Nachhaltiger Betrieb und Expansion Atnorth: „In Schweden liefern wir etwa 60 Prozent des Jahres Fernwärme“

Ein Gastbeitrag von Ulrike Ostler Lesedauer: 4 min |

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Insbesondere Schweden gilt als Vorbild, wenn es um die Nutzung von Datacenter-Abwärme geht. Wie geht tatsächlich ein nordischer Rechenzentrumsbetreiber wie Atnorth mit Standorten in Island und Schweden, der seine Services seit kurzem auch in Deutschland anbietet, mit dem Thema Fernwärme um? Chief Commercial Officer Gisli Kr. erzählt es im Interview.

Das schwedische Rechenzentrum von Atnorth
Das schwedische Rechenzentrum von Atnorth
(Bild: Atnorth AB)

Bei wochenlangem Sonnenschein diesen Sommer fühlte sich das Thema Gas-Knappheit für viele Menschen noch weit weg an. Doch jetzt sind die kalten Monate da – und es ist (energietechnisch) einer der herausforderndsten Winter der letzten Jahrzehnte.

Bereits Ende Juli forderte Bitkom-Präsident Achim Berg, die Abwärme von Rechenzentren in Deutschland viel stärker als bislang für Heizung und Warmwasser zu nutzen (siehe: Theoretisch: Wärme für 350.000 Wohnungen; Bitkom-Präsident Berg fordert: „Potenzial der Datacenter umgehend nutzen!“). Davon könnten 350.000 Wohnungen profitieren. Von vereinzelten lokalen Projekten abgesehen wird Abwärme von Rechenzentren hierzulande jedoch noch kaum genutzt.

Atnorth unterhält zwei Rechenzentren in Island und eines in Schweden. An welcher Stelle wird bei Ihnen Abwärme genutzt, die privaten Haushalten zugutekommt?

Gisli Kristjansson, Kurzform Gisli Kr., ist Chief Commercial Officer bei Atnorth AB.
Gisli Kristjansson, Kurzform Gisli Kr., ist Chief Commercial Officer bei Atnorth AB.
(Bild: Atnorth AB)

Gisli Kr. Nachhaltigkeit ist ein zentraler Unternehmenswert für uns. Atnorth hat seine Rechenzentren von Grund auf so konzipiert, dass sie die beste Energie-Effizienz bieten. So wird beispielsweise das neueste Datacenter in Stockholm zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben und nutzt eine effiziente Wärmerückgewinnung sowohl für luft- als auch für flüssigkeitsgekühlte IT-Infrastrukturen. Dadurch kann die gesamte Restwärme des Rechenzentrums über das Stockholmer Energieunternehmen Exergi recycelt werden, wo die überschüssige Wärme dann bis zu 20.000 Wohnungen heizen kann.

Wie speichert Atnorth die entstehende Wärme beim Betrieb der Rechenzentren?

Gisli Kr. Die Wärme kann aus der Luft entnommen und an unsere Wärmepumpen weitergeleitet werden. Aber wir verwenden auch direkte Flüssigkeitskühlsysteme, die die Wärme aus den Chips gewinnen und effizient über unser Wärmepumpensystem transportieren.

Wie profitiert Atnorth konkret vom Einsatz von Fernwärme? Wird sie nur in Schweden genutzt und nicht in Island?

Gisli Kr. Atnorth trifft Vereinbarungen mit Energieversorgern, die für die Lieferung von Wärme für zentrale Fernwärme oder andere industrielle Zwecke bezahlen. Dies trägt beispielsweise zu den niedrigeren Gesamtbetriebskosten unseres schwedischen Rechenzentrums bei.

Das alles ist so eingerichtet, weil die Erfassung und Verteilung von Wärme mit Kosten für Infrastruktur und Strom verbunden ist. In Schweden sind wir in der Lage, etwa 60 Prozent des Jahres Wärme an die zentrale Fernwärmeversorgung zu liefern.

In Island sind wir in aktiven Gesprächen mit Industrien, die die Abwärme nutzen könnten. Die Herausforderung in Island ist, dass es ein so großes Angebot an heißem Wasser gibt, dass weniger Appetit besteht, innovative Wege zur Nutzung der Abwärme zu finden.

Wir sind jedoch mit einigen Unternehmen im Austausch, um die Möglichkeiten für die Beheizung von Gewächshäusern, Fischzuchtanlagen und anderen Branchen zu erkunden. Natürlich nutzen wir die Abwärme, um unsere eigenen Bürogebäude mit warmem Wasser zu versorgen.

Mit welcher Temperatur kommt das Wasser bei Atnorth an, das zur Kühlung der Rechenzentren benötigt wird? Mit viel Grad Celsius wird es an das Fernwärmesystem in Schweden zurückgegeben?

Gisli Kr. Im Rechenzentrum in Stockholm wird das Wasser mit einer Temperatur von rund 40 Grad aus dem zentralen Fernwärmesystems des lokalen Versorgers in das Datacenter geleitet und mit einer Temperatur von 85 Grad an die Anlage zurückgegeben. Die Temperatur in Island steigt dagegen nie über 25 Grad Celsius, in Nordisland kommt das von Zeit zu Zeit vor (weniger als 10 Tage im Jahr). An diesen Tagen wird das Wasser nicht zur Kühlung genutzt.

Aktuelles zu Atnorth

Atnorth ist ein führendes pan-nordisches Unternehmen für Rechenzentrumsdienstleistungen, das nachhaltige, kosteneffiziente und skalierbare Colocation- und High-Performance-Computing-Dienste in Island, Schweden und Finnland anbietet. Das Unternehmen, das 2009 gegründet und 2022 von der Partners Group übernommen wurde, hat seinen Hauptsitz in Reykjavik.

Der nordische Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen beginnt das Jahr 2023 mit der Nachricht, dass er zwei Rechenzentren von Advania AB in Finnland erworben hat. Bis jetzt betreibt Atnorth fünf Rechenzentren an strategischen Standorten, ein sechster Standort soll im zweiten Quartal 2023 in Akureyri, Islands Technologiezentrum im Norden, eröffnet werden. Zudem plant das Unternehmen auch den Bau eines dritten Standorts in Finnland.

Atnorth wird den Betrieb und das Management der beiden neuerworbenen Rechenzentren übernehmen. Die Standorte und die Fachkräfte kommen von Advania.

In Finnland

Finnland ist nach Aussagen aus dem Hause Atnorth in den Bereichen Technologie und Digitalisierung weltweit führend und ein verlockender Zielmarkt für ausländische Direktinvestitionen. Finnische Unternehmen investieren seit langem in Forschung und Entwicklung, und die Regierung hat der Digitalisierung Priorität eingeräumt. Infolgedessen verfügt das Land über einen florierenden Technologiesektor mit vielen erfolgreichen Start-ups und innovativen Unternehmen. Zudem hat das finnische Finanzministerium für Finnland das Ziel gesetzt, im Jahr 2035 klimaneutral zu sein.

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