Für 200 Megawatt einen Datacenter-Campus Co-Location-Anbieter Digital Realty will in Frankfurt Nah- und Fernwärme liefern
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Die 'Digital Park Fechenheim' in Frankfurt am Main ist ein Novum für Deutschland. Es entsteht für Digital Realty der größte Datacenter-Campus mit 11 einzelnen Rechenzentrumsgebäuden - im Vollausbau mit 200 Megawatt Anschlussleistung - sowie das umfangreichste Projekt zur Abwärmenutzung. Außerdem zieht ein Teil der Rechenzentrumsinfrastruktur in denkmalgeschützte Gebäude.

Die Ausmaße sind gigantisch. Der Campus umfasst rund 107.000 Quadratmeter und 90.000 davon werden in IT-Fläche umgewandelt. Im Vollausbau wird das Areal mit 11 einzelnen Rechenzentren - „FRA 17“ bis „FRA 27“ rund 200 Megawatt Anschlussleistung benötigen. Dafür ist es notwendig zwei DLR-Umspannwerke (DLR = Digital Realty-Umspannwerk) zu bauen: für 110 Kilovoltampere und 10 Kilovoltampere, samt zugehörigem Versenken der Leitungen in den Boden: „UW03“ (siehe. Abbildung 7) und „UW04“.
Erbauer und Besitzer der Umspanneinrichtungen ist der Co-Location-Betreiber Digital Realty selbst. Vermutlich wird es mit dem örtlichen Energieversorger Mainova jedoch einen Betreibervertrag geben.
Fertiggestellt ist bereits FRA 17. FRA 18 und FRA 27 befinden sich im Ausbau, kürzlich wurden dort die Richtfeste gefeiert. Mit der Fertigstellung rechnet Thomas Wacker, Senior Director Design, Engineering and Construction (DE&C) für die Region Deutschland, Österreich und die Schweiz von Digital Realty (siehe: Abbildung 5), für 2024. FRA 23 in der Planung. Für FRA 19, FRA 20, FRA 21 und FRA 22 stehen die Rohbauten. Zusätzlich entsteht ein 'Security Building', in dem die Notstrom-Dieselgeneratoren untergebracht werden.
Die Historie
Ursprünglich habe Digital Realty, damals noch Interxion, eine Parkplatzfäche in der Nähe des jetzigen Campus für die Errichtung neuer Rechenzentren erwerben wollen, erinnert sich Wacker. 2018 sei man in die Verhandlungen eingestiegen und 2019 sei auch schon wieder Schluss gewesen, da die Stadt an dieser Stelle keine Chance zur Errichtung neuer Datacenter gesehen habe. Damals habe überhaupt zur Disposition gestanden, ob Frankfurt am Main weitere Rechenzentren zulassen wolle oder ob es eine Art Kataster für etwaige Ansiedlungen geben werde.
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Das "Ja, aber" zu neuen Rechenzentren steckt fest
Der Leiter des Klimareferats Frankfurt am Main über die Ansiedlung neuer Datacenter
Letztlich stieg man in Verhandlungen mit dem türkischen Immobilienunternehmen OSWE ein, einem Tochterunternehmen der Sinpas AG, die 2014 rund 60 Millionen Euro in das ehemalige Neckermann-Gelände von insgesamt 242 399 Quadratmetern (etwa 41 Fußballfelder) investiert hatte. Digital Realty erwarb nicht alles, aber einen großen Batzen in der Mitte des Geländes mitsamt dem denkmalgeschützten Gebäude, das dem ehemaligen Versandhändler als Hauptgebäude gedient hatte.
Mit den Denkmalämtern einigte sich Digital Realty darauf, dass zwei Achsen des in den 50er Jahren nach Plänen des Architekten Egon Eiermann 316 Meter langen Riegels inklusive Kopfbau und den 1000 Fenstern erhalten werden. Auch die charakteristische Außentreppe wird es geben, allerdings erneuert. In den 90er Jahren hatte Neckermann das Gebäude um ein siebtes Stockwerk erhöht. Das durfte abgerissen werden.
Um allerdings aus dem Büro- und Lagergebäude ein Rechenzentrum werden zu lassen, musste der Innenteil entfernt werden. Die Architekten sprechen von einem Box-in-Box-Bauwerk: Das ursprüngliche Gebäude wird entkernt und ein neues, den Ansprüchen an Statik und Raummaßen genügend, ein neues innen hochgezogen.
Zum Beispiel beträgt die Raumhöhe nun 5,75 Meter und nicht mehr wie gehabt, 3,50 bis 3,75 Meter. Einer der beiden Innenhöfe fiel dabei der Überplanung zum Opfer. Um die IT-Hallen herum sind die Technikräume angeordnet mit den ursprünglichen Raumhöhen, Hier sind also Mittelspannung, Niederspannung, Unterbrechungsfreie Stromversorgung und Batterie-Räume untergebracht.
Digital Realty darf die Kühltechnik, Chiller und Rückkühler auf dem Gebäudedach unterbringen. Der Aufbau soll sich optisch auf den ersten Blick von dem ursprünglichen Design unterscheiden. Noch unklar ist, ob der Wunsch des Co-Location-Anbieters zusätzlich auf dem Dach, noch oberhalb der Kühltechnik Photovoltaik-Anlagen unterzubringen, umgesetzt werden kann und darf. Hier haben auch Feuerwehr und Versicherung ein Wörtchen mitzureden.
Das lange Gebäude wird in fünf Rechenzentren unterteilt. Digital Realty beabsichtigt, hier, auf insgesamt 45.000 Quadratmetern kleinere Co-Location-Angebote unterzubringen, Cages und einzelne Racks, Rack-Reihen, während in den Rechenzentrumsgebäuden um diesen Riegel herum, ganze Hallen oder gar das jeweilige Gebäude an Hyperscaler vermietet werden sollen.
