Die Datenbrille auf der Nase und das Vision Lab im Background Computergestützte Realitätswahrnehmung hilft Windkrafttechnikern

Autor / Redakteur: Sabine Nollmann* / Ulrike Ostler

Eine Datenbrille soll den Service an Windenergie-Anlagen künftig einfacher gestalten. Doch das ist nur ein teil der Augmented Reality. Die besonderen Herausforderungen liegen in der 3D-Objekterkennung, der Indoor-Navigation sowie im Daten-Management und der -sicherheit.

Anbieter zum Thema

Arbeiten mithilfe einer Datenbrille: Das „AR Maintenance System“ erkennt die Raumgeometrie des Schaltkastens, blendet Lage- und Schaltpläne ein und es dokumentiert die Arbeit.
Arbeiten mithilfe einer Datenbrille: Das „AR Maintenance System“ erkennt die Raumgeometrie des Schaltkastens, blendet Lage- und Schaltpläne ein und es dokumentiert die Arbeit.
(Bild: Michael Jung/Fotalia, Montage: AnyMotion)

Der Servicetechniker betritt die Windenergie-Anlage, setzt seine Datenbrille auf und wird zu der Stelle navigiert, wo er eine Wartung oder Reparatur zu erledigen hat. Dort erhält er, ebenfalls über die Brille, genaue Instruktionen für seinen Job. Mehr noch: Die Datenbrille erfasst seine Arbeit und übernimmt für ihn die zahlreichen, lästigen Dokumentationspflichten.

Keine Handblätter, Zettel, Stifte und Formulare mehr. Schon in naher Zukunft wird das Realität sein. Da sind sich das Biba, Bremer Institut für Produktion und Logistik GmbH an der Universität Bremen, die Anymotion GmbH (Bremen) und die Comback GmbH (Oberreichenbach, Baden-Württemberg) sicher.

„AR Maintenance System“ heißt ihr gemeinsames Forschungsprojekt. Es läuft zwei Jahre und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Programms „Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) gefördert. Damit will die Regierung mittelständische Unternehmen in ihrer Zusammenarbeit mit anwendungsorientierten Forschungsinstituten nachhaltig unterstützen und so einen Beitrag zum Wachstum kleinerer Unternehmen sowie Handwerkern und freiberuflich Schaffenden leisten und Arbeitsplätze schaffen und sichern.

Der erste Markt

Die Anzahl der WEA steigt rasant. Ein Windpark nach dem anderen geht ans Netz. In Deutschland standen laut Wind Guard Ende 2014 insgesamt 24.867 Windenergie-Anlagen (WEA). Und allein im ersten Halbjahr 2015 gingen 422 Offshore-WEA neu ans Netz. Damit speisten zum 30. Juni 2015 auf See auch insgesamt 668 deutsche WEA ihren Strom für etwa drei Millionen Haushalte ins Netz ein, berichtet der Bundesverband Windenergie.

Bald schon Realität: Während der Techniker die Verschaltung prüft, liefert ihm das „AR Maintenance System“ über eine Datenbrille die erforderlichen technischen Daten und dokumentiert die Arbeit.
Bald schon Realität: Während der Techniker die Verschaltung prüft, liefert ihm das „AR Maintenance System“ über eine Datenbrille die erforderlichen technischen Daten und dokumentiert die Arbeit.
(Bild: Michael Jung/Fotalia, Montage: AnyMotion)

Somit wächst auch der Aufwand für die Instandhaltung. Diese Servicetätigkeiten sind sehr kosten- und zeitintensiv und das aufwendig ausgebildete Fachpersonal ist knapp. Es gilt also, die Arbeit der Fachleute so einfach und effektiv wie eben möglich zu gestalten. Dabei hilft künftig das AR-Maintenance-System.

