Bess füttert das belgische Google-Datacenter mit Energie und Kohle Batteriespeicher anstelle von Notstromdiesel im Rechenzentrum
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In den meisten Rechenzentren sorgen Dieselgeneratoren für Ersatz, sollte der Strom ausfallen. Das passiert nur selten, doch die Anlagen müssen getestet werden. Wie oft liegt im Ermessen des Datacenter-Betreibers. Dass dabei CO2 entsteht, liegt in der Natur der Anlage und das steht im krassen Gegensatz zu einem klimaneutralen Betrieb, der in der EU, regulatorisch gestützt, angestrebt wird. Batterie-Speicher wären eine Alternative. Google in Belgien probiert das aus.

Jüngst auf der „Datacenter World in Frankfurt“ gab es keinen einzigen Vortrag, der die notwendige Nachhaltigkeit von Rechenzentren ignoriert hätte. Dabei stehen die Optimierung des Stromverbrauchs und die Verringerung der Kohlendioxidemissionen für die Betreiber schon länger auf der Agenda.
Allerdings braucht es zum Betrieb einer dekarbonisierten Infrastruktur erneuerbare Energien und dafür gibt es zumindest in Deutschland zu wenig. Die Abwärme aus den Rechenzentren, die sich für für Nah- und Fernwärme nutzen ließe, wird wenn überhaupt, angepriesen wie sauer Bier.
Und dann auch noch der Bedarf an Backup-Stromversorgungssystemen für die Gewährleistung der Betriebskontinuität in Rechenzentren: Das Dieselaggregat mit seinen Kohlenstoffemissionen ist die beliebteste und robusteste Lösung zur Notstromversorgung und scheint unvermeidlich. Doch das sieht Giuseppe Leto, Portfolio Manager Data Center bei Siemens in der Schweiz (SI S VES VMM) ganz anders.
Er hat gleich zur Eröffnung der Konferenz ein Batterie-Energiespeichersystem (BESS) vorgestellt und erläutert, wie die Absicherung der Stromversorgung damit umweltfreundlicher funktionieren kann. Denn heute basieren Bes-Systeme auf Lithium-Ionen-Batterien (Li-Ion), sind damit emissionsfrei (andere Batteriesysteme werden getestet und sind in Zukunft denkbar). Die Thesen:
- Sie haben ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis als eine entsprechende Dieselaggregat-Konfiguration.
- Sie haben das Potenzial zur Unterstützung und Stabilisierung des Netzes bei gleichzeitiger Erzielung zusätzlicher Einnahmen – Die Investitionen lassen sich im Wesentlichen über einen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren auf Null reduzieren.
Zunächst einmal muss klar sein, dass das Rechenzentrum einen Energiepartner braucht. Es sei wenig zielführend, wenn ein Rechenzentrumsbetreiber auch noch den Batteriespeicher managen müsse, erläutert Leto (siehe: Kasten).
Bess besteht aus allen Komponenten, die eine solche Verbindung zu einer Win-win-Situation konvertieren könne: Transformatoren, ein Telekommunikations-Modul, Kühlung, Batterien, ein Batterie-Management-System, Controller, Sicherheitskomponenten, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen zur Verbesserung der Systemleistung sowie eine integrierte Betriebsplattform mitsamt Kontrollen und Asset-Verwaltung.
Zudem biete das Siemens-System ein Scale-Out-Design. Das sorge für Effizienz bei der Projektgenehmigung und -bereitstellung, was das Implementierungsrisiko zu verringere, so Leto. Die bislang größte Installation derzeit könne 300 Megawatt (MW) für 4 Stunden bereitstellen.
Möglich sei zudem die Gewährleistung einer Konsistenz über alle Kerne und Projektstandorte hinweg; das vereinfache Schulung, Betrieb und Wartung. Das werksseitige Design sorge zudem für eine konsistente Qualitätskontrolle des Speichersystems.
