Sydney und Stockholm (beide 9,3 USD/W) vom sechsten und siebten Platz im Jahr 2020 auf den siebten und achten Platz in diesem Jahr zurückgefallen sind. Hongkong, das von politischen Spannungen geprägt ist, macht den größten Kostensprung nach oben, von Platz 23 mit 7,1 USD/W im Jahr 2020 auf Platz neun mit 9,3 USD/W im Jahr 2021.

Vielversprechende Märkte

Neue Nachfragequellen und erhebliche Marktchancen lassen sich in Regionen finden, in denen die Menschen den steilsten Abschnitt der digitalen Akzeptanzkurve erreichen, wie in Teilen Afrikas und Südamerikas, wo der digitale Markt erwachsen wird und die Nutzung Internet-fähiger Geräte rasant zunimmt.

Laut Index sind die Baukosten pro Watt in Johannesburg relativ konstant geblieben und von 6,6 USD/W im Jahr 2020 auf 6,7 USD/W in diesem Jahr gestiegen. Ähnlich sieht es in Nairobi aus, wo die Kosten von 6,9 USD/W im Jahr 2020 auf 7 USD/W in diesem Jahr gestiegen sind; in Sao Paulo sind die Kosten mit 6,9 USD/W in beiden Jahren gleichgeblieben.

Angesichts des geringeren Wettbewerbs - und der Baukosten, die etwa ein Drittel unter denen der wichtigsten Hauptmärkte liegen - wendet sich das Marktinteresse den Entwicklungsländern zu. Zu den neuen Standorten, die 2021 neu im Index stehen, gehören Bogota in Kolumbien (6,3 USD/W) und Montevideo in Uruguay (7,6 USD/W). Für Rechenzentrumsinvestoren und -entwickler, die auf der Suche nach höheren Renditen sind, scheinen diese Länder attraktive Aussichten zu bieten, trotz der höheren Risiken.

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Stramski weist drauf hin, dass auch der polnische Markt zunehmend attraktiver wird: Er sagt: „Der polnische Datacenter-Markt ist für viele ausländische Investoren attraktiv. In den Gesprächen, die wir führen, zeigt sich klar, dass wir einen guten Standort im Zentrum Europas, eine hochwertige IT-Infrastruktur sowie relativ niedrigen Immobilien- und Energiekosten im Vergleich zu FLAP-D und Zürich haben.“

Die polnische Industrie könne sich aufgrund der niedrigeren Geschäftskosten und der günstigen Lage im Zentrum Europas erfolgreich im Wettbewerb behaupten. Die Analysten von PMR Market Expert schätzen die Leistung aller polnischen Rechenzentren bis 2020 auf über 88 Megawatt und sagen ein Wachstum bis zu 181 Megawatt im Jahr 2026 voraus.

Sturmwolken am Horizont?

Den Analysten zufolge besteht eine der größten Herausforderungen für die Branche darin, die derzeitige IT-Infrastruktur und die bestehenden Rechenzentrumseinrichtungen an die neuen Klimavorschriften anzupassen. Wörtlich heißt es: „Unter diesem sonnigen Bild der steigenden Nachfrage und des Marktvertrauens brauen sich Probleme zusammen. Die Klimakrise verschärft sich weiter, und diese ressourcenhungrigen Einrichtungen stehen unter wachsendem Druck, sich zu verändern. Das regulatorische Umfeld rund um das Thema `Net Zero´ schafft neue Risiken, gepaart mit wachsenden Erwartungen von Kunden und Verbrauchern.“

So verpflichteten sich führende Rechenzentrumsbetreiber zum Klimaschutz, etwa Google, Microsoft, Equinix, SAP und Beyond.pl, als einziger polnischer Vertreter des Sektors, die den Pakt für klimaneutrale Rechenzentren unterzeichnet haben. Es sei wichtig, Bereitschaft zu zeigen, aber das Erreichen dieser Ziele wird für eine Branche, die für ein, zwei Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich ist, schwierig sein.

Nur 40 Prozent der Umfrageteilnehmer glauben, dass klimaneutrale Rechenzentren in den nächsten fünf Jahren erreichbar sind, wobei die Meinungen darüber, ob die Eigentümer/Betreiber einen klaren Plan haben, um dieses Ziel zu erreichen, fifty-fifty geteilt sind (siehe auch: „Bitkom-Studie zu Rechenzentren und ihre aktuelle Entwicklung; Datacenter in Deutschland: Mehr Daten – mehr Strom?“.