„AR“ steht für „Augmented Reality“ und bezeichnet die computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung. „Maintenance“ steht für „Instandhaltung“. Die Projektpartner entwickeln also ein Assistenzsystem für Servicetechniker und -technikerinnen, das die Realität durch die visuelle Darstellung von Informationen zum Instandhaltungsprozess erweitert und die Dokumentation erleichtert.

Assistenzsystem für WEA-Industrie, und später auch für andere Branchen

Leicht ist die Brille, sie drückt nicht auf der Nase, schränkt das Gesichtsfeld nicht ein, und sie passt unter jeden Helm. Sobald der Techniker die WEA betreten hat, setzt er die Brille auf. Sie hilft ihm bei der Orientierung in der WEA, liefert ihm die Arbeitsanweisungen und übernimmt die Dokumentation seiner Arbeiten.

Zu jeder WEA muss über ihre Lebenszeit eine Vielzahl an Daten genauestens festgehalten und die Datensicherheit gewährleistet werden. Auch dabei wird die Datenbrille helfen. Der Techniker hat die Hände frei für seine Arbeit, muss nicht mehr in Handbüchern blättern und keine Berichte mehr fertigen. So kann er seine Arbeitsaufträge schneller und effizienter abarbeiten als bisher und sie zeitgleich auch noch dokumentieren.

Servicetätigkeiten an Windenergieanlagen sind sehr kosten- und zeitintensiv, und das aufwendig ausgebildete Fachpersonal ist knapp. Es gilt also, die Arbeit dieser Fachleute so einfach und effektiv wie eben möglich zu gestalten. Allerdings soll das nur eine erste Anwendung des „AR-Maintenance-Systems“ sein.
Servicetätigkeiten an Windenergieanlagen sind sehr kosten- und zeitintensiv, und das aufwendig ausgebildete Fachpersonal ist knapp. Es gilt also, die Arbeit dieser Fachleute so einfach und effektiv wie eben möglich zu gestalten. Allerdings soll das nur eine erste Anwendung des „AR-Maintenance-Systems“ sein.
(Bild: Michael Jung/Fotalia, Montage: AnyMotion)

Durch eine halbtransparente 3D-Datenbrille sehen deren Trägerinnen und Träger ganz normal alles Reale vor sich. Zudem liefert die Brille über den Objekten positioniert ergänzend eine hilfreiche Arbeitsansicht und unterstützende Daten. Darüber hinaus registriert die Brille per Kamera auch das, worauf ihr Träger seinen Blick richtet.

Möglich wird das alles durch neueste Technik und eine komplexe, dahinterliegende Software. Zunächst wird das System nur den WEA-Servicetechnikerinnen und -technikern wertvolle Dienste leisten, aber eine Übertragbarkeit auf andere Branchen, so BIBA-Projektleiter Moritz Quandt, sei möglich. Das System werde kompatibel sein mit unterschiedlichen AR-Brillen auch der nächsten Generation.

Unterstützung auch durch das Computer Vision Lab des BIBA

Die Herausforderungen in dem Projekt bestehen in der Indoor-Navigation, Anymotion, der Visualisierung, dem Erfassen und Liefern von Instandhaltungsanweisungen und -tätigkeiten sowie der Objekterkennung (BIBA) und zudem im Management der großen Datenmengen (Comback).

In das Projekt fließen die Erfahrungen und Forschungserkenntnisse des BIBA zur 3D-Objekterkennung ein. So nutzt das Institut für dieses Forschungsprojekt auch sein Computer Vision Lab. Es beschäftigt sich mit Bildverarbeitung und Künstlicher Intelligenz für Produktion und Logistik, und es unterstützt den direkten Transfer von der Forschung in die Praxis. Themen des Vision Lab sind unter anderem die 3D-Objekterkennung, die Qualitätskontrolle in der Produktion und die Mensch-Maschine-Interaktion, die in Zeiten von Industrie 4.0 stetig an Bedeutung gewinnen.

* Sabine Nollmann ist Journalistin Wissenschaftskommunikation bei Kontexta.

(ID:43614858)