Geschwindigkeit ist das neue A und O
Zu den unbestreitbaren Vorteilen eines Bess gehört, dass die Systeme hundertmal schneller von Netz- auf Batteriebetrieb umschalten als ein Dieselaggregat. Während in einem typischen Rechenzentrum eine Unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) die die kritische Last so lange mit Strom versorgt, bis das Dieselaggregat läuft, etwa 15 Sekunden benötigt, können sich Datacenter mit einem Bess die USV sparen. In der Regel laufen USV-Anlagen zwischen fünf und zehn Minuten.
Leto rät nicht dazu, die USV abzuschaffen, weil die Umschaltung vom Netz auf den Speicher bis zu 150 Millisekunden dauern kann, aber die Ausstattung mit Batterien könnte wesentlich kleiner ausfallen, geschätzt bis zu 90 Prozent (siehe: Abbildung 7). Das aber schaffe Platz im Rechenzentrum, entweder zugunsten von mehr IT oder die Gebäude werden gleich kleiner geplant, was sich in geringeren Baukosten auszahlen würde.
Mit den Batteriespeichern Geld verdienen
Doch Bess könne noch mehr: Mithilfe von Batteriespeichern können Datacenter-Betreiber Strom an den Markt zurückgeben; im Zusammenhang mit USV-Anlagen gibt es ja schon ermutigende Piloten (siehe: „Das Energiewende-Rechenzentrum als Blaupause; USV-Batterien und Notstrom sind regenerative Energiequellen, die das Stromnetz stabilisieren“).
Während Dieselaggregate als Vermögenswerte weitgehend nicht ausgelastet sind – die Verwendung als Notstromversorgung und Wartungszeiten machen weniger als 1 Prozent des Betriebs pro Jahr aus – kann ein Batteriespeichersystem jedoch jederzeit zur Unterstützung und Stabilisierung des Netzes eingesetzt werden. Google etwa setzt auf die Verwendung als virtuelles Kraftwerk (siehe: Kasten). Darüber hinaus gäbe es noch Demand Response und schnelle Frequenzregelung.
In einem Whitepaper hat Siemens den Energiemarkt in Finnland als Beispiel herangezogen. Durch die Teilnahme am Markt für stündliche Frequenzbegrenzungsreserven für den Normalbetrieb (FCR-N, siehe Abbildung) können Betreiber von Rechenzentren bis zu 150.000 Euro pro Jahr und MW erwirtschaften. Dies geht aus den Preisen hervor, die 2020 ausgehandelt und von Fingrid, dem finnischen Übertragungsnetzbetreiber, veröffentlicht werden.
Wie sich die Strompreise in Deutschland entwickeln und dass möglichst viele alternative Energiequellen genutzt werden sollten, dürfte jedem Bürger und nicht nur den Datacenter-Betreibern präsent sein. Bei Teilnahme am Jahresmarkt, hier bleibt der Preis während eines Kalenderjahres konstant, könnten Datacenter-Betreiber sogar noch höhere Einnahmen erzielen, so das Siemens-Whitepaper, das 2020 entstanden ist, also noch vor dem Krieg in der Ukraine. Das Papier ging damals von rund 150.000 Euro aus.
Generell lautet die Aussage aber: „In der Branche wird allgemein angenommen, dass sich die Teilnahme am Markt für Frequenzregulierung innerhalb von fünf bis sieben Jahren amortisieren kann.“
Aber?!
Der unbestreitbare Vorteil von Notstrom-Versorgung auf der Basis von Dieseltags- und -aggregatoren besteht darin, dass sich die Vorräte auffüllen lassen, sollte der Netzausfall länger dauern. „Im Vergleich zu Dieselaggregaten können BESS keine unbegrenzte Anzahl von Autonomiestunden unter Standortbedingungen garantieren“ lautet eine Aussage des Uptime Institute.
Dazu äußert sich Siemens-Manger Leto in einem zweiten Artikel.
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