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Im Verlauf der letzten Jahre habe ich global zahlreiche Elektroräume und Datencenter, die mit HVAC-/RLT-Anlagen klimakontrolliert wurden, mit Filter- und Überdrucklösungen zur Korrosionskontrolle versehen. 5-10 Pa war immer ein gut einstell- und haltbarer Richtwert, um den Schutz der Räume nach ASHRAE TC9.9 zu gewährleisten. Die Räume mussten häufig per Blower Door Test auf ihre Dichtigkeit geprüft werden, das war aber meist kein großer Aufwand. Die Abdichtung der unerwarteten Leckagen dann schon eher, aber auch alles darstellbar und kostentechnisch kein Problem...
Interessant waren aber schon immer die on-site Diskussionen mit den Betreibern, Installateuren, Betriebsingenieuren und Instandhaltern, die für die 24/7-Uptime der Installationen verantwortlich waren.
Die industriellen Betriebsingenieure waren immer über die gesamte ASHRAE TC9.9 Richtlinie informiert (Luftfeuchte, Partikel UND Korrosionsschutz gegen Schadgase) informiert und trainiert worden.
Im Gegensatz dazu wurden die Datencenter-Betreiber nur über den Einfluss von Temperatur und Partikeln informiert, was mich immer irritiert hat. Die gasinduzierte Korrosion wurde komplett ausgelassen, ganz so als wenn es sie nicht gäbe.
Die ASHRAE TC9.9 Richtlinie ist ja eigentlich im Jahr 2011 aus den Erfahrungen aller bedeutenden Datacenter-Hardware-Lieferanten (AMD, CISCO, CRAY, DELL, EMC², Hitachi, HP, IBM, Intel, Oracle, Seagate und SGI) entstanden und führte die Anforderungen der ISO 14644-1 ('Reinraum Klasse 8') und der ISA 71.04 (Korrosionskontrolle Kupfer/Silber) zusammen. Nun ist mit Datacenter-Hardware aber ebenfalls (und nicht zu vernachlässigen!) z.B. auch dies gemeint: Trafos (Hochspannung, Niederspannung), Stromverteilung, Sicherungen/Schalter, USV, Racks, Lüfter, Server, Leiterplatten, Festplatten, usw., usf..
Diese Anlagen sind häufig weitaus länger als elektronische Hardware installiert und sind langfristigen Schädigungen durch Korrosion weitaus stärker ausgesetzt. Da knallt es dann schon mal häufiger, mit entsprechenden Schäden und Folgen.
Wenn man den Datencenter-Betreibern die Garantiebedingungen der Hardware-Hersteller zeigt, sieht man immer wieder irritierte Gesichter. Die Garantiebedingungen aller Hardware-Hersteller listen nämlich immer zwei große Punkte bei der Luftqualität auf:
neben RH% und Temperatur, immer auch
den Korrosionsschutz gegen Schwefelgase, Stickoxide, Ammoniak und Ozon
Aus mir nicht bekannten Gründen ist die Thematik (2) nie zu Datencenter-Eigentümern oder -Betriebern durchgedrungen - als wenn es das Thema dort nicht gäbe oder man es in Datencentern selektiv ausblendet. Dabei sind Datencenter aus Kosten- oder Infrastrukturgründen immer dort angesiedelt, wo die gasförmigen Schadstoffkonzentrationen hoch sein können.
Im krassen Gegensatz dazu: Die meisten Schäden an elektronischen und elektrischen Installationen denen ich begegnet bin, wurden eigentlich immer von Schadgasen aus der Landwirtschaft, der Stadtluft, der Kanalisation und industriellen Abgasen und Abwässern erzeugt. Die Quellen und Herkunft der Schadgase konnte ich gut mit Hilfe von Kupfer-/Silber-Korrosionscoupons identifizieren und belegen. Durch entsprechende Auslegung von Gas-Filtersystemen in geplanten oder existierenden RLT-Anlagen und anschließender Verlaufskontrolle hat man die Korrosionsschäden in den Griff bekommen.
Wenn ich zur Begutachtung der Schalt- und Serverräume gerufen wurde, war der Schadensfall häufig schon eingetreten, weil die RLT-Anlagen häufig keine Gasfilter hatten. Ausfälle ganzer Produktionseinheiten hatten dann die Instandhalter, Planer, die Versicherung und manchmal auch die Behörden auf den Plan gerufen. Auf den Bauteilen und waren nach Analyse die Kupfer- und Silberhaltigen Teile mit Korrosionsschichten aus hauptsächlich Sulfiden, Sulfiten, Nitriten und Nitraten, sowie Chloriden und Oxiden überzogen. Manche hatten in 30 Tagen 400 nm aufgebaut, andere Standorte waren weniger betroffen.
Die Aussenluft konnte bis zu 20 ppm Schwefelwasserstoff oder 80 ppm Ammoniak (Amine) enthalten (tödlich für Kupfer und Silber), z.B. wenn Landwirte Gülle gefahren haben oder wenn eine kommunale oder industrielle Kläranlage in Windrichtung steht. Chloride hat man häufig in Häfen oder Küstennähe, manchmal auch in der Nähe von Frei- oder Schwimmbädern oder Chlor-Alkali-Elektrolyse-Betrieben.
Luftfeuchte spielte häufig auch noch eine Rolle wenn der Level viel zu hoch war (Kondensation an Metallteilen), Partikel spielten meistens ein untergeordnete Rolle bei der Korrosion, da die Bauteile dagegen recht gut geschützt waren und der Einsatz von G4-F7-F9 Filterkombinationen die meisten schädigenden Partikel aufgenommen hatten. Was mir häufig auffiel ist, dass die Filter nicht nach gemessenem maximal akzeptablen Druckverlust, sondern nach Standzeit gewechselt wurden.
Ich würde mein Wissen gerne teilen resp. weitergeben - gibt es hier eventuell eine Arbeitsgruppe, in der man das arrangieren kann?