Glück habe Digital Realty mit dem Abraum gehabt, erläutert Wacker. Denn nur ein geringer Teil sei extrem schadstoffbelastet gewesen.
Neben dem Eiermann-Bau stehen auch das zugehörige Eingangsgebäude sowie das ehemalige Kesselhaus unter Denkmalschutz. Das Kesselhaus, das mit zwei Schornsteinen ausgestattet ist, bekommt ebenfalls einen neuen Zweck: Der Energieversorger Mainova wird dort, zunächst zwei Wärmepumpen betreiben, die die etwa 28 Grad warme Abluft aus den Rechenzentren aufheizen werden, so dass sie sich ins Fernwärmenetz einspeisen lässt.
Mainova betreibt in Frankfurt am Main ein Fernwärmenetz mit 110 bis 120 Grad. Die nahe gelegene Müllverbrennung speist unter anderem seine Abwärme hier ein. Versorgt wird etwa die EZB, die Europäische Zentralbank. Neue Fernwärmenetze brauchen keine derartig hohen Temperaturen, sie kommen mit 70 bis 80 Grad aus, was angesichts der Tatsache, dass die Wärmepumpen Strom benötigen für manchen die Sinnhaftigkeit in Frage stellt.
Allerdings fällt beim Aufheizen auch Kälte an, ungefähr von 6 Grad. Würde Digital Realty diese zum Kühlen verwenden können, gleiche der Kreislauf schon fast einem Perpetuum Mobile ... doch bis zu diesem Zeitpunkt ist noch unklar wie hoch die Verluste sein könnten.
Fest steht allerdings, dass Mainova nur einen Teil der Gesamtmenge an Abwärme übernehmen wird, rund 20 Megawatt. Mit diesen lassen sich theoretisch 3.600 Haushalte für vier bis fünf Jahre versorgen (Stand 2023). Einen entsprechenden Letter of Intent (LoI) haben Digital Realty und Mainova im Januar dieses Jahres unterzeichnet. Offiziell ist von einer 'Machbarkeitsstudie' die Rede.
Auch die Büros und Facility-Räume des Eiermann-Gebäudes werden mit der überschüssigen Wärme aus den Rechenzentren versorgt, direkt, ohne Fernwärme. Auch der Nachbar OSWE soll von der Wärme aus den Server-Räumen profitieren. Auch hier gibt es bereits einen unterschriebenen Vertrag. Demnach würde Digital Realty ab Oktober 2025 rund 30.000 Quadratmeter Fläche des Immobilienunternehmens samt eines Naturholzmöbelgeschäftes mit der Abwärme versorgen.
Mesut Arpaci, Geschäftsführer von OSWE, rechnet nicht damit, wenn das erst einmal funktioniert, dass das Möbelhaus noch zusätzliche Heizungen benötige. Er sagt zur Zusammenarbeit: „Ein Vorzeigeprojekt für die nachhaltige Nutzung von Abwärme, das durch die Kooperation mit Digital Realty in der Fechenheimer Nachbarschaft entsteht. Einmal mehr zeigt sich, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit Hand in Hand gehen können. Wir freuen uns sehr, Teil davon zu sein.“
Kostengünstig ist das Abwärmeprojekt nicht. Wie Volker Ludwig, SVP und Managing Director DACH bei Digital Realty sagt, kostet jedes einzelne Projekt auf dem Campus einen dreistelligen Millionenbetrag. Das gesamte Abwärmeprojekt schätzt er auf siebenstellig. Dafür werden rund 18.000 Quadratmeter Büro- und Lagerfläche im Riegel beheizt, rund 30.000 Quadratmeter für OSWE-Lagerhalle und -Büros und das Möbelhaus. Die Lieferung für die Fernwärme macht rund 20 Megawatt aus, die direkte lokale Belieferung rund 10 Megawatt.
Grün soll es werden
Das Egon-Eiermann-Gebäude wird ein Regenwasserauffangsystem bekommen. Mit dem gesammelten Wasser soll die Bepflanzung auf dem Gelände gegossen werden. Tatsächlich habe Digital Realty zusätzlich zum ursprünglichen Grünanteil auf dem Gelände rund 10.000 Quadratmeter entsiegelt, berichtet Ludwig und 270 Bäume gepflanzt. Außerdem will Digital Realty zwei Entnahmestellen außerhalb des Geländes zur Verfügung stellen, das die Stadt zur Bewässerung von öffentlichen Grünanlagen nutzen kann.
Übrigens verzichtet Digital Realty seit „FRA13“ auf Verdunstungskühler. Der erste Grund sei der hohe Wartungsaufwand, sagt Wacker, und der zweite die Wasserverschwendung.
„Nachhaltigkeit hat für uns höchste Priorität“, sagt Geschäftsführer Ludwig und schränkt sofort ein, dass vor Ort verfügbarer grüner Strom das Wünschenswerte sei. Den aber gebe es in nur unzureichender Menge. „Wir beziehen nicht nur Strom aus erneuerbaren Energien und haben mit dem Unternehmen Engie ein Power Purchase Agreement (PPA) zur Unterstützung der Entwicklung eines 154 MW-Solarparks in Brandenburg geschlossen.“
Die Vereinbarung hat eine Laufzeit von zehn Jahren und einer Kapazität von 116 Megawatt. Die Abnahmeverpflichtung von Digital Realty, die sich auf rund 120 Gigawattstunden pro Jahr beläuft, soll den Bau des neuen Freiflächen-Photovoltaik-Projekts unterstützen. Dieses wird aktuell von der CEE-Gruppe errichtet, ein auf Erneuerbare Energien spezialisierter Infrastrukturfonds.
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