„Um das anhaltende globale Wachstum zu unterstützen und die steigende digitale Nachfrage zu befriedigen und gleichzeitig die Umweltbilanz des Sektors zu verbessern, bedarf es einer Revolution in der Art und Weise, wie wir Energie erzeugen und speichern“, heißt es in den Ausführungen zum Index. „Eine sorgfältige Planung, Investitionen in umweltfreundliche Technologien und die Qualifizierung der Lieferkette müssen schnell und in großem Umfang erfolgen, um die notwendige Infrastruktur für eine neue digitale Netto-Null-Welt zu schaffen.“

Wojciech Stramski, CEO von Beyond.pl: „“
Wojciech Stramski, CEO von Beyond.pl: „“
(Marcin 'Dobermann' Pflanz)

Beyond.pl-CEO Stramski kommentiert: „Die digitale Transformation erhöht den Bedarf an Speicherplatz und Rechenleistung erheblich. So haben es sich Rechenzentrumsbetreiber es zur Priorität gemacht, so schnell wie möglich auf Kundenbedürfnisse zu reagieren. Fragen der Energie-Effizienz oder der Ökologie sind in den Hintergrund getreten. Ein solcher Ansatz ist auf lange Sicht selbstzerstörerisch, sei es im Zusammenhang mit der Klimakrise oder mit den zu erwartenden europäischen Vorschriften und steigenden Energiekosten.“

Stramski fordert: „Aus der Sicht der Kunden von Rechenzentren, insbesondere der großen, bei denen die Verringerung der Kohlenstoffemissionen Teil ihrer Strategie ist, ist eine größere Transparenz erforderlich. So können die Kunden beurteilen, welche Betreiber wirklich Energie-effizient sind.“

Auch der Bau neuer Einrichtungen selbst wird eine Herausforderung darstellen. An den begehrtesten Standorten wie Tokio, Zürich oder dem FLAP-D-Markt übersteigt die Nachfrage nach Immobilien das Angebot. Hinzu kommt, dass die Energiebereitstellung knapp wird.

Bereits 2019 wies ein Bericht der Irish Academy of Engineering darauf hin, dass die steigende Nachfrage nach zentralen Dienstleistungen in Dublin einen Ausbau der dortigen Energieinfrastruktur erfordern würde. Die Kosten wurden damals auf 9 Milliarden Dollar über acht Jahre geschätzt.

Lieferkettenengpässe und erhöhte Preise verzögern

Die Situation auf dem Baumarkt ist eine zusätzliche Herausforderung für die Betreiber von Rechenzentren. 87 Prozent der von Turner & Townsend befragten Unternehmen geben an, dass Materialengpässe zu Verzögerungen beim Bau von Rechenzentren führen. Hinzu kommen die Preissteigerungen bei Baumaterialien. In Europa sollen sich die Stahlpreise in den vergangenen zwölf Monaten mehr als verdoppelt haben. Aus diesem Grund weisen Analysten darauf hin, dass es immer beliebter wird, bestehende Anlagen und Gebäude aufzurüsten, anstatt in komplett neue Rechenzentren zu investieren.

Doch das ist auch nicht ohne: „Viele der heute in Betrieb befindlichen Anlagen wurden vor mehreren Jahren gebaut. Viele Serverräume befinden sich in Gebäuden, die nicht mit Blick auf die Wartung kritischer IT-Infrastrukturen und die Energie-Effizienz konzipiert wurden. Ein Mangel an angemessenem Serverraum, Sicherheitsmaßnahmen und energiesparenden Lösungen bedeutet höhere Risiken sowie Kosten für die Kunden“, verdeutlicht Stramski die Situation.

Optimal sei es, wenn Rechenzentrumsbetreiber über eigenes Land und Investitionsmöglichkeiten verfügten. Auf diese Weise könnten sie eine Einrichtung entwerfen und bauen, die den Erwartungen ihrer Kunden entspricht und die auch noch in einem Dutzend Jahren diese Erwartungen erfüllen.

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