Quantencomputing im Forschungszentrum Jülich D-Wave und das JSC starten kommerziellen Quantencomputer für den europäischen Markt

Von Ulrike Ostler

D-Wave Systems Inc., Anbieter von Quantencomputing - Systeme, Software und Dienstleistungen – sowie Hersteller von Quanten-Annealing- als auch Gate-basierte Quantencomputer, hat heute mit dem Forschungszentrum Jülich offiziell das erste „Advantage“-Quantensystem Europas in Betrieb genommen; es enthält mehr als 5000 Qubits. Damit ist auch der Startschuss für das erste Quanten-Cloud-System mit der Bezeichnung „Leap“, das sich physisch außerhalb Nordamerikas befindet, gefallen.

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D-Wave und das Forschungszentrum Jülich nehmen kommerziellen Quantencomputer von D-Wave Systems für den europäischen Markt in Betrieb.
D-Wave und das Forschungszentrum Jülich nehmen kommerziellen Quantencomputer von D-Wave Systems für den europäischen Markt in Betrieb.
(Bild: JSC)

Europäische Nutzer des Forschungszentrums Jülich soll ab sofort über Leap Zugang zu Advantage haben, ein Quantencomputer mit Annealing, haben. Die Erweiterung ist Teil der „Jülich User Infrastructure for Quantum Computing“ (Juniq), die seit 2019 Forschern in ganz Europa Zugang zu verschiedenen Quantensystemen bietet.

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung: Bettina Stark-Watzinger
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung: Bettina Stark-Watzinger
(Bild: Forschungszentrum Jülich)

Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger, der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, Mariya Gabriel, EU-Kommissarin für Innovation, Forschung, Kultur, Bildung und Jugend, und der kanadische Botschafter Stéphane Dion haben das System heute gemeinsam mit dem CEO von D-Wave, Alan Baratz, und dem CEO der Caxiabank, Gonzalo Gortazar, im Rahmen einer Veranstaltung eingeweiht und damit, wie es heißt, die Bedeutung der Zusammenarbeit bei der Entwicklung praktischer Quantenanwendungen über Branchen und Forschungsbereiche hinweg unterstrichen.

Baratz, erläutert: „Da Unternehmen und Forschungseinrichtungen geschäftskritische Probleme identifizieren, die Investitionen in Quantencomputer benötigen, wächst die Marktchance für Quantencomputer schneller denn je.“ Dies gelte insbesondere für Europa, wo zu beobachten sei, dass eine wachsende Zahl von Unternehmen, Universitäten und sogar Regierungsstellen auf dem gesamten Kontinent bereits vom Zugang zu Quantentechnologien profitierten.

Der D-Wave Quantenannealer an seinem neuen Standort im „Juniq“-Gebäude am Forschungszentrum Jülich: Das „Advantage“-System von D-Wave ist ein Quantencomputer, der für Unternehmen entwickelt wurde. Mittlerweile in der 5. Generation wurde er von Grund auf mit einer neuen Prozessorarchitektur mit mehr als 5.000 Qubits und 15-Wege-Qubit-Konnektivität entwickelt.
Der D-Wave Quantenannealer an seinem neuen Standort im „Juniq“-Gebäude am Forschungszentrum Jülich: Das „Advantage“-System von D-Wave ist ein Quantencomputer, der für Unternehmen entwickelt wurde. Mittlerweile in der 5. Generation wurde er von Grund auf mit einer neuen Prozessorarchitektur mit mehr als 5.000 Qubits und 15-Wege-Qubit-Konnektivität entwickelt.
(Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)

„Wir freuen uns, dass wir die Expertise des Forschungszentrums Jülich im Bereich des Quantencomputing mit der transformativen Quantencomputertechnologie von D-Wave zusammenbringen können. Ich bin stolz darauf, dass dies das erste kommerzielle Quantencomputersystem in der Region in Europa ist und bin gespannt auf die Innovationen und Anwendungen, die mit der Installation dieses Systems einhergehen“, setzt der CEO des Kanadischen Herstellers hinzu.

Das Forschungszentrum Jülich hat sich zum Ziel gesetzt, eine führende Entwicklungs- und Nutzergemeinschaft aus Industrie und Wirtschaft für Quantencomputing-Anwendungen in Deutschland und Europa aufzubauen. Professor Wolfgang Marquardt, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich, führt aus: „Dazu haben wir am Jülich Supercomputing Centre mit Juniq eine User Facility für Open Innovation geschaffen, die den Anwendern eine einheitliche Quantencomputing-Plattform als Service und die dazugehörigen Kompetenzen für den Anwendersupport und die gemeinsame Software-Entwicklung zur Verfügung stellt.“

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Damit biete das Forschungszentrum Anwendern und Entwicklern einen dienstleistungsorientierten Zugang zu dem „einzigartigen Jülicher Quantencomputer-Ökosystem, das durch seine exzellente technische Ausstattung, vor allem aber durch die Bündelung unserer starken Expertise im Supercomputing und in den Quantentechnologien die besten Voraussetzungen“ bietet, um die wertschöpfende Nutzung von Quantencomputern zügig voranzutreiben.

Professor Kristel Michielsen ist Leiterin der Gruppe "Quantum Information Processing".
Professor Kristel Michielsen ist Leiterin der Gruppe "Quantum Information Processing".
(Bild: Forschungszentrum Jülich)

Das neue Quantensystem ist der zweite D-Wave-Quantencomputer innerhalb der Juniq-Anwenderinfrastruktur und das weltweit erste Advantage-System, das außerhalb des Firmensitzes in Kanada steht. Professorin Kristel Michielsen, Pionierin des Quantencomputing und Leiterin der Gruppe Quanteninformationsverarbeitung am Jülicher Supercomputing Center,JSC, betont: „Wir betreiben das System direkt hier in Jülich - das gibt uns die Möglichkeit, es eng in unsere Supercomputing-Infrastruktur zu integrieren".

Das sagen die Anwender

Das Interesse an der kommerziellen Nutzung ist groß. Das lässt auch Caixiabank-CEO Gortazar, deutlich werden: „Das Quantencomputing entwickelt sich bereits zu einem nützlichen Instrument für die Finanzdienstleistungsbranche, das im Vergleich zu herkömmlichen Technologien mehr Effizienz und bessere Ergebnisse liefert. Ein optimierter und effizienter Zugang zur Quantentechnologie wird den europäischen Unternehmen erhebliche Möglichkeiten zur Wertschöpfung bieten. Deshalb ist die Einrichtung eines Advantage-Systems hier in Europa so wichtig", sagt er.

Festreden zur Betriebsaufnahme des D-Wave-Quantum-Annealers in Jülich. Vertreter aus Politik und Wissenschaft drückten am Montag den Startknopf.
Festreden zur Betriebsaufnahme des D-Wave-Quantum-Annealers in Jülich. Vertreter aus Politik und Wissenschaft drückten am Montag den Startknopf.
(Bild: Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau)

Doch auch die europäische Forschung dürfte nicht zu kurz kommen, beispielsweise an der Durham University. Da macht es auch nichts, wenn die Hochschule, deren Speisesaal beispielsweise viele aus den „Harry Potter“-Filmen kennen dürften, bekanntermaßen im Nicht-EU-Land Großbritannien, genauer in England, liegt: „An der Universität arbeiten die Forscher seit vier Jahren mit D-Wave zusammen und freuen sich, dass unsere Quantencomputing-Forschung zu effizienten drahtlosen Sensornetzwerken an Fahrt gewinnt“, so Michael Spannowsky, Direktor des Instituts für Teilchenphysik und Phänomenologie an der Durham University. „Erfolgreiche frühe Quantenanwendungen sind ein wesentlicher Faktor für die Zukunft der akademischen Forschung und dafür, wie sich diese Forschung auf Unternehmen und Regierungen auswirken kann. Deshalb ist es für zukunftsorientierte europäische Organisationen, die heute hochkomplexe Probleme lösen wollen, von entscheidender Bedeutung, auf ein europaweites System zugreifen zu können.“

Die Quantencomputer von D-Wave stehen europäischen Nutzern per Cloud bereits seit 2019 zur Verfügung. Nach eigenen Aussagen des Herstellers eignen sie sich besonders für die Lösung schwieriger Optimierungsprobleme. Optimierungsanwendungen sind in der Industrie allgegenwärtig, zum Beispiel: effiziente Steuerung von Verkehrsflüssen, Finanzmodellierung, Gesundheitsvorsorge, Fertigung, Logistik und mehr. Bis heute haben die Kunden des Unternehmens mehr als 250 frühe Quantenanwendungen in so unterschiedlichen Bereichen wie Finanzmodellierung, Flugplanung, Wahlmodellierung, Simulation von Quantenchemie, Automobiltechnik, Gesundheitswesen, Logistik und mehr entwickelt.

Das Advantage-System von D-Wave ist laut D-Wave „der erste und einzige Quantencomputer“, der speziell für industrielle Anwendungen entwickelt wurde. Das Jülicher System verfügt über das neueste Advantage-Performance-Update mit 5000+ Qubits, der hochgradig vernetzten „Pegasus“-Topologie und der bisher höchsten Leistung in einem kommerziellen Quantensystem. Die Rechner befinden sich in einem neuen Gebäude in Jülich, das speziell für das Quantensystem gebaut wurde. Es ist heute offiziell eingeweiht worden